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02.02.2023

14:14

Holger Klein

Der neue ZF-Chef setzt sein erstes Ausrufezeichen

Von: Martin-W. Buchenau

Die Chipfabrik im Saarland ist für Holger Klein ein früher Erfolg bei der Neuausrichtung des Autozulieferers. Sein diplomatisches Geschick kommt auch beim Kanzler an.

Den ZF-Chef und den Bundeskanzler verbindet ein ähnlicher Führungsstil. ZF

Holger Klein (links) mit Olaf Scholz

Den ZF-Chef und den Bundeskanzler verbindet ein ähnlicher Führungsstil.

Ensdorf Gerade mal einen Monat im Amt hatte der neue ZF-Chef Holger Klein gleich einen denkbar großen Auftritt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam am Mittwoch ins saarländische Ensdorf eingeflogen. Auf dem Gelände eines alten Kraftwerks baut der zweitgrößte deutsche Autozulieferer als Juniorpartner von Wolfspeed die weltweit größte Fabrik für Siliziumkarbid-Chips. Die Stromsparchips gelten als Schlüsseltechnologie für mehr Reichweite und das Schnellladen von Elektroautos.

Die Offenheit des 53-Jährigen – gepaart mit diplomatischem Geschick, wenn es darauf ankommt – hat sich bereits bezahlt gemacht. Nie zuvor dürfte ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin das Gesicht eines ZF-Chefs nach nur kurzer Zeit so gut kennen wie jetzt Olaf Scholz das von Holger Klein.

Bereits am Rande des SPD-Parteitags in Friedrichshafen im vergangenen November machte Scholz eine Stippvisite beim größten industriellen Arbeitgeber am Bodensee. Schon da ging es um finale Abstimmung und politischen Flankenschutz für die Chipfabrik, die auf Fördergelder der EU angewiesen ist. Man kam sich näher, wie das so bei politisch-industriellen Win-win-Situationen der Fall sein kann.

Eine amerikanisch-deutsche Chipfabrik im strukturschwachen SPD-regierten Bundesland kommt dem Bundeskanzler sehr entgegen. „Die industrielle Revolution kehrt ins Saarland zurück“, sagte Scholz.

Holger Klein als einziger Zulieferer-Chef beim Autogipfel

Der Kanzler wollte damit demonstrieren, dass er auch Industriepolitik kann. Zudem ist die Ansiedlung ein Achtungserfolg für die international arg ins Hintertreffen geratene Chipindustrie in Europa. Für das Gelingen des zwischen zweieinhalb und drei Milliarden Euro teuren komplexen Zukunftsprojekts ist der Bundeskanzler nicht nur seiner Parteifreundin und Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger dankbar, sondern eben auch dem ZF-Chef.

Der Autozulieferer ZF ist als Juniorpartner des US-Konzerns Wolfspeed an dem milliardenschweren Chip-Projekt beteiligt. dpa

Holger Klein am Mittwoch in Ensdorf

Der Autozulieferer ZF ist als Juniorpartner des US-Konzerns Wolfspeed an dem milliardenschweren Chip-Projekt beteiligt.

Schaden kann so etwas einem frischgebackenen Konzernchef nicht. Als Scholz vor zwei Wochen die Granden der Branche zum Autogipfel nach Berlin lud, war Klein der einzige Chef aus der Autozulieferindustrie, der geladen war. Früher war automatisch der Branchenprimus Bosch am Zug.

Die Vorbereitungen für die Chipfabrik laufen zwar schon seit gut drei Jahren, lange vor Kleins Zeit als Chef. Doch der strategische Einfluss des ehemaligen McKinsey-Beraters seit seinem Eintritt in den Stiftungskonzern 2014 ist nicht zu unterschätzen. Seitdem stieg das Stiftungsunternehmen zum weltweit drittgrößten Autozulieferer hinter Bosch und Denso auf und kam 2021 auf mehr als 38 Milliarden Euro Umsatz.

Der 53-Jährige verdiente sich seine Meriten für den Chefposten durch seine tragende Rolle bei der Integration von TRW. ZF hatte die US-Firma im Jahr 2015 für eine zweistellige Milliardensumme übernommen. Das Stiftungsunternehmen, das mit Getrieben und Fahrwerken groß geworden ist, konnte damit bei den Zukunftstechnologien wie Elektromobilität und automatisiertem Fahren zu Bosch und Continental aufschließen.

Wolfspeed

Milliarden-Staatshilfen für neue Chipfabrik im Saarland

Wolfspeed: Milliarden-Staatshilfen für neue Chipfabrik im Saarland

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Klein war zudem an der strategischen Neuaufstellung von ZF und dem Ausbau der internationalen Aktivitäten beteiligt. 2017 hatte er die Leitung der Kerndivision Pkw-Fahrwerktechnik übernommen. Seit Oktober 2018 sitzt Klein im Vorstand.

