Ein verbesserter Ausblick für das Covid-Geschäft gibt Biontech zusätzlichen Rückhalt. Die Onkologie-Pipeline der Mainzer ist inzwischen umfangreicher als die etablierter Pharmakonzerne.
Corona-Impfstoff Biontech
Die Gewinn aus dem Impfstoff-Geschäft dürften 2022 höher ausfallen als erwartet.
Bild: dpa
Frankfurt Das Mainzer Biotechunternehmen Biontech nutzt die Finanzkraft aus dem nach wie vor starken Geschäft mit Covid-Vakzinen zum weiteren Ausbau seiner Krebs- und Impfstoff-Forschung. Das machen die am Montag vorgelegten Quartalszahlen deutlich. Biontech wird danach 2022 zwar einen Umsatz- und Gewinnrückgang verbuchen. Der Gewinn dürfte aber immer noch höher ausfallen als bisher erwartet.
Eine mögliche Zulassung des Vakzins in China könnte den Spielraum beim Ausbau der Forschung noch zusätzlich stärken. Die Hoffnungen erhielten jüngst neue Nahrung, nachdem die Führung in Peking anlässlich des Besuchs von Bundeskanzler Olaf Scholz signalisierte, das Vakzin für ausländische Personen im Land zuzulassen.
Man habe ermutigende Diskussionen geführt, aber für eine Aussage zum Umfang einer möglichen Zulassung in China sei es jedoch noch zu früh, sagte Biontech-Strategiechef Ryan Richardson am Montag im Analysten-Call.
Im Onkologiebereich hat das Unternehmen unterdessen allein in den vergangenen Wochen drei neue Produktkandidaten in klinische Studien gebracht. Dazu gehören zwei neue mRNA-Produkte gegen Lungenkrebs und andere Tumore sowie ein Antikörper, den Biontech in Kooperation mit der dänischen Firma Genmab gegen verschiedene Krebsarten testen will.
Insgesamt umfasst das Krebsforschungsprogramm des Mainzer Biotech-Unternehmens damit inzwischen 19 potenzielle Wirkstoffe, die in 24 klinischen Studien geprüft werden. Die Onkologie-Pipeline von Biontech ist damit inzwischen deutlich umfangreicher als die etablierter Pharmakonzerne wie Bayer, Boehringer und Merck.
Die Erfahrungen bei der schnellen Anpassung des Covid-Impfstoffs werde man bei der Entwicklung von anderen Produktkandidaten und in anderen Krankheitsbereichen nutzen, kündigte Biontech-Chef Ugur Sahin an. Damit rücke das nächste Kapitel in der Entwicklung von Biontech in greifbare Nähe.
„Wir sind weiterhin entschlossen, die Gesundheit von Menschen weltweit zu verbessern, indem wir Immuntherapien entwickeln, die das volle Potenzial des Immunsystems nutzen, um Krebs, Infektionskrankheiten und andere schwere Erkrankungen zu bekämpfen“, sagte Sahin.
Die Onkologie-Projekte von Biontech befinden sich allerdings fast durchweg noch in relativ frühen Testphasen. Sie müssen ihre Wirksamkeit noch in größeren Studien belegen. Für immerhin fünf der Projekte laufen allerdings bereits sogenannte Phase-2-Studien, die in näherer Zukunft eine grundlegende Bestätigung (proof of concept) für die Ansätze bringen könnten.
Viele externen Experten sind dabei nach wie vor skeptisch, ob Krebsimpfstoffe auf Basis von mRNA tatsächlich funktionieren. Sahin bekräftigte demgegenüber seine Zuversicht für das Konzept. „Entscheidend ist letztlich dass die Krebsvakzine so positioniert werden, dass sie ihren Job machen können“, sagte der Biontech-Chef.
Die stärkste Rolle für die Vakzine sieht er dabei als Zusatztherapien, die nach Krebsoperationen verbleibende Tumorzellen eliminieren. Bei vielen Krebsarten, wie etwa Brust-, Darm-, oder Bauchspeicheldrüsenkrebs gebe es in dieser Hinsicht hohen Bedarf.
