Elektro-Trucks dürften ab 2030 rentabler sein als Verbrenner. Verbände fordern daher strengere Flottengrenzwerte. Logistiker fürchten Defizite bei der Lade-Infrastruktur.
Lastwagen auf einem Autobahn-Parkplatz bei Köln
Die Speditionen fürchten, dass der Ausbau der Elektro-Infrastruktur nicht mit den Emissionszielen der Politik Schritt hält.
Bild: imago/Future Image
Berlin, Wien Im Autogeschäft ist der Dieselmotor ein Auslaufmodell, die Marktanteile schrumpfen seit Jahren. Bei tonnenschweren Lastwagen ist der Selbstzünder dagegen weiterhin omnipräsent. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts wurden seit Jahresbeginn hierzulande gerade einmal zehn vollelektrische Sattelzugmaschinen neu zugelassen, von mehr als 22.000 schweren Lkw insgesamt.
Geht das so weiter, wird Deutschland seine Klimaziele im Verkehrssektor deutlich verfehlen, mahnen Umweltschützer. Doch im Nutzfahrzeuggeschäft zählt vor allem der Preis. Und hier sind Diesel-Lkw bis dato klar im Vorteil. Ab 2030 dürfte sich dies jedoch grundlegend ändern. Laut einer Studie der niederländischen Forschungsorganisation TNO, die das Handelsblatt vorab einsehen konnte, sollen batterieelektrische Trucks ab 2030 günstiger sein als vergleichbare Verbrenner.
In 99,6 Prozent aller Anwendungsfälle, vom Supermarktlaster bis zum 40 Tonnen schweren Sattelschlepper für lange Distanzen, würden Elektrotrucks dann geringere Gesamtbetriebskosten ausweisen, bilanzieren die Autoren. In Auftrag gegeben wurde das Gutachten von der europäischen Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E) sowie dem deutschen Thinktank Agora Verkehrswende, der unter anderem von der Mercator-Stiftung finanziert wird.
Anlass für das neue Lobbymaterial ist, dass die EU-Kommission bis Jahresende im Rahmen ihres „Green Deal“ evaluieren möchte, ob die bestehenden Flottenverbrauchsvorgaben bei Lastwagen ausreichen. Über alle Branchen hinweg wollen die EU-Mitgliedstaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren. Damit dies gelingt, soll der Schwerlastverkehr in acht Jahren gut ein Drittel weniger Kohlendioxid ausstoßen als 2019 und 2020.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Dies reiche jedoch nicht aus, meint Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. „Im Verkehrssektor geht es auf dem Weg zur Klimaneutralität an vielen Stellen nicht so schnell voran, wie es nötig wäre.“ Auf Basis der TNO-Studie könne die Politik nun guten Gewissens das Tempo bei emissionsarmen Antrieben forcieren.
Zimmer fordert doppelt so strenge Vorgaben zum Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid wie bisher vorgesehen. Konkret plädiert sie dafür, dass Lastwagenhersteller und Logistiker ihre CO2-Flottengrenzwerte bis 2030 um 65 statt 30 Prozent reduzieren müssen. Das 30-Prozent-Ziel soll auf das Jahr 2027 vorgezogen werden. Ab 2035 sollen dann überhaupt nur noch Batterie-Trucks oder Lastwagen mit wasserstoffbasierten Brennstoffzellen neu zugelassen werden.
Um den Hochlauf von Elektrotrucks zu unterstützen, regen die Verbände Kaufprämien sowie eine Lkw-Maut an, die Stromlaster begünstigt und jene mit Diesel- oder Gasantrieb benachteiligt.
Stärkere finanzielle Anreize für elektrische Nutzfahrzeuge, die in der Anschaffung meist doppelt so teuer sind wie Verbrenner, begrüßt die Industrie zwar. Alle weiteren Forderungen stoßen dagegen auf Ablehnung. „Einfach die Flottengrenzwerte zu verschärfen hilft niemandem“, erklärt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV).
