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Duell um die Zukunft

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Tesla und die Gewerkschaften

Nur knapp ein Jahr nach Baubeginn läuft die Produktion an. Bloomberg/Getty Images

Teslas neue Autofabrik in Schanghai

Nur knapp ein Jahr nach Baubeginn läuft die Produktion an.

Die Vorbereitungen auf dem neuen deutschen Werksgelände von Tesla laufen. Weltkriegsmunition wurde gesprengt, rund 150 Hektar Kiefernwald sollen gerodet werden. Tesla investiert vier Milliarden Euro, 12.000 Arbeitsplätze könnten entstehen. Ab Juli 2021 sollen hier in der ersten Stufe 100.000 Elektroautos pro Jahr produziert werden. Wenn da nicht ein typisch deutsches Problem wäre: die Umweltschützer.

„Für uns ist es wichtig, dass von der Wasserentnahme keine Gefährdung des Grundwasserspiegels ausgeht“, sagt Friedhelm Schmitz-Jersch, Landesvorsitzender des Naturschutzverbands Nabu. Auch wollen die Naturschützer Zauneidechsen umsiedeln, sobald sie ihre Winterstarre beenden. Zudem werden vier Ameisenhaufen umgesetzt.

Musk selbst schaltete sich vor wenigen Tagen ein, argumentierte auf Twitter für die Fabrik. Der Wasserverbrauch sei nur in Ausnahmefällen hoch. Auch werde ja nur „ein kleiner Teil“ des Waldes abgeholzt, der zudem nicht natürlich entstanden, sondern angepflanzt worden sei, um „Karton herzustellen“.

Die Naturschützer demonstrieren, ihre Bedenken werden die Fabrik kaum verhindern. Aber es zeichnen sich andere Probleme ab. „Das wird für Tesla kein Selbstläufer, die Arbeitsplätze zeitnah und mit dem gewünschten Qualifikationsniveau zu besetzen“, sagt Jochem Freyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Frankfurt/Oder, die für Grünheide zuständig ist. Projekte wie der neue Flughafen in Berlin ziehen Arbeitskräfte ab, auch aus „demografischen Gründen baut sich in den nächsten Jahren eine generelle Arbeitskräfteknappheit in Brandenburg auf“.

Die Agentur hilft, wo sie kann, baute etwa Kontakte zu Arbeitsvermittlern im nahen Polen oder zu Arbeitsagenturen an Standorten in Deutschland auf, wo Jobs in der Automobilindustrie auf der Kippe stehen. Tesla selbst will qualifizierte Mitarbeiter in Deutschland, in Europa und darüber hinaus ansprechen.

Bei der IG Metall schreckt man da auf. Dass Tesla ein Werk in Grünheide bauen wolle, zeige die Attraktivität des deutschen Standorts, sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann vor einer Woche bei der Jahrespressekonferenz. Aber von der deutschen Infrastruktur zu profitieren und sich dann billige Arbeitskräfte aus Polen zu holen, das sei „purer Kapitalismus“, schimpfte Hofmann: „Ich sehe da ordentlich Krach vor uns.“

Seine erste Begegnung mit der anderen deutschen Arbeitskultur und der Mitbestimmung hatte der US-Hersteller Tesla, als er Ende 2016 den Maschinenbauer Grohmann Automation in Prüm übernahm. Damals sei es nicht immer leicht gewesen, „den Amerikanern zu erklären, wie das hier mit Mitbestimmung und Tarifverträgen läuft“, erinnert sich Stefan Schaumburg, kommissarischer Leiter des IG-Metall-Bezirks Berlin-Brandenburg-Sachsen.

Dass Tesla seine geplante Fabrik in Form einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) aufziehen wolle, in der es keine klassische Unternehmensmitbestimmung gebe, sei „nicht gerade ein gutes sozialpartnerschaftliches Signal“, kritisiert der Gewerkschafter. Grundsätzlich bestehe aber immer die Möglichkeit, einen Betriebsrat zu gründen – unabhängig von der Rechtsform.

Kampf der Systeme

Während Tesla also bei seiner Expansion nach Deutschland die Spielregeln der Sozialen Marktwirtschaft kennen lernt, versucht Volkswagen, den Geist des Silicon Valley zu inhalieren. Alexander Hitzinger spielt eine Schlüsselrolle bei dieser Wandlung des deutschen Riesen. Der frühere Apple-Mitarbeiter soll die Systeme für autonome Fahrzeuge entwickeln.

Im Umfeld der Technologiemesse CES in Las Vegas hatte er kürzlich einen seiner raren öffentlichen Auftritte. In einem Restaurant mit Blick über den „Strip“, der Vergnügungsmeile der Glückspielstadt, stellte er seine Vision der Zukunft vor. Über Nacht würden autonom fahrende Autos zwar nicht kommen. Aber noch in diesem Jahrzehnt sollten die neuen Modelle von VW fahrerlos durch den Verkehr steuern können, prophezeite er.

Hitzinger kennt das Automobilgeschäft. Bevor er zu Apple kam, war er bei Porsche für die Entwicklung des Rennwagens 919 Hybrid verantwortlich. Mit dem Auto hat die VW-Tochter das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gleich dreimal in Folge gewonnen. Hitzinger ist ein Gewinnertyp, aber auch er muss mit den Begebenheiten von VW zurechtkommen.

