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17.02.2022

11:52

Flugzeughersteller

Nach Rekordgewinn: Wie sich Airbus neu erfinden will

Von: Jens Koenen

Airbus-Chef Guillaume Faury will den Flugzeugbauer umbauen. Ein Plan mit vielen Herausforderungen. Und derzeit gibt es Probleme mit den Zulieferern.

Der Flugzeughersteller muss seine Produktion hochfahren. Reuters

Neuer Airbus A350-1000

Der Flugzeughersteller muss seine Produktion hochfahren.

Frankfurt Rekordzahlen im zweiten Jahr der Pandemie, ein prall gefülltes Auftragsbuch – Airbus-Chef Guillaume Faury ist zufrieden. „2021 war wirklich bemerkenswert“, sagte der Manager am Donnerstagvormittag bei der Vorstellung der Zahlen des Geschäftsjahres 2021. „Und wir haben eine Menge auf dem Plan für 2022.“

Die Zahlen des vergangenen Jahres 2021 liefern Faury, der in wenigen Tagen 54 Jahre alt wird, Rückenwind für diese Pläne. Der europäische Konzern konnte den höchsten Gewinn der Unternehmensgeschichte erzielen. Er schnellte hoch auf 4,2 Milliarden Euro, nach einem Verlust von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Airbus musste 2019 und 2020 zum einen eine Strafe wegen Korruptionsvorwürfen und zum anderen Kosten für den Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen verkraften.

Vom Rekordgewinn sollen nach zwei Nullrunden auch die Aktionäre profitieren. Das Management schlägt vor, je Aktie 1,50 Euro auszuschütten. Der Umsatz legte von knapp 50 auf 52,1 Milliarden Euro zu. Im laufenden Jahr will der Konzern rund 720 Verkehrsflugzeuge ausliefern – nach 611 im vergangenen Jahr. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten (bereinigtes Ebit) soll 5,5 Milliarden Euro erreichen.

Doch die guten Zahlen konnten in den Augen von Investoren nicht darüber hinwegtäuschen, dass Faury und sein Team noch viele Hürden nehmen müssen. Die seit Kurzem auch im Dax notierten Aktien gaben am Vormittag mit rund 1,5 Prozent etwas stärker nach als der Index insgesamt.

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Da sind zum einen die Produktionsziele für die A320-Familie, den erfolgreichen Kurz- und Mittelstreckenjet. Bis zum Sommer kommenden Jahres soll die Fertigungsrate von 40 auf 65 Flugzeuge pro Monat erhöht werden. Danach könnte dieser Wert weiter auf 70 bis 75 Flugzeuge pro Monat steigen – ein bisher noch nie erreichtes Niveau. „Ich denke, wir werden Mitte des Jahres mehr Details nennen können“, sagte Faury. Die Nachfrage sei stärker, als man es zuvor erwartet hatte.

Engpässe bei Zulieferfirmen drohen

Das Problem sind die Lieferanten: Zwar sehen große Partner wie etwa der Münchener Triebwerksspezialist MTU Aero Engines selbst keine größeren Schwierigkeiten beim geplanten Hochlauf. „Aktuell haben wir keine Verwerfung, aber es gibt immer ein paar kleinere Lieferanten, die hier Probleme haben“, hatte MTU-Chef Reiner Winkler am Mittwoch erklärt.

Domhnal Slattery, Chef der Flugzeug-Leasingfirma Avolon, rechnet deshalb mit Verzögerungen in der Fertigung. Auch wenn die Nachfrage da sei, es gehe um die Fähigkeit, auch wirklich zu liefern, sagte er vor wenigen Tagen auf einer Flugzeugmesse in Singapur.

Faury räumte deshalb mögliche Probleme beim Hochlauf ein. Die Zulieferunternehmen müssten erst die Folgen der schweren Krise bewältigen. Dazu kämen „Herausforderungen“ wegen Engpässen bei Materialen und in der Lieferkette sowie das Thema Inflation.