Grundsätzlich würden seine Mitgliedsunternehmen gern in der „zeitlichen Dimension arbeiten“, wie es die Studienautoren empfehlen. Doch gibt es ein zentrales Problem: „Der Flaschenhals ist die Ladeinfrastruktur“, erklärt der Verbandschef. Das gelte vor Ort und europaweit. So würden in den kommenden Jahren allenfalls die großen Autobahnachsen elektrifiziert. Und auch auf den Betriebshöfen der Unternehmen gehe wenig voran. „Es ist enorm schwer, Leitungen zu bekommen“, sagt Huster.
>> Lesen Sie auch: Warum so wenige Dienstwagen von Mercedes, BMW und Audi elektrisch fahren
Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) übt Kritik an der fehlenden Infrastruktur. Vorstandssprecher Dirk Engelhardt, der im Gegensatz zum DSLV vornehmlich kleine Unternehmen mit wenigen Fahrzeugen vertritt, rechnet bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen mit einem Markthochlauf nicht vor 2026 oder 2027.
„Der komplette Flottenaustausch wird dann aber noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen“, sagt er. „Batteriebetriebene Fernverkehrs-Lkw dürften etwas früher auf dem Markt sein, aber auch hier wird der Flottenaustausch einige Zeit dauern.“ Derzeit liege der Anteil der rein batteriebetriebenen Fahrzeuge bezogen auf die in Deutschland zugelassenen Fernverkehrs-Lkw „bei circa 0,011 Prozent, was die enormen Herausforderungen für die Zukunft verdeutlicht“.
Für BGL-Chef Engelhardt steht fest: „Bis auf Weiteres ist eine staatliche Förderung aufgrund der exorbitanten Mehrkosten unerlässlich.“ So lange würde die Branche bei den klassischen Antrieben bleiben. „Wir werden so lange Diesel fahren müssen, wie dies möglich ist“, erklärt er.
Unterdessen versuchen die Fahrzeughersteller, ihr Angebot an Stromern auszuweiten. Bis 2024 sollen Dutzende Elektrolaster auf den Markt kommen. Gerade im Fernverkehr sind batterieelektrische Trucks aber aus Sicht der meisten Manager nur dann sinnvoll, wenn man die Akkus während der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen von 45 Minuten nach viereinhalb Stunden Fahrtzeit wieder annähernd vollladen kann.
Dafür bräuchte es Schnellladestationen mit mindestens 700 Kilowatt Leistung. In dieser Größenordnung gebe es jedoch nichts auf dem Markt, moniert Martin Daum, Chef des weltgrößten Nutzfahrzeugkonzerns Daimler Truck. „Ganz zu schweigen davon, wie 20 Megawatt an einen Rasthof gelangen sollen. Darauf gibt es eigentlich keine Antwort.“
Elektro-Lkw von Daimler Truck
Bis 2024 sollen Dutzende Elektrolaster auf den Markt kommen.
Bild: Reuters
Auch die Autoren der TNO-Studie räumen ein, dass das Stromnetz erst noch für Zehntausende neue Elektro-Laster ertüchtigt werden muss. Bleiben die benötigten Investitionen aus, könnte dies den Hochlauf von Elektrotrucks „verzögern“. Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt, dass in Europa, den USA und China gut 450 Milliarden Dollar in die Infrastruktur investiert werden müssen. Die Umsetzung ist dabei Sache der einzelnen Nationalstaaten.
Immerhin: Hierzulande geht am Mittwoch der Masterplan Ladeinfrastruktur nach monatelangem Streit zwischen dem Wirtschafts- und dem Verkehrsministerium ins Bundeskabinett. Ziel ist unter anderem die Ausschreibung eines „initialen Ladenetzes“, damit Elektro-Lkw künftig „eine zentrale Rolle“ spielen können.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (1)