Elektromobilität ist für die Hersteller nur der erste Schritt zur Klimaneutralität. In Zukunft könnten ausrangierte Autos zum wichtigsten Rohstofflieferanten werden.
Batteriemontage bei Skoda in Mlada Boleslav
Um Elektroautos wirklich nachhaltig zu produzieren, suchen Hersteller und Lieferanten besonders intensiv nach neuen Wegen in der Produktion von Batteriezellen.
Bild: obs
Düsseldorf, München Auch wenn überall Chips in der Fahrzeugproduktion fehlen, scheint der Siegeszug der Elektroautos unaufhaltsam. Im Oktober lag ihr Anteil an den Pkw-Neuzulassungen in Deutschland schon bei 17 Prozent. Für das Jahr 2030 kalkuliert Volkswagen mit etwa 80 Prozent. Die Sportwagentochter Porsche will diese Marke dann nicht nur in Deutschland, sondern weltweit erreichen.
Doch der Verkauf vieler neuer Elektroautos bedeutet nicht automatisch, dass die Autoindustrie einen maßgeblichen Anteil zur Klimaneutralität leistet. Mit dem Elektrofahrzeug wird die Luft in den Innenstädten zwar sauberer, aber echte Nachhaltigkeit schließt den gesamten Lebenszyklus eines Autos ein – von der Produktion bis hin zur Verschrottung nach zehn oder 15 Jahren.
Fahrzeughersteller und Zulieferer gleichermaßen arbeiten deshalb an etlichen Stellschrauben, um den gesamten Wertschöpfungsprozess eines Autos klimaneutral und komplett nachhaltig zu gestalten. Wie sich die Branche auf diese neue Form der Nachhaltigkeit umstellt, war am Donnerstag zentrales Thema auf dem Handelsblatt Auto-Gipfel.
Einigkeit herrscht in der Branche, dass auf dem Weg hin zur Klimaneutralität viel mehr geschehen muss. Um Elektroautos wirklich nachhaltig zu produzieren, suchen Hersteller und Lieferanten besonders intensiv nach neuen Wegen in der Produktion von Batteriezellen. Ganz wesentlich wird dafür der Aufbau eines Recyclingsystems sein. Außerdem will die Autoindustrie die Energieversorgung ihrer Fabriken umfassend auf Grünstrom umstellen.
Auch in Expertenkreisen wird die Wiederverwendung der Batteriezellen als wesentlicher Baustein bewertet. „Ein effizientes Recycling kann die internationale Abhängigkeit reduzieren“, beschreibt Sarah Fluchs, Umweltökonomin am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), in einer neuen Studie einen weiteren Vorteil. Bei hohen Rücklauf- und Sammelquoten könnte die Branche im Jahr 2040 beispielsweise bei Kobalt und Nickel schon etwa ein Viertel des Eigenbedarfs über das Recycling decken.
Danach wird der Recycling-Anteil weiter steigen, weil immer mehr Elektroautos auf den Straßen fahren, die irgendwann verschrottet werden. Die Autobranche setzt darauf, dass bei Batterien Recycling-Quoten von 90 Prozent erreicht werden können.
Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) in Duisburg gibt sich optimistisch, dass solch hohe Rücklaufquoten tatsächlich möglich werden. „Das Batterie-Recycling wird ein großes Geschäft. Das ist Gold, was da drinsteckt“, sagte der Autoexperte. Deshalb strengten sich alle Unternehmen an, möglichst in das Geschäft einzusteigen.
Bei den Autoherstellern wird allerdings nicht mehr nur über das Recycling der Batteriezellen nachgedacht, sondern von allen verwendeten Rohstoffen. BMW hat dazu den Bereich „Circular Economy“ geschaffen, an dessen Spitze Irene Feige steht. „Wir wollen den Einsatz von Primär-Ressourcen massiv nach unten bringen“, sagte sie auf dem Auto-Gipfel.
Aktuell werden Fahrzeuge bei BMW im Durchschnitt zu knapp 30 Prozent aus recycelten und wiederverwendeten Materialien gefertigt. Mit dem Ansatz ‚Secondary First‘ soll dieser Wert Schritt für Schritt auf 50 Prozent ausgebaut werden.