Gleichzeitig drängt Airbus in das bisher vom Rivalen Boeing dominierte Geschäft mit Großraumfrachtern. Luftfracht boomt, Airbus schickt hier künftig eine Frachterversion des Passagierjets A350 ins Rennen. Am Mittwoch hatte Etihad Airways eine Absichtserklärung für sieben A350F unterzeichnet. Doch auch hier muss nun die Produktion aufgebaut und hochgefahren werden.

Parallel dazu hat das Airbus-Management damit begonnen, seine eigenen Lieferfirmen zu konsolidieren und Komplexität abzubauen. So einigten sich Vertreter des Unternehmens und der Gewerkschaft IG Metall vor Kurzem darauf, in Deutschland zum 1. Juli eine neue Firma zu gründen, in der der bisher verstreute Bau von Komponenten gebündelt wird. Für die Fertigung der vorgelagerten Einzelteile der Zuliefertochter Premium Aerotec mit Standorten in Augsburg, Varel und Rumänien will Airbus gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern ein Übernahmeangebot des deutschen Familienunternehmens Muhr und Bender (Mubea) prüfen.

Dieser Prozess laufe, so Faury: „Das ist wichtig für unser Ziel, nachhaltige Flugzeuge zu liefern.“ Zugleich versprach der Airbus-Chef, schon 2035 ein erstes mit Wasserstoff betriebenes Flugzeug auf den Markt bringen zu wollen. Experten halten diesen Zeitplan allerdings für sehr ehrgeizig.

„Wir haben eine Menge auf dem Plan für 2022.“ Getty Images

Airbus-Chef Guillaume Faury

„Wir haben eine Menge auf dem Plan für 2022.“

Dagegen relativierte Faury Aussagen zu Überlegungen, selbst in den Bau von Flugzeugmotoren einsteigen zu wollen. Das sorgt derzeit für Diskussionen in der Branche. „Ich habe nicht gesagt, dass wir unsere Strategie ändern werden“, sagte Faury. Auch habe er nicht gesagt, Airbus wolle ein Hersteller von Flugzeugmotoren werden. Er sei lediglich gefragt worden, ob das Unternehmen dazu grundsätzlich fähig sei. Das habe er bejaht. „Wir haben genug auf dem Plan, um das wir uns gerade kümmern müssen“, so Faury.

Der Fall zeigt, wie viel Unruhe die Luftfahrtindustrie derzeit plagt. Jeder rede derzeit mit jedem, hatte MTU-Chef Winkler am Mittwoch gesagt. Angesichts dessen versuchte Faury am Donnerstag, zumindest den Spekulationen über eine mögliche Abspaltung der Rüstungssparte ein Ende zu bereiten. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte darüber berichtet – unter Verweis auf die wachsende Zurückhaltung von Investoren, in Rüstungsfirmen zu investieren.

Spekulationen über die Zukunft der Rüstungssparte

„Wir sind davon überzeugt, dass die Verteidigung auf die Stabilität und den Frieden einzahlt und gerade in diesen Tagen wichtiger ist denn je“, sagte Faury. Man stehe derzeit in engem Austausch mit den Stakeholdern und der Politik, um diese davon zu überzeugen, dass Verteidigung positiv gesehen werden müsse. Es gebe da „Bewegung“, sagte Faury.

Eine Trennung vom Rüstungsgeschäft oder auch die Suche nach einem Co-Investor wäre eine gewaltige Herausforderung. 2012 hatte Airbus – der Konzern firmierte damals noch unter dem Namen EADS – versucht, die Sparte mit dem britischen Rüstungsunternehmen BAE Systems zu fusionieren – und war damit bei der Politik gescheitert. Deutschland und Frankreich halten jeweils knapp elf Prozent an dem Konzern, Spanien ist mit gut vier Prozent beteiligt. Ohne Zustimmung dieser Anteilseigner ist ein solch gravierender Schritt unmöglich.

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