Auf dem Rhein transportieren Schiffe nur noch wenig Ladung. Chemie- und Industriefirmen wollen auf Bahn- und Lkw-Kapazitäten umstellen, doch die sind knapp.
Düsseldorf Die Hitzewelle hat erste Folgen für die Gütertransporte auf dem Rhein. Dessen Pegelstände sind in den vergangenen Tagen gesunken. In Köln hat der Fluss aktuell nur noch einen Wasserstand von 1,15 Metern. Frachter können derzeit nur noch mit stark reduzierter Ladung fahren.
Der Rhein ist wichtig für den Transport von Rohstoffen und Produkten an die Firmen. Das gilt für die deutsche Chemieindustrie, die am Rhein liegt, per Schiff mit Rohstoffen beliefert wird und eigene Produkte transportiert. Der Rhein ist aber ein ebenso bedeutender Transportweg für Kohle, Benzin und Heizöl für Unternehmen bis hinein ins Ruhrgebiet.
Nach Angaben der Wasserstraßenverwaltung WSV können die Frachter teilweise nur noch die Hälfte der üblichen Ladung tragen. Im Detail hängt das vom Weg ab. Schiffe, die von Koblenz Richtung Norden fahren, sind besonders betroffen. Der Rhein ist in Höhe des Ortes Kaub ohnehin schon niedrig, aktuell liegt der Pegel bei 70 Zentimetern.
Prognosen des WSV zeigen, dass ein weiterer Rückgang durch Regen in Süddeutschland in den kommenden Tagen vorerst gestoppt werden könnte. Doch ein anhaltend trockener Sommer könnte die Lage im August für die Binnenschiffer auf dem Rhein verschärfen – wenn etwa der Pegel bei Köln tagelang unter einen Meter fällt.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI ist bereits alarmiert. Am Mittwoch teilte der Verband mit, es bestehe die Gefahr, dass die niedrigen Pegelstände die Kapazitäten in der bereits hoch ausgelasteten Binnenschifffahrt weiter verknappen. „Die Lage kann sich rasch zuspitzen, auch wenn die Versorgung der Industrie über die Wasserstraßen aktuell noch sichergestellt ist.“
Die Industriefirmen fühlen sich angesichts des Niedrigwassers an 2018 erinnert. Ein heißer Sommer und ein trockener Herbst hatten die Schifffahrt über den Rhein stark eingeschränkt. Firmen konnten den Fluss logistisch teilweise gar nicht nutzen oder mussten auf alternative Transporte ausweichen, deren Preise deutlich stiegen.
Das hatte damals dazu geführt, dass zahlreiche Unternehmen mit heftigen Ergebnisrückgängen zu kämpfen hatten. Der Industriekonzern Thyssen-Krupp, der in Duisburg ein großes Stahlwerk betreibt, vermeldete im Jahr 2018 wegen des Niedrigwassers ein Minus im niedrigen dreistelligen Millionenbereich.
Der Ruhrkonzern ist auf den Transport über den Rhein angewiesen. Die großen Mengen an Eisenerz und Kohle, die für die Stahlproduktion benötigt werden, lassen sich nicht komplett auf Schiene oder Lkw verlagern. Täglich wird der Konzern mit rund 60.000 Tonnen Rohstoffen beliefert. 2018 konnte der Konzern wegen des Mangels 200.000 Tonnen weniger Stahl produzieren als geplant.
Niedrigwasser im Rhein bei Bonn
Für viele Industrieunternehmen ist der Rhein ein wichtiger Transportweg.
Bild: IMAGO/Dominik Bund
Um nicht erneut in diese Situation zu kommen, hat Thyssen-Krupp mittlerweile einen eigenen Arbeitsstab für Niedrigwasserlagen eingerichtet. Der Konzern beobachtet die Lage auf dem Rhein kontinuierlich, erklärte eine Sprecherin: „Im Zuge der aktuellen Niedrigwasserlage haben wir verschiedene Maßnahmen ergriffen.“ Genauer führt der Konzern diese Maßnahmen nicht aus, weist aber darauf hin: „Die Rohstoffbedarfe sind auf dieser Basis derzeit gesichert.“
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Ähnlich äußert sich Konkurrent Arcelor-Mittal, der in Duisburg auch einen Produktionsstandort betreibt. 2018 musste der Konzern ebenfalls seine Produktion drosseln, nachdem es wegen des Niedrigwassers an Vormaterial fehlte. In Duisburg wird der Konzern unter anderem von Thyssen-Krupp mit Roheisen versorgt.
Sowohl Thyssen-Krupp als auch Arcelor-Mittal mussten ihre Kunden mit Verweis auf höhere Gewalt vertrösten. Das Gleiche galt damals für Chemiehersteller wie BASF, die ebenfalls mit starken Gewinnrückgängen zu kämpfen hatten. Die Ludwigshafener meldeten im dritten Quartal einen Gewinneinbruch von 15 Prozent. Dass sich diese Entwicklung wiederholt, ist derzeit noch nicht absehbar.
So hat BASF erst vor wenigen Tagen überraschend starke Zahlen fürs zweite Quartal vorgelegt. Auch der Start ins dritte Quartal verlief für die Chemieindustrie gut, wie in der Branche zu hören ist. Aktuell geht der Chemiekonzern noch nicht von einem beeinträchtigten Geschäft durch das Niedrigwasser im Rhein aus.
Das deckt sich mit den Angaben anderer Chemiefirmen wie Lanxess, Covestro und Evonik. Die ersten Folgen können die Firmen auffangen: Sie mieten mehrere Schiffe an, auf denen die Last verteilt sind, und füllen ihre Lagerbestände in Rohstofftanks auf. BASF hat nach den Erfahrungen von 2018 ein digitales Frühwarnsystem eingerichtet und chartert vermehrt moderne niedrigwassergeeignete Schiffe.
Der Chemiekonzern hat zudem selbst ein Schiff mit hoher Tragfähigkeit bei geringem Tiefgang entwickelt, um in extremen Niedrigwassersituationen lieferfähig bleiben zu können. Dieses Schiff wird nach Angaben des Konzerns derzeit aber noch gebaut.
Wenn es noch enger wird auf dem Rhein, wollen die Industriefirmen die Logistik soweit es geht auf Lkw und Güterbahn umstellen. Doch durch die coronabedingten Lockdowns sind die Logistikketten insgesamt weiter angespannt und die Preise für freie Kapazitäten hoch. Dazu kommen die zahlreichen Baustellen und Probleme bei der Güterbahn.
Evonik schreibt etwa: „Für die Logistikketten am Wirtschafsstandort Deutschland 2022 existieren gleichzeitig mehrere außergewöhnliche Herausforderungen.“ Der Essener Konzern hat bereits weitere Lkw im Einsatz, um die Produktion und Transporte weiterhin ohne Probleme laufen lassen zu können.
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