Bald schon sollen autonome Fahrzeuge bundesweit in 400 Testgebieten zum Einsatz kommen. Die Autobauer loben das geplante Gesetz zum autonomen Fahren.
Autonom fahrendes Fahrzeug
Das Bundesverkehrsministerium bereitet derzeit einen Gesetzesentwurf zum autonomen Fahren vor.
Bild: dpa
Berlin Beim Autogipfel mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) waren die Bosse der Hersteller und großen Zulieferer voll des Lobes. Der Gesetzentwurf zum Autonomen Fahren, den das Bundesverkehrsministerium derzeit vorbereite, sei der richtige Weg, befanden die Runde.
„Ein guter Vorschlag“, jubelte VW-Chef Herbert Diess am nächsten Morgen und stellte gleich in Aussicht, nicht mehr nur in Amerika eine Testflotte zu unterhalten: „Das werden wir jetzt überdenken, wenn sich die Bedingungen in Deutschland ändern.“
Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) freute sich ob der Zustimmung der Branche. „Genau über diesen Ansatz wollen wir Innovationsstandort Nummer Eins werden“, sagte er dem Handelsblatt. „Unser Gesetzesvorhaben bringt die deutsche Automobilwirtschaft an die Weltspitze des Autonomen Fahrens.“ 2022 sollen die ersten Autos auf den Straßen fahren, beschloss die Runde beim Autogipfel.
Seit einigen Monaten arbeitet das Ministerium – inzwischen auch intensiv in enger Abstimmung mit der Automobilindustrie – an einem Gesetzentwurf, mit dem Autos mit autonomen Fahrfunktionen in Zukunft auf deutschen Straßen unterwegs sein dürfen und in bestimmten Situationen nicht mehr der Fahrer sondern der Computer Entscheidungen trifft.
Das Ziel steht klar formuliert im Gesetzespaket, das dem Handelsblatt vorliegt. „Die Entwicklungsdynamik des automatisierten, autonomen und vernetzten Fahrens ist ungebrochen hoch“, heißt es darin. „Um dessen Potenziale heben zu können und die Teilhabe der Gesellschaft daran zu ermöglichen, bedarf es der Umsetzung weiterer Schritte zur Einführung entsprechender Systeme in den Regelbetrieb.“
Regelbetrieb ist das Stichwort für die Hersteller. Wird das Gesetz Wirklichkeit, dann müssten sie derartige Fahrzeuge nur noch beim Kraftfahrt-Bundesamt die Zulassung beantragen. Vor Ort dann würden Landesbehörden entscheiden, in welchen „festgelegten Betriebsbereichen“ Fahrzeuge sich führerlos bewegen dürfen.
Es geht um den Durchbruch hin zu einer neuen Mobilität. Scheuers Beamte haben abgeschätzt, wie schnell sich der Markt entwickeln wird. Im Gesetzespaket ist von „400 festgelegten Betriebsbereichen über einen Zeitraum von fünf Jahren“ die Rede.
So dürften laut Prognose in jedem Landkreis etwa im Nahverkehr autonome Fahrzeuge zum Einsatz kommen. „Je festgelegtem Betriebsbereich wird von einem Halter ausgegangen, welcher durchschnittlich vier Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion betreibt.“ Dies habe sich aus Gesprächen mit potentiellen Haltern und derzeitigen Testfeldbetreibern ergeben.
So seien mindestens vier Fahrzeuge nötig, um etwa einen Shuttle-Service sinnvoll zu betreiben. Für Nahverkehrsbetriebe würden demnach Kosten von jährlich gut zehn Millionen Euro entstehen. Wie viel eine Zulassung die Hersteller kostet, regelt das Gesetz auch gleich: Sowohl für eine Betriebserlaubnis wie auch für eine „Erprobungsgenehmigung“ wird die Gebühr „mit 81.992,00 Euro angesetzt“, heißt es.
Für die Hersteller ginge mit dem Gesetz ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. So drängt etwa Daimler seit 2017 darauf, dass seine neuesten Fahrzeuge der S-Klasse eigenständig in ein Parkhaus fahren dürfen. Automated valet Parking heißt diese Fähigkeit, entwickelt von Bosch.
Ein Parkhaus wäre ein Betriebsbereich. Allerdings gibt es auch im Verkehrsministerium Bedenken: So pocht die Straßenverkehrsabteilung darauf, dass die autonome Fahrfunktionen deaktiviert werden können. So soll verhindert werden, dass die Funktionen nicht außerhalb der genehmigten Bereiche genutzt werden, womöglich einen tödlichen Unfall verursachen und damit die Technologie diskreditieren. Deshalb auch enthält das Gesetzespaket mehrere Anlagen, in denen Wartungsfragen und vieles mehr geregelt sind.
Herstellern und Zulieferern ist wichtig, dass die Dual Mode-Fahrzeuge überhaupt auf die Straße dürfen. So können sie die Technologien testen oder gar gleich einsetzen, wie etwa im Nahverkehr. Da dazu noch die internationalen Straßenverkehrsregeln fehlen, soll das nationale Gesetz beim Einstieg helfen.
Ende Juni hatte die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) nach jahrelangen Beratungen die technischen Regeln für den internationalen Straßenverkehr zwar überarbeitet, allerdings nur das hochautomatisierte Fahren (Level 3) auf Autobahnen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Stundenkilometern ab dem Jahr 2021 ermöglicht. Die deutschen Autobauer würden lieber schon Autobahnpiloten mit Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h einsetzen. Bis es zu einer neuen Regelung kommt, werden Jahre vergehen.
So lange wollen die Bundesregierung und die Autobauer angesichts der massiven Umbrüche in der Branche nicht warten. Zumal selbst auf europäischer Ebene der Rechtsrahmen für den Einsatz von Fahrzeugen ohne Fahrer im Straßenverkehr fehlt. Offen ist noch, ob die EU-Kommission das Gesetz als rechtskonform freigeben wird.
Wie hoch der Regelungsbedarf für das autonome Fahren ist, zeigt das deutsche Vorhaben: „Neben den technischen Anforderungen sollen auf Grundlage dieses Gesetzes auch Verfahrensregelungen über die Erteilung von Betriebserlaubnissen für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion, über die Genehmigung von festgelegten Betriebsbereichen, die Zulassung zum Straßenverkehr sowie Anforderungen und Sorgfaltsvorschriften für die am Betrieb von Kraftfahrzeugen mit autonomer Fahrfunktion beteiligten Personen durch Verordnung erlassen werden. Ferner wird das spätere Aktivieren verbauter inaktiver Funktionen geregelt“, heißt es in der Verordnung zum Gesetz.
Würde all das nicht geregelt und das Gesetz nicht beschlossen werden, warnen die Beamten im Ministerium, dann „würde eine wesentliche Möglichkeit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, zur Reduzierung der Umweltemissionen als auch zur Stärkung des Innovations- und Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie der sozialen Inklusion nicht genutzt“.
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