Manager mit Faible für chinesischen Gründergeist

Er war insbesondere für die asiatischen Schlüsselkunden zuständig und leitete seine Bereiche darum von Shanghai aus. Seine Familie lebt noch dort, weil der Sohn gerade sein Abitur an einer internationalen Schule vor Ort macht.

Klein fasziniert der chinesische Gründergeist. „Das ist fast so wie in Deutschland nach dem Krieg. Jeder will irgendwie etwas auf die Beine stellen“, sagte Klein dem Handelsblatt am Rande der Veranstaltung im Saarland. Der wissbegierige Manager hat daher sogar Chinesisch gelernt.

Dass Klein anders führt als sein Vorgänger Wolf-Henning Scheider, zeigt er selbst am Mittwoch: Andere hätten sich in den Vordergrund gedrängt, Klein nicht. Er ließ Antriebschef Stephan von Schuckmann, der als einer seiner Konkurrenten um den Chefposten galt, auf der Bühne den Vortritt. Von Schuckmann hatte seit Jahren über das größte Getriebewerk von ZF in Saarbrücken die Kontakte zur Landesregierung gepflegt. Auch das zahlt sich jetzt aus.

Zugang zur Schlüsseltechnologie für sparsame Elektroautos

Auch dass Wolfspeed-Chef Gregg Lowe als Moderator durch die komplette Veranstaltung führte, focht Klein nicht an. Als er sich hinter der Bühne unbeobachtet fühlte, rief er Lowe freundlich zu: „Gregg du bist ein wirklich guter Entertainer.“

Der Konzern muss sich neu auf Elektromobilität und automatisiertes Fahren ausrichten. dpa

Produktion bei ZF in Friedrichshafen

Der Konzern muss sich neu auf Elektromobilität und automatisiertes Fahren ausrichten.

ZF hat bei dem Chipprojekt nur einen Minderheitsanteil. Aber der Autozulieferer sichert sich durch die Partnerschaft die Belieferung mit den für die Elektromobilität unverzichtbaren Stromsparchips aus Siliziumkarbid und direkten Zugang zur Technologie über das angedockte Forschungs- und Entwicklungszentrum. Allein das zählt für den Strategen Klein.

„Wolfspeed stellt auch das Grundmaterial her, aus dem die Siliziumscheiben geschnitten werden“, sagte Klein. „Die Amerikaner haben jahrelange Erfahrung und schon heute die modernste Fabrik für diesen Chiptyp.“ Damit deutet er auf die strategische Dimension hin: Konkurrent Bosch fertigt zwar Siliziumkarbid-Chips selbst, muss aber das Grundmaterial einkaufen. Und das schon heute heiß begehrte Material könnte in einigen Jahren zum Engpass der gesamten Industrie werden.

Die Freude, bei einer weiteren Schlüsselkomponente für die Elektromobilität künftig Bosch mehr als Paroli bieten zu können, ist Klein an diesem Tag schon anzumerken. Mit Bundeskanzler Scholz verbinden ihn Ähnlichkeiten im Vorgehen: Er ist sehr sachorientiert und lässt sich bei wesentlichen Fragen auch unter Druck nicht in die Karten schauen. Als Kind des Ruhrgebiets – Klein stammt aus Mülheim an der Ruhr – ist er unprätentiös, was die eigene Person angeht.

Mit wem versteht er sich eigentlich nicht? Die saarländische Ministerpräsidentin Rehlinger lobt seine ruhige, sachliche und zielführende Art. Die Arbeitnehmer haben sich bislang auch noch nicht beschwert. Selbst bei harten Entscheidungen bleibe er „wertschätzend und empathisch“, heißt es.

ZF hat hohe Schulden aus Zukäufen

Eine der Herausforderungen des neuen ZF-Chefs sind die hohen Schulden durch die beiden Großakquisitionen TRW und des Bremsenspezialisten Wabco, die sich aktuell immer noch auf zehn Milliarden Euro belaufen. Die Eigenkapitalquote ist mit 19 Prozent weniger als halb so groß wie bei Bosch. Das Geschäft mit passiver Sicherheit wie etwa Airbags mit über drei Milliarden Euro Umsatz und über 30.000 Beschäftigten will er verkaufen, um die Kasse aufzubessern.

„Auch ZF muss sich fokussieren“, sagte Klein. Es dauere aber noch bis zu eineinhalb Jahre, bis der Bereich „passive Sicherheit“ aus dem Konzern gelöst und verkaufsfertig sei. Man darf ja auch mal ein bisschen übertreiben, wenn man sich – frei nach dem Vorbild des Kanzlers – etwas Luft für geheime Verhandlungen verschaffen will.

Darüber hinaus muss ZF die Transformation zur Elektromobilität meistern – und dabei möglichst Massenentlassungen vermeiden. Auch hier ist das Projekt im Saarland ein Teilerfolg: Immerhin sollen künftig einige Hundert ZF-Angestellte aus dem Getriebewerk in der Chipfabrik stehen.

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