Bayer soll das US-Recht nutzen, um Glyphosat-Klagen loszuwerden, fordern Investoren. Mit genau dieser Strategie ist ein anderer Konzern jetzt gescheitert.
Glyphosat-Unkrautvernichter von Bayer
In den Schadenersatzprozessen in den USA ist für Bayer weiter keine schnelle Lösung in Sicht.
Bild: Reuters
Düsseldorf Es ist noch immer einer der größten Belastungsfaktoren für die Bayer-Aktie: Der Leverkusener Konzern wird die milliardenschweren Rechtsrisiken wegen des Unkrautvernichters Glyphosat noch immer nicht komplett los. Nun ist auch ein weiterer möglicher Weg zum endgültigen Stopp der Klagen in den USA versperrt.
Es geht um die Nutzung des speziellen „Chapter 11“ nach US-Insolvenzrecht. Bayer selbst hat diese Option nie ins Spiel gebracht. Der Mitte Januar bei Bayer eingestiegene aktivistische Investor Jeffrey Ubben hatte dem Management vorgeschlagen, über dieses rechtliche Schlupfloch endgültig der Klagebedrohung zu entkommen.
Dieser Möglichkeit aber hat ein US-Gericht am Montagabend in einem Verfahren gegen den Pharmakonzern Johnson & Johnson (J&J) einen Riegel vorgeschoben. Es geht um den sogenannten „Texas Two-Step“, einen juristischen Kniff, mit dem US-Konzerne neuerdings versuchen, sich milliardenschweren Schadenersatzforderungen von Klägern zu entziehen.
J&J sieht sich einer Klagewelle von Frauen ausgesetzt, die ein früheres Babypuder des Konzerns verwendet hatten und an Eierstockkrebs erkrankten. Das Unternehmen hat einen Zusammenhang zurückgewiesen, verlor aber mehrere Prozesse in Serie. Spektakulär endete vor Gericht die Klage einer Gruppe von Frauen, der die Jury einen Schadenersatz von zwei Milliarden Dollar zusprach.
Rund 40.000 solcher Klagen liegen gegen J&J vor. Der Pharmakonzern sieht seine Reputation und seine Vermögenswerte in Gefahr. Um sich möglichst schnell dem weiteren Prozessrisiko zu entziehen, wählte J&J den „Texas Two-Step“: Der Konzern gründete ein neues Unternehmen in dem US-Bundesstaat und spaltete es anschließend in zwei Firmen auf.
Auf eine der Firmen wurde die gesamte Rechtslast aus den Babypuder-Verfahren übertragen und diese Gesellschaft anschließend in Insolvenz geschickt. In dem anschließenden „Chapter 11“-Verfahren hätte die Gesellschaft zwar noch Ansprüche von Klägern in Vergleichen beglichen. Vor weiteren Prozessen wäre sie aber geschützt gewesen.
In Texas ist das wegen des dort speziellen Unternehmensrechts grundsätzlich möglich. Doch ein Berufungsgericht in Philadelphia entschied nun, dass J&J dieses Schlupfloch nicht für seine Zwecke nutzen darf. Nun steuert der Konzern auf einen milliardenschweren Vergleich mit den Klägern zu – und wird auch weitere Rechtsrisiken nicht los.
Damit ist klar, dass für Bayer der Insolvenztrick keine Option ist, um sich der Glyphosat-Klagen zu entledigen. Der Konzern ist ohnehin bereits einen Vergleich mit Zahlungen über zehn Milliarden Euro an bestehende Kläger eingegangen. Dies geschieht ohne Schuldeingeständnis, denn Bayer weist den Verdacht auf krebserregende Wirkung von Glyphosat zurück.
Den Umgang mit künftigen Klagen regelt ein weiteres Programm. Bayer setzt dabei auf „Locken und Abschrecken“. Mit anspruchsberechtigten Klägern soll direkt über Vergleichszahlungen verhandelt werden, ohne dass Gerichtsprozesse stattfinden. Zuletzt hat der Konzern mehrere Verfahren in Reihe für sich entschieden und sich damit Vorteile verschafft.
Das Programm soll die finanziellen und aus Bayer-Sicht rufschädigenden Auswirkungen der Glyphosat-Klagen möglichst weit eindämmen. Ein schnelles Ende dieser Rechtslast bringt es nicht.
Erstpublikation: 31.01.2023, 17:54 Uhr
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×