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24.04.2022

18:25

Elektromobilität

Ein „Second Life“ für Lastwagen: Wie gebrauchte Diesel-Lkw zu Elektrofahrzeugen umgerüstet werden

Von: Axel Höpner

Das Start-up Pepper Motion will Zehntausende Busse und Lkw aus dem Bestand umrüsten. Die Würth-Gruppe ist als strategischer Investor eingestiegen.

LKW Pepper Motion

Umgerüstete Nutzfahrzeuge

Pepper Motion baut gebrauchte Diesel-Lkw und -Busse zu Elektrofahrzeugen um.

München Die hohen Spritpreise könnten die Umstellung von Lastwagen und Bussen auf Elektroantriebe weiter beschleunigen. Doch sind Elektrotrucks derzeit kaum zu bekommen und in der Erstanschaffung teuer.

Eine Lösung könnte Retrofitting sein: Die Firma Pepper Motion elektrifiziert gebrauchte Diesel-Nutzfahrzeuge. „Wir wollen in den nächsten Jahren Zehntausende Lastwagen und Busse umrüsten“, sagte Geschäftsführer Andreas Hager dem Handelsblatt.

Um die Klimaziele zu erreichen, müssten im Jahr 2030 in Europa 2,2 Millionen alternativ angetriebene Nutzfahrzeuge mit mehr als 7,5 Tonnen Gewicht unterwegs sein. Doch die Hersteller könnten bis dahin gerade einmal 200.000 Neufahrzeuge liefern.

„Wenn wir nicht die Bestandsfahrzeuge elektrifizieren, haben wir keine Chance, die Flotten zu drehen“, sagt Hager. Denn ein Bus mit Dieselmotor, der heute neu zugelassen werde, werde auch im Jahr 2050 noch fahren.

Die Bereitschaft umzustellen ist in der Branche durchaus vorhanden. Zum einen rechnet sich der Betrieb bei den hohen Spritpreisen schnell, zudem gibt es massive staatliche Förderung. Laut einer Studie von Bain & Company will die Mehrheit der Flottenmanager in Europa schon in drei Jahren bevorzugt Trucks kaufen, die mit Strom oder Wasserstoff fahren. „Der Diesel wird allmählich zum Auslaufmodell“, sagte Bain-Partner Jörg Gnamm.

Hersteller haben bislang vergleichsweise wenig Elektromodelle im Angebot

Allerdings gibt es noch viele Hindernisse. Zum einen haben die Hersteller noch vergleichsweise wenig Elektromodelle im Angebot. So produzierte beispielsweise MAN bisher keinen einzigen vollelektrischen Sattelschlepper in Großserie. Zudem scheuen viele Flottenverantwortliche noch die Anschaffungskosten.

Beide Probleme will Pepper lösen. „Wir geben dem gebrauchten Nutzfahrzeug ein umweltfreundliches zweites Leben als Elektrofahrzeug“, sagt Hager. Die Elektrifizierungskits seien die „kosteneffizienteste Lösung“.

Das Unternehmen, das aus Intech ausgegründet wurde, konnte nun prominente Investoren von dem Geschäftsmodell überzeugen. Das Hamburger Family-Office Lennertz & Co führt die neueste Finanzierungsrunde an. Beteiligt ist auch die Würth-Gruppe. Mehrheitseigentümer bleibt die Friedrich & Wagner Holding, die seit der Gründung dabei ist.

Mit dem Erlös von knapp 30 Millionen Euro sollen der Serienhochlauf mit strategischen Partnern, die weitere technologische Entwicklung, die Expansion in weitere Auslandsmärkte und der Aufbau eines Ökosystems von Mobilitätsdienstleistungen finanziert werden.

Zu den potenziellen Kunden für die Umrüstung gehören die großen Bestandsflottenhalter wie Verkehrs- und Speditionsbetriebe, für die es schwierig ist, die bis 2030 geforderten Emissionsziele zu erreichen.

Umrüstungslösungen für Mercedes-Modelle Citaro, Actros und Atego

Erste Umrüstlösungen für die Mercedes-Modelle Citaro, Actros und Atego sind aktuell verfügbar. Fahrzeugmodelle von MAN und Iveco sollen ab dem kommenden Jahr in Serie elektrifiziert werden. Pepper nutzt eine Elektroportalachse von ZF. Technologisches Herzstück ist die selbst entwickelte Vehicle Control Unit, die alles steuert.

Erste Pilotkunden hat Pepper bereits gewonnen, in diesem Jahr sollen Dutzende, im nächsten Jahr Hunderte Fahrzeuge mit Elektroantrieb ausgerüstet werden. Insgesamt will Pepper so ab 2024 mehr als 1000 Elektrifizierungskits pro Jahr verkaufen. Bis 2030 sollen es dann bis zu 60.000 um- und ausgerüstete Fahrzeuge sein.

