In der Elektroindustrie treffen Lieferengpässe auf volle Auftragsbücher. Die direkten Folgen eines Gaslieferstopps hält die Branche für verkraftbar.
Chipproduktion
Fast zwei Drittel der Unternehmen in der Elektroindustrie halten die direkten Folge eines Gaslieferstopps für verkraftbar.
Bild: dpa
Düsseldorf Halbleiter, Kunststoffe, Metallteile – es gibt derzeit kaum ein Material, das angesichts der Nachwirkungen der Coronapandemie und der Verwerfungen auf den globalen Energiemärkten infolge des Ukrainekriegs nicht von Lieferengpässen betroffen wäre.
Das bekommt auch die deutsche Elektroindustrie zu spüren: Laut einer Umfrage des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, rechnen derzeit 61 Prozent der Mitglieder mit einer weiteren Verschärfung der Versorgung bei bestimmten Vorleistungen.
Dabei glaubt die Branche, robust gegenüber einem möglichen Energieboykott gegen Russland zu sein. So halten 62 Prozent der befragten Unternehmen einen möglichen Gaslieferstopp durch Russland für „verkraftbar“. Allerdings rechnen 51 Prozent mit Produktionseinbußen, sollte Deutschland infolge des Kriegs auf russisches Gas verzichten müssen. 22 Prozent erwarten keine gravierenden Auswirkungen. Nur 13 Prozent fürchten Schäden an den Produktionsanlagen.
„Unsere Branche ist zwar nur in wenigen Teilbereichen energieintensiv, etwa bei der Herstellung von Kabeln, Batterien und Halbleitern“, sagte Wolfgang Weber, Geschäftsführer des ZVEI, dem Handelsblatt. Gleichwohl fällt die Sorge vor volkswirtschaftlichen Schäden auf (60 Prozent der Befragten), sollten etwa Lieferanten von Gaslieferungen ausgeschlossen werden.
So fürchten viele, dass ein Energieboykott gegen Russland auch Vorleistungsbranchen beispielsweise aus dem Kunststoff- oder Metallsektor träfe. „Zum jetzigen Zeitpunkt würde ein solcher Boykott die deutsche Wirtschaft insgesamt erheblich zurückwerfen“, so Weber. „Ein solcher Schritt müsste daher äußerst gründlich bedacht und gegen andere wirksamere Möglichkeiten gegen die russische Kriegsmaschinerie etwa auf der Exportseite abgewogen sein.“
Viele Unternehmen aus der Elektro- und Digitalindustrie sehen durchaus noch Spielraum bei den Exportsanktionen, von denen derzeit bloß 47 Prozent der Firmen betroffen sind. 52 Prozent schränken in der Folge ihr Russlandgeschäft stärker ein, als es die Sanktionen erforderlich machen. Das zeige die große Unterstützung der Branche für die Maßnahmen der Bundesregierung, so Weber.
Dabei treffen die jüngsten Handelsbarrieren die meisten Unternehmen der Branche in einer Position der Stärke: Bereits während des Pandemiejahres 2021 war der Auftragseingang in der deutschen Elektroindustrie mit 24 Prozent zweistellig gewachsen. Für 2022 rechnet der ZVEI mit einem Produktionszuwachs von vier Prozent – auch wenn die Prognose wegen des dynamischen Umfelds derzeit mit großen Unsicherheiten behaftet ist.
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Rückenwind erhofft sich die Branche insbesondere von den Bemühungen der europäischen Regierungen, russische Energielieferungen langfristig zurückzufahren. „Mit oder ohne Energieboykott werden wir uns langfristig möglichst schnell von russischer Energie und fossilen Energieimporten insgesamt unabhängig machen“, sagte Weber. Hier komme einer beschleunigten Elektrifizierung und Digitalisierung sowie den erneuerbaren Energien eine besondere Rolle zu.
Von der Bundesregierung erhoffen sich die Unternehmen dafür vor allem finanzielle Unterstützung, etwa in Form von Zuschüssen für Energiekosten (62 Prozent) und steuerlichen Erleichterungen (53 Prozent). Zudem weist Weber auf die Bedeutung von Investitionsförderungen hin: „Was in vielen Fällen fehlt, ist Planungssicherheit wegen der Finanzierung – so stockt etwa der Ausbau der Halbleiterproduktion in Europa im Moment, weil wichtige Förderzusagen der Bundesregierung fehlen.“
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