Der französische Gasehersteller setzt auf den Hoffnungsträger Wasserstoff. Doch der Weg zu grünem Gas ist komplex, teuer – und sehr stromintensiv.
Air-Liquide-Anlage in der Nähe von Marseille
Bis zur umweltfreundlichen Wasserstoffwirtschaft ist es noch ein weiter Weg.
Bild: Reuters
Paris Air Liquide, der große französische Hersteller von Industriegasen, hat ehrgeizige Pläne: „Bis 2050 werden wir CO2-neutral sein“, sagte CEO Benoît Potier bei einer Pressekonferenz am Dienstag.
Bei diesem Ziel spielt grüner Wasserstoff eine große Rolle. Laut Potier wird 2050 fast ein Fünftel der Nachfrage nach Energie auf Wasserstoff entfallen. Deshalb baut der Linde-Konkurrent mit Siemens große Elektrolyseanlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff und hat sich mit Thyssen-Krupp zusammengeschlossen, um bei der Stahlherstellung die Kokskohle zumindest teilweise durch Wasserstoff zu ersetzen.
Schließlich ist grüner Wasserstoff, der ohne oder nur mit sehr geringer Freisetzung des Klimagifts CO2 gewonnen wird, ein wichtiges Mittel, um Prozesse der Schwerindustrie wie die Stahlerzeugung klimaneutral gestalten zu können.
Gleichzeitig lässt sich mithilfe von Wasserstoff Strom speichern. Da es bei einem wachsenden Anteil von erneuerbaren Energien in der Stromproduktion künftig – etwa an sehr windigen Tagen – häufiger zu einem zeitweisen Überangebot von Strom kommen kann, wächst die Bedeutung von Speichertechnologien. Viele Investoren sehen beim Thema Wasserstoff großes Potenzial. Davon profitiert auch die Air-Liquide Aktie, die innerhalb eines Tages 1,35 Prozent gewonnen hat. Im Laufe eines Jahres ist der Kurs um 33 Prozent gestiegen. Auch andere Unternehmen, die sich mit Wasserstoff befassen, sind sehr hoch bewertet.
Doch bis zur umweltfreundlichen Wasserstoffwirtschaft ist es noch ein weiter Weg. Das machte Potier am Dienstag deutlich. Denn aktuell würden noch 99 Prozent des Wasserstoffs aus Erdgas gewonnen – ein CO2-intensiver Prozess. Bis 2030 will Air Liquide die Hälfte seiner Wasserstoffmengen – derzeit rund 1,2 Millionen Tonnen – ohne oder mit niedrigem CO2-Ausstoß herstellen.
Das ist kompliziert. Denn die Elektrolysekapazitäten zur umweltfreundlichen Wasserstofferzeugung aus Wasser reichen bei Weitem noch nicht aus: Die derzeit größte Elektrolyseanlage von Air Liquide, die in Kanada läuft, hat lediglich eine Leistung von 20 Megawatt (MW).
Mit Siemens errichten die Franzosen nun in der Normandie eine Fabrik, die auf eine Leistung von 200 MW kommt. Auch damit lassen sich allerdings nur 80 Tonnen H2 pro Tag herstellen. Und selbst die 3000 MW Elektrolyseleistung, bei der Air Liquide bis 2030 sein will, genügt für die grünen Ziele des Unternehmens noch nicht.
Potier hofft zwar: „Nach 2030 werden neue, leistungsfähigere Technologien für die Herstellung von grünem Wasserstoff zum Einsatz kommen.“ Dennoch würden 2030 voraussichtlich erst 7,5 Prozent der Gesamterzeugung aus der Elektrolyse stammen. Der restliche Wasserstoff müsse anders produziert werden.
Deshalb setzt Air Liquide noch auf eine weitere Art, CO2-armen Wasserstoff herzustellen. Potier sagte in Bezug auf die anvisierte grüne Wasserstoffproduktion: „Der größere Teil davon wird auf Biomethan entfallen, oder wir werden das anfallende CO2 abscheiden und verkaufen oder speichern.“ Man sei deshalb dabei, Konsortien für die Einlagerung von CO2 zu gründen.
„Wir beherrschen die Technologie für das Abscheiden, die Verflüssigung und den Seetransport von CO2, die Ölkonzerne übernehmen das Einbringen und die sichere Lagerung“, sagte Potier. Vorgesehen seien dafür ehemalige Erdgasfelder. „Die Technologie ist da“, so Potier. „Jetzt sprechen wir mit der EU-Kommission über die Genehmigung für die Konsortien und über mögliche Subventionen.“
Die Einlagerung wird wohl der wichtigste Weg sein, abgeschiedenes CO2 auch unterzubringen. Denn der industrielle Einsatz von CO2 ist noch Zukunftsmusik. „Bislang spielt das nur in der Produktion von kohlensäurehaltigen Getränken eine Rolle, doch da gelangt es beim Verbrauch wieder in die Atmosphäre“, so Potier. Anders sei es beim Einsatz in Gewächshäusern, wo Pflanzen CO2 über die Photosynthese verwerten, doch dort geht es nur um geringe Mengen.
Potier wies indes noch auf eine weitere Hürde bei der Umstellung auf eine grüne Wasserstoffwirtschaft hin: „Der Flaschenhals ist die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen.“ Schon heute stoße Air Liquide dort an eine Grenze. Sehr viel stärker werde sich das bemerkbar machen, wenn weltweit immer mehr große Elektrolyseeinheiten in Betrieb gehen, die sehr viel Strom verbrauchen.
„Die Kapazitäten für Elektrizität aus Wasserkraft, Sonnen- oder Windenergie müssen massiv ausgebaut werden“, fordert der Franzose. Air Liquide spreche darüber mit verschiedenen Regierungen, unter anderem in den Niederlanden, Spanien und den USA. „Wir könnten das in Europa machen, dann müsste es eine Art Arbeitsteilung geben: Wind im Norden, Photovoltaik im Süden.“
Wenn das nicht zustande komme, müsse die Herstellung von grünem Wasserstoff auf andere Kontinente abwandern, „dorthin, wo Strom aus Erneuerbaren verfügbar ist“. Potier bleibt optimistisch: „Es wird uns gelingen, grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen.“
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