Höhere Wiederverwendungsquoten will BMW beispielsweise auch bei Kunststoffen erreichen. „Das ist die komplexeste Art der Wiederverwendung, weil es so viele verschiedene Kunststoffarten gibt“, betonte Feige. Damit eine umfassende Wiederverwendung künftig möglich wird, will BMW keine Verbundwerkstoffe mehr einsetzen. Sie lassen sich am Ende eines Autolebens bei der Verschrottung nur schwer in die einzelnen Bestandteile trennen und sind damit kaum recyclingfähig.
Ein anderes Beispiel ist der Einsatz von Aluminium, dessen Produktion einen hohen Energieeinsatz verlangt. Könnten die Autohersteller komplett auf recyceltes Aluminium zurückgreifen, hätte das sofort positive Auswirkungen auf Umwelt und Klima. BMW-Expertin Feige erwartet, dass die CO2-Emissionen mit Sekundär-Aluminium deutlich gesenkt werden könnten.
Daimler-Chef Ola Källenius
„Es geht nicht nur um CO2. Wir müssen auch Schritt für Schritt den Anteil an Sekundärmaterialien bei unseren Autos erhöhen.“
Bild: Reuters
Auch Daimler-Chef Ola Källenius forciert das Wirtschaften in geschlossenen Kreisläufen. „Es geht nicht nur um CO2. Das ist das dringendste, aber nicht das einzige Thema. Wir müssen auch Schritt für Schritt den Anteil an Sekundärmaterialien bei unseren Autos erhöhen“, erklärte der Chef des Mercedes-Herstellers auf dem Handelsblatt Auto-Gipfel. Heute bestehen die Neuwagen der Marke erst zu 30 Prozent aus recycelten Rohstoffen, theoretisch möglich seien bis zu 90 Prozent.
Das verbleibende Recyclingpotenzial will Källenius nun zügig heben. So sollen etwa alle Batterien von Mercedes-Elektroautos künftig nach ihrer Nutzungszeit entweder als stationäre Speicher weiterverwendet oder so weit wie möglich recycelt werden. Dafür lässt der Manager im badischen Kuppenheim eine eigene Recyclingfabrik errichten. Der Produktionsstart ist für das Jahr 2023 vorgesehen. Daimler wolle diese Technologie „beherrschen“.
Allein Daimler benötigt pro Jahr rund 6,5 Millionen Tonnen an Rohstoffen, um Luxusautos, Vans, Busse und schwere Sattelschlepper herzustellen. Um diesen Ressourcenverbrauch einzudämmen, analysieren die Schwaben alle Bauteile und Werkstoffe in ihren Fahrzeugen und erstellen für jedes Fabrikat ein eigenes Recyclingkonzept.
Letztlich sollen ausrangierte Autos der wichtigste Rohstofflieferant von morgen werden. „Hier bin ich vorsichtig optimistisch, dass diese virtuelle Mine möglicherweise eines Tages die größte Mine sein wird“, erklärte Källenius. Das Schürfen neuer Rohstoffe wie Kobalt, Nickel oder Lithium könnte dann zumindest zu größeren Teilen obsolet werden.
Der Volkswagen-Konzern hat sich stark darauf konzentriert, dass der Strom für die eigenen Fabriken immer öfter aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne oder Wasserkraft kommt. „53 unserer Werke beziehen bereits komplett erneuerbaren Strom“, sagte Oliver Blume, Porsche-Vorstandschef und im VW-Konzernvorstand zugleich verantwortlich für Produktion, beim Auto-Gipfel. Weltweit betreibt Volkswagen rund 120 Fabriken.
„In der EU werden wir den Strombezug unserer Werke bis 2023 auf 100 Prozent erneuerbare Energiequellen umstellen“, ergänzte Blume. Insgesamt habe der VW-Konzern seine Treibhausgasemissionen zwischen 2018 und 2020 durch eine höhere Energieeffizienz und durch die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen um etwa 21 Prozent gesenkt.
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