Künftig müssen Ladestationen für Elektroautos eine Kartenzahlung ermöglichen. Ein Münchener Start-up will als erstes die passenden Säulen anbieten.
Wirelane-Ladesäule vor Hotel
Der Bund hat gerade ein 300-Millionen-Euro-Förderprogramm auf den Weg gebracht, von dem insbesondere Wirelanes mittelständische Kunden profitieren – etwa Hotelbetreiber.
München, Düsseldorf Er zählt sich zu den ersten Tesla-Kunden in Europa: Als Constantin Schwaab sein Model S vor gut zehn Jahren erwarb, bekam er es in München von Tesla-CEO Elon Musk höchstpersönlich übergeben. Doch als er nach der ersten Spritztour das Elektroauto bei den Stadtwerken aufladen wollte, sollte er erst einmal ein Fax zur Registrierung schicken.
Zwei Wochen dauerte der Vorgang dann, das Auto stand derweil still. „Da war mir klar, dass da irgendwann eine riesige geschäftliche Chance entstehen wird“, sagt Schwaab. Der Unternehmer, der mit Plain Energy schon Photovoltaikkraftwerke errichtet und sein Start-up Kinoheld an CTS Eventim verkauft hat, gründete ein paar Jahre später Wirelane.
Heute steht der Ladesäulen-Spezialist vor dem großen Sprung. Zum einen hat der Bund gerade ein 300-Millionen-Euro-Förderprogramm „Ladeinfrastruktur vor Ort“ auf den Weg gebracht, von dem insbesondere Wirelanes mittelständische Kunden profitieren – etwa Hotelbetreiber und Unternehmer mit Firmenparkplätzen. Momentan kostet sie eine Ladesäule dank der Förderung nichts.
Vor allem aber müssen die Ladesäulen künftig eine Bezahlmöglichkeit mit der Kreditkarte haben. Und genau hier sieht sich Wirelane in der Pole-Position. „Die neue Ladesäulenverordnung der Bundesregierung ist wie auf uns zugeschnitten“, sagt Schwaab. Wirelane habe schon sehr früh auf Kreditkartenterminals gesetzt und profitiere jetzt davon.
Voraussichtlich werde man das erste Unternehmen sein, das ein eichrechtskonformes Produktportfolio mit den neuen Anforderungen auf dem Markt haben werde. „Wir rechnen damit, dass es schon im ersten Halbjahr 2021 so weit ist.“
Was für Wirelane ein Durchbruch sein könnte, trifft beim Rest der Ladesäulenanbieter nicht gerade auf Begeisterung. Erst kürzlich wurde die Gesetzesänderung beschlossen, ab 2023 soll sie in Kraft treten.
Prompt hagelte es Kritik. „Wir bezweifeln, dass die Einführung einer veralteten, komplizierten und aufwendigen Bezahlmethode ohne Zusatznutzen einen Fortschritt bedeuten kann, von dem Kunden und Kundinnen profitieren“, hieß es bei EnBW.
Der Energiekonzern hat hierzulande das größte Ladenetz. Statt Kreditkartenterminals sieht EnBW im digitalen Bezahlen via App die Zukunft. „Genauso funktioniert Elektromobilität schon heute – der eigentliche Bezahlvorgang wird automatisch abgewickelt und ist Kunden jederzeit transparent“, sagte ein Sprecher dem Handelsblatt.
Branchenverbände befürchten, dass die neue Pflicht den Aufbau der Ladeinfrastruktur hierzulande verlangsamt und die Kosten erhöht. Die geplante Vorgabe schlage mit Kosten von 165 Millionen Euro zu Buche, warnte Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Die noch ausstehende eichrechtliche Zulassung der Geräte wird zudem dauern, so lange stockt der Ladesäulenausbau.“ Dabei gebe es schon längst alternative digitale und mobile Bezahlmethoden. Insgesamt sei der Ansatz „absolut kontraproduktiv“.
Constantin Schwaab
„Ich kann mir gut vorstellen, sehr lange im Bereich der Ladeinfrastruktur aktiv zu bleiben“, sagt der Seriengründer.