Schon zu Beginn seiner neuen Aufgabe wird es für ihn kompliziert. Er muss die Einheiten der Marken Audi und VW vereinen und zudem die Kooperation mit Ford integrieren. Die Lösung ist typisch VW: Die Audianer behalten ihre Eigenständigkeit und entwickeln das System, das zumindest halb-autonomes Fahren ermöglichen soll.

Keiner verkauft mit elf Millionen so viele Autos wie VW. Bloomberg/Getty Images

Überprüfung eines VW Golfs im Lichttunnel

Keiner verkauft mit elf Millionen so viele Autos wie VW.

Dieses stehe kurz vor dem Marktstart, so Hitzinger. Die nächste Stufe sollen dann die Kollegen in den USA entwickeln, wobei der Auftrag zwischen dem künftigen VW-Ford-Joint-Venture Argo und anderen Teilen der konzerneigenen Entwicklermannschaft aufgeteilt werden soll.

Es ist eine Kompromisslösung, mit der die betroffenen Mitarbeiter zufrieden sein dürften. Ob diese Zersplitterung wirklich sinnvoll ist, muss sich aber erst zeigen. Das Risiko ist auch da groß: Die Entwicklung autonomer Fahrsysteme kostet schnell einen zweistelligen Milliardenbetrag.

VW will es bei der Software anders machen und entwickelt wie BMW und Daimler ein eigenes Betriebssystem für alle Autos. Anders als bei Tesla soll das VW-Betriebssystem auch Wettbewerbern offenstehen. Der Ansatz ist vergleichbar mit dem Betriebssystem Android, das Google für Mobiltelefone anbietet. Tesla hingegen hält die Schranken unten, schottet seine Software ab wie Apple sein Smartphone-Betriebssystem iOS.

Es ist ein Kampf der Systeme – und VW versucht, ihn durch die schiere Masse der produzierten Fahrzeuge für sich zu entscheiden. Denn während Tesla 2019 erstmals rund eine halbe Million Autos verkauft hat, kommt VW Jahr für Jahr auf elf Millionen. Nutzen auch andere Firmen die Plattform der Wolfsburger, dann steigt die Zahl noch einmal.

Diess schafft so für VW nicht nur eine Basis für eine schnelle Refinanzierung der Software-Investitionen, er ermöglicht seinem Unternehmen den Zugang zu dem, was als Rohstoff des 21. Jahrhunderts gilt: Daten. Sind die Fahrzeuge mit dem VW-Betriebssystem erst einmal auf der Straße, dann sammeln sie unablässig Daten, die Volkswagen nutzen kann. Die Entwicklung selbstfahrender Autos könnte damit einen Schub erhalten, VW wäre dann seinem Ziel nähergekommen, sich zum Tech-Konzern zu wandeln.

Bei aller Euphorie für Tesla haben die deutschen Autobauer noch einen weiteren Vorteil. Mit ihrer Erfahrung aus über 100 Jahren Automobilgeschichte sind sie bei der Entwicklung neuer Antriebe weiter als jedes andere Unternehmen in der Welt. Neben dem E-Antrieb investieren die Deutschen in die Brennstoffzelle, in der Wasserstoff in Wasser und Strom zerlegt wird.

Für viele Techniker gilt Wasserstoff, nicht Batteriestrom, als der Energieträger für die Mobilität der Zukunft. Für Musk hingegen ist die Wasserstoff-Technik wahlweise „ein Haufen Schrott“ oder „überwältigend bescheuert“. Die Brennstoffzelle ist für ihn schlicht eine „Narren-Zelle“.

Die Fokussierung auf Elektromobilität mag für Tesla im Moment Sinn ergeben. Den Alternativweg Wasserstoff völlig zu ignorieren zeugt aber auch von Hybris. Also jenem Ungeist, der lange in Wolfsburg vorherrschte und den Weltkonzern Volkswagen überhaupt erst in die missliche Lage brachte, mit einem kalifornischen Start-up um die Zukunft der Mobilität zu konkurrieren.

Eins ist klar: Beide Konzerne entwickeln sich derzeit rapide weiter. Volkswagen versucht sich zu wandeln, aber auch Tesla geht seine Schwächen an. Im November gab Consumer Reports (CR), das amerikanische Pendant zur Stiftung Warentest, den Tesla-Modellen 3 und S jene Empfehlung zurück, die sie ein Jahr zuvor wegen zahlreicher Qualitätsprobleme wie klemmender Türschlösser oder Kofferraumdeckel verloren hatten.

„Das Tesla Model 3 litt vergangenes Jahr unter häufigen Designänderungen und der Ausweitung der Produktion, um die gestiegene Nachfrage zu bedienen“, schreibt Jake Fisher, Direktor für Autotests bei CR. „Jetzt, da sich die Produktion stabilisiert hat, sehen wir eine höhere Verlässlichkeit.“

Mit anderen Worten: Tesla hat seine Produktionsprobleme mittlerweile in den Griff gekriegt. Nun muss VW das Gleiche mit seiner Software gelingen. Ein hochrangiger Manager des Konzerns schaut sich regelmäßig die Statusberichte der Software- und IT-Einheiten an. Dort „sieht es nicht gut aus“, wie er sagt – viele rote Kästchen.

Aber: „Wenn wir ein Problem erkannt haben, dann sind wir gut darin, es rasch zu lösen.“

Mitarbeit: Silke Kersting, Moritz Koch, Martin Buchenau, Frank Specht

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