PremiumPersonalmangel und steigende Kosten belasten die Dialysetochter Fresenius Medical Care, die ihre Jahresziele zurücknimmt. Das zwingt auch den Mutterkonzern zu Abstrichen bei der Prognose.
Fresenius-Zentrale
Der Gesundheitskonzern und seine Dialysetochter Fresenius Medical Care senken das zweite Jahr in Folge die Jahresziele.
Bild: dpa
Frankfurt Der Dax-Konzern Fresenius Medical Care (FMC) muss wegen fehlenden Personals und steigender Kosten das zweite Jahr in Folge die Unternehmensziele deutlich nach unten korrigieren. Auch Mutterkonzern Fresenius senkt die Jahresprognose und die Mittelfristziele, FMC streicht die Planung für 2025 gleich ganz.
Der Dialysekonzern rechnet für das laufende Jahr nun mit einem Umsatzwachstum am unteren Ende der bisherigen Prognosespanne und einem Rückgang des Konzernergebnisses etwa im hohen Zehner-Prozent-Bereich, wie die Gesellschaft am späten Mittwochabend mitteilte. Bisher hatte FMC geplant, Umsatz und Konzernergebnis währungsbereinigt jeweils im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich zu steigern.
Die FMC-Aktie brach am Donnerstagmorgen um 14,5 Prozent auf 37,37 Euro ein und stabilisierte sich zum Mittag bei etwa 38,50 Euro. Auch die Aktie des Mutterkonzerns Fresenius verlor am Morgen 9,5 Prozent auf 24,65 Euro und lag am Nachmittag knapp oberhalb von 25 Euro.
„Am Ende des ersten Quartals haben wir mit einem länger anhaltenden Arbeitskräftemangel gerechnet. Eine so deutliche und schnelle Verschärfung konnten wir damals aber noch nicht absehen“, sagte Helen Giza, Finanzchefin und stellvertretende Vorstandsvorsitzende von FMC. „Steigende Personalknappheit, höhere Fluktuationsraten und die zunehmende Abhängigkeit von Leiharbeitskräften erhöhen unsere Kostenbasis.“ Zudem habe sich das ohnehin schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld weiter verschlechtert, auch die Lieferketten seien zunehmend beeinträchtigt.
CEO Rice Powell geht nun etwas eher in den Ruhestand. Die neue Vorstandschefin Carla Kriwet, die zuletzt beim Hausgerätehersteller BSH arbeitete, soll schon am 1. Oktober übernehmen und nicht wie ursprünglich geplant erst im Januar. FMC wird zudem das laufende Sparprogramm möglicherweise beschleunigen und ausweiten.
Wie schon im vergangenen Jahr reißt Fresenius Medical Care den Mutterkonzern mit den gesenkten Jahreszielen mit nach unten. Fresenius kontrolliert FMC über die Struktur einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, hält aber lediglich 32 Prozent der Anteile. FMC steuert knapp die Hälfte zu Umsatz und operativem Ergebnis von Fresenius bei. Im vergangenen Jahr nannte FMC vor allem die hohe Sterblichkeit der Dialysepatienten in der Coronapandemie als Grund für den Gewinnrückgang.
Doch nicht nur die Jahresziele muss FMC zum zweiten Mal wieder einkassieren. Der scheidende CEO Rice Powell erreicht auch zum zweiten Mal seine Mittelfristziele nicht. Der 2013 als Vorstandschef angetretene US-Amerikaner wollte den Umsatz ursprünglich bis 2020 auf 24 Milliarden Euro verdoppeln. Tatsächlich waren es dann nur 17,9 Milliarden Euro. Und das lag nicht an der Coronapandemie: Schon vorher hatte sich das mangelnde organische Wachstum abgezeichnet, unter anderem wegen verlorener Ausschreibungen, wechselnder Privatpatienten und eines erst spät erkannten Trends zur Heimdialyse.
Seine neuen, ehrgeizigen Mittelfristziele gab der heute 67-jährige Powell im Oktober 2020 ab – mitten in der zweiten Welle der Coronapandemie und nur etwas mehr als ein Jahr vor dem Auslaufen seines Vertrags. Diese Ziele hat er nun erneut aufgegeben.
Wegen der Lage bei FMC geht Fresenius nun davon aus, dass der Gewinn des Gesamtkonzerns im laufenden Jahr währungsbereinigt im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich sinkt. Der Umsatz soll leicht steigen. Bislang wollte das Unternehmen den Gewinn im niedrigen einstelligen Prozentbereich steigern, den Umsatz im mittleren einstelligen Prozentbereich. Für die Bereiche jenseits von FMC, also die Medikamentensparte Kabi, die Kliniktochter Helios und den Krankenhausdienstleister Vamed, bestätigte der Fresenius-Konzerns den jeweiligen Umsatz- und Ergebnisausblick für das Geschäftsjahr 2022.
In der Prognose sind allerdings verschiedene Sondereffekte wie die Auswirkungen des Ukrainekriegs oder der Coronapandemie nicht enthalten. Auch die in diesem Jahr getätigten Zukäufe wie der des Pharmaunternehmens Mabxience sind noch nicht berücksichtigt. Ebenso nicht die Auswirkungen von erheblichen Unterbrechungen der Gas- oder Stromversorgung in Europa. „Als weltweit tätiger Gesundheitskonzern können auch wir uns den teils massiven Kostensteigerungen, zunehmenden Problemen in den globalen Lieferketten und Personalengpässen nicht entziehen“, erklärte Fresenius-Chef Stephan Sturm. „Im Gegensatz zu anderen Branchen können wir die damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen nicht kurzfristig über Preiserhöhungen weitergeben.“
Der Ukrainekrieg beispielsweise wirkte sich im ersten Halbjahr 2022 mit minus 20 Millionen Euro auf das Konzernergebnis aus und wird als Sondereinfluss behandelt, wie Fresenius mit der Vorlage der vorläufigen Zahlen für das zweite Quartal ebenfalls bekannt gab. Der Konzerngewinn sank von April bis Juni um fünf Prozent auf 450 Millionen Euro, der Umsatz stieg um acht Prozent auf zehn Milliarden Euro.
Fresenius Medical Care konnte den Umsatz im zweiten Quartal um zehn Prozent auf 4,76 Milliarden Euro steigern, währungsbereinigt betrug der Zuwachs aber nur ein Prozent. Der Konzerngewinn brach um ein Drittel auf 147 Millionen Euro ein. Währungsbereinigt und um Sondereffekte bereinigt sank der Gewinn um sieben Prozent auf 225 Millionen Euro.
Fresenius rechnet nicht mehr damit, das mittelfristige Konzernergebnisziel zu erreichen. Ursprünglich wollte der Konzern den Gewinn von 2020 bis 2023 jährlich um fünf bis neun Prozent steigern. Beim Umsatz plant Fresenius in diesem Zeitraum aber noch mit einem Wachstum am unteren Ende der bisher erwarteten Bandbreite von vier bis sieben Prozent jährlich.
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