Entsprechend schnell sollen die Umsätze von Pepper Motion wachsen. Laut Branchenschätzungen dürften sie in diesem Jahr bei 14 Millionen Euro liegen, da die Serie gerade erst anläuft. 2026 sollen die Erlöse schon bei mehr als einer Milliarde Euro liegen.

Elektromobilität: Pepper Motion Geschäftsführer Andreas Hager Pepper Motion

Andreas Hager

„Wir geben dem gebrauchten Nutzfahrzeug ein umweltfreundliches zweites Leben als Elektrofahrzeug“, sagt der Geschäftsführer von Pepper Motion.

Einen Stadtbus kann Pepper nach eigenen Angaben in sechs bis acht Wochen umrüsten. Die Busse haben nach der Umrüstung eine Reichweite von etwa 250 Kilometern.

Die Umrüstung ist mit 300.000 Euro allerdings teuer. Bei Pepper ist man allerdings davon überzeugt, dass sich das Ganze schon jetzt für die Flottenbetreiber rechnet. Nach etwa zehn Jahren stehe die Entscheidung an, ob ein altes Fahrzeug ersetzt werde.

Ein neuer Dieselbus koste über zehn Jahr inklusive Anschaffung und Betriebskosten 814.000 Euro, argumentieren sie bei Pepper. Dabei sind noch die niedrigeren Dieselpreise vor dem Ukrainekrieg angesetzt.

Die Umrüstung bringe trotz des vermeintlich hohen Anschaffungspreises in zehn Jahren Betrieb eine Ersparnis von 144.000 Euro, inklusive Förderung könnten es sogar mehr als 400.000 Euro sein. Auch ein neuer Elektrobus komme wegen der höheren Anschaffungspreise teurer.

Zuschuss von der Bundesregierung

Die Bundesregierung bezuschusst auf vielfältige Weise den Umstieg auf Elektroantriebe. So gibt es zum Beispiel Sonderabschreibungen für E-Nutzfahrzeuge und ein Förderprogramm für die Anschaffung von Elektrobussen im öffentlichen Nahverkehr.

Werden bestimmte Kriterien erfüllt, ist die Umrüstung dem Neukauf inzwischen gleichgestellt. „Die Umrüstung konventionell betriebener Nutzfahrzeuge auf alternative Antriebe kann einen wesentlichen Beitrag zu dem Markthochlauf alternativer Antriebe im Straßengüterverkehr leisten“, hieß es im Bundesverkehrsministerium, das eigens eine Taskforce Umrüstung gründete, um Sicherheits- und Qualitätsstandards zu definieren.

Ob sich das Retrofit-System auf breiter Front durchsetzt, muss sich erst noch erweisen. Die Spediteure haben angesichts der Turbulenzen der vergangenen Jahre nur dünne Kapitaldecken. Daher sind gerade kleinere Unternehmen skeptisch, ob sich die Umrüstung rechnet, zumal niemand die Strompreise in den nächsten Jahren kalkulieren kann.

Auch will Pepper „Pay per Use“ anbieten, also eine Art Mietmodell, bei dem die Kunden einen Kilometerpreis für das Paket aus Fahrzeug inklusive Wartung, Ladeinfrastruktur bis hin zum Flottenmanagement bezahlen.

Pepper sieht aber nicht nur in Deutschland Chancen. Vor wenigen Wochen verkündete das Unternehmen den Markteintritt in Frankreich. Bis 2030 will Pepper in Kooperation mit REV Mobilities rund 5.000 elektrifizierte Busse und Lastwagen größer als 7,5 Tonnen im französischen Markt ausrüsten. Auch in Österreich wurde eine Tochtergesellschaft gegründet. Derzeit arbeitet das Unternehmen auch an der Entwicklung eines serienreifen Antriebssystems mit Brennstoffzelle.

Man sehe „hohes Wachstumspotenzial für Pepper, nicht nur im heimischen und europäischen, sondern auch weltweit in einem Markt, der in kürzester Zeit sprunghaft an Bedeutung gewinnen wird“, sagte der neue Investor Philipp Lennertz von Lennertz & Co.

Als strategischer neuer Gesellschafter ist zudem künftig die Würth-Gruppe dabei. „Unsere Gesellschaft muss klimafreundliche und nachhaltige Lösungsansätze forcieren, wenn wir den Umbruch in eine für die Zukunft tragfähige Mobilität schaffen wollen“, sagte Geschäftsführer Jörg Murawski. Man freue sich bei Würth, „mit einer strategischen Beteiligung dieses spannende Projekt unterstützen zu dürfen“.

Geschäftsführer Hager ist überzeugt, dass die Entwicklung durch die hohen Spritpreise und die geopolitischen Verwerfungen noch einmal beschleunigt wird. „Weg von Öl und Gas“, das sei das Zeichen der Zeit. „Es ist ein neues Zeitalter, das gerade entsteht.“

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