Für Wirelane ist es aber die große Chance. Schon vor Jahren hatte das Start-up eine App für VW Financial Services entwickelt, als der E-Golf auf den Markt kam, und übernahm später Teile von Eluminocity, das für BMW unter anderem Ladestationen in Straßenlaternen entwickelt hatte. Derzeit rechnet das Unternehmen an 14.000 Ladepunkten zum Beispiel von den Stadtwerken München ab und hat 3000 eigene Stationen im Einsatz.
Noch kommt das Unternehmen nur auf gerade einmal einstellige Millionenumsätze. „Wir sind noch ein kleines Unternehmen – aber eines mit großen Plänen“, sagt Schwaab. Wirelane wolle die Erlöse in den kommenden Jahren jeweils verdoppeln. In diesem Jahr seien erstmals zweistellige Millionen-Umsätze möglich. Bis 2025 sollen die Erlöse dann auf mehr als 100 Millionen Euro steigen.
Den Umsatzsprung ermöglichen sollen die Gesetzesnovelle und das 300-Millionen-Förderprogramm. „Wir sehen seitdem eine Riesennachfrage bei kleinen und mittelständischen Kunden“, sagt Schwaab. Allein in Deutschland gebe es 22.000 Hotels und Pensionen, von denen immer mehr Kunden mit Elektroauto eine Lademöglichkeit erwarteten.
Wirelane, das für die Abrechnung zehn Prozent der Einnahmen erhält, wolle in der Hotellerie „klarer Marktführer“ werden. Es gehe um einen Milliardenmarkt. Aktuell bereitet Wirelane die zweite Finanzierungsrunde vor, die zwölf Millionen Euro bringen soll. „Früher oder später werden wir an den Kapitalmarkt gehen“, sagt Gründer Schwaab. Das Umfeld sei günstig und viele auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Fonds seien auf der intensiven Suche nach rentablen Anlagemöglichkeiten.
Bei der Ladeinfrastruktur trifft Wirelane aber auf mächtige Konkurrenz. So sind zum Beispiel die Elektrifizierungsspezialisten ABB und Siemens mit eigenen Ladesäulen am Markt. EnBW, Eon und Ionity sind die Platzhirsche unter den Anbietern und auch Software-Spezialisten wie Chargepoint aus den USA haben sich mittlerweile einen Namen in Deutschland gemacht.
Nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie entstehen derzeit bundesweit pro Monat rund 1000 neue öffentlich zugängliche Ladepunkte, während zugleich pro Monat knapp 50.000 neue Elektroautos zugelassen werden. Im April waren davon gut 24.000 Fahrzeuge rein elektrisch, die anderen waren Plug-in-Hybride, hatten also einen Elektro- und einen Verbrennungsmotor.
Die Bundesregierung hatte vor Kurzem ein Schnellladegesetz auf den Weg gebracht. Bis 2023 soll die öffentliche Hand den Bau und Betrieb von rund 1000 Ladeparks in zehn Losen ausschreiben. Zwei Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung.
Doch Schwaab glaubt: „Das langsame Laden wird dominieren, weil die allermeisten Autos die allermeiste Zeit einfach herumstehen – während der Arbeit und in der Nacht.“ Diese Infrastruktur sei unkomplizierter und günstiger. Für längere Strecken zum Beispiel an Autobahnen und Raststätten seien Schnellladeangebote aber unerlässlich.
Schwaab sieht sich künftig nicht mehr als Seriengründer: „Ich kann mir gut vorstellen, sehr lange im Bereich der Ladeinfrastruktur aktiv zu bleiben.“ Er betreibe seit nunmehr 14 Jahren Solarparks in mehreren Ländern. „Die vor uns liegenden Chancen im Bereich Ladeinfrastruktur sind ungleich größer als jene der erneuerbaren Energien in den Nullerjahren.“
Mehr: Hindernis Netzanschluss: „Das läuft einem schnellen Ausbau der Ladesäulen entgegen“
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