Im Bereich Infektionskrankheiten hat Biontech jüngst außerhalb der Covid-Aktivitäten eine große Phase-3-Studie mit einem mRNA-basierten Grippeimpfstoff gestartet, den das Unternehmen zusammen mit dem Kooperationspartner Pfizer entwickelt. Zudem wurde eine erste Studie mit einem kombinierten Covid- und Grippeimpfstoff gestartet. Vier weitere Impfstoffkandidaten sollen noch im vierten Quartal oder in den ersten Monaten 2023 in die klinischen Tests gehen. Dazu gehören Vakzine gegen Herpes, Gürtelrose, Tuberkulose und Malaria.
Für seine an Omikron angepassten Impfstoffe präsentierte Biontech kürzlich erste klinische Daten aus einer größeren Studie. Das bivalente Vakzin, das Elemente sowohl des Originalvirus als auch der Omikron-Variante BA.4/5 enthält, erzeugte danach drei- bis vierfach höhere Antikörper-Konzentrationen gegen Omikron als eine Auffrischimpfung mit dem Originalimpfstoff.
Von seinen beiden bivalenten, an Omikron angepassten Impfstoffen hat das Unternehmen bisher rund 300 Millionen Dosen ausgeliefert. Die Impfstoffe wurden bereits im September zugelassen, noch bevor größere klinische Daten vorlagen. Insgesamt geht Biontech davon aus, dass man zusammen mit Pfizer im laufenden Jahr weltweit 2,1 Milliarden Covid-Impfstoffdosen ausliefern kann.
Unterdessen wird das Covid-Geschäft auch im laufenden Jahr noch sehr hohe, wenn auch leicht rückläufige Erträge liefern, wie die Zahlen für das dritte Quartal bestätigen. Der Umsatz von Biontech ging in diesem Zeitraum zwar deutlich von 6,1 Milliarden im Vorjahr auf 3,5 Milliarden Euro zurück. Gleichzeitig hat das Mainzer Unternehmen seine Prognose für 2022 tendenziell angehoben, ähnlich wie zuvor bereits US-Partner Pfizer.
Aus dem Covid-Geschäft werden nunmehr Erlöse von 16 bis 17 Milliarden Euro erwartet, während Biontech bisher eine Spanne von 13 bis 17 Milliarden Euro für 2022 genannt hatte. Das Unternehmen profitiert dabei von höheren Auslieferungen, höheren Preisen und einem positiven Währungseffekt.
Biontech-Chef Ugur Sahin
„Wir sind weiterhin entschlossen, die Gesundheit von Menschen weltweit zu verbessern.“
Bild: imago images/photothek
Alles in allem dürfte der Biotech-Aufsteiger im Gesamtjahr damit auf einen Nettogewinn von um die neun Milliarden Euro zusteuern, nach 10,3 Milliarden im Vorjahr. Analysten unterstellen laut Bloomberg bisher im Schnitt einen Umsatz von rund 16 Milliarden Euro und einen Reingewinn von etwa 8,4 Milliarden Euro. Die Biontech-Aktie lag am Montag im US-Handel gut zwei Prozent im Plus.
Ein großer Teil der Biontech-Umsätze resultiert aus Ertragsanteilen, die das Mainzer Unternehmen aus der Partnerschaft mit Pfizer erhält. Während der US-Konzern den Löwenanteil der Umsätze mit dem Covid-Impfstoff Comirnaty erhält, teilen sich die beiden Unternehmen den Bruttogewinn.
In den ersten neun Monaten 2022 stammten daher nur 2,3 Milliarden Euro Umsatz aus direkten Impfstoffverkäufen von Biontech in den eigenen Vertriebsgebieten Deutschland und der Türkei. Der Rest entfiel auf Ertragsanteile und Vorproduktlieferungen an Pfizer.
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