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24.06.2021

18:02

Industriekonzern

Generationswechsel bei Bosch: Stefan Hartung löst Volkmar Denner an der Spitze ab

Von: Martin-W. Buchenau

PremiumZum Jahresende übernimmt der Leiter der Mobilitätssparte die Führung bei Bosch. Der Wechsel wurde im verschwiegenen Stiftungskonzern seit längerem vorbereitet.

Der Führungswechsel an der Bosch-Spitze wurde langfristig vorbereitet. Wolfram Scheible, AFP/Getty Images, Bosch [Montage]

Volkmar Denner (l.) und Stefan Hartung

Der Führungswechsel an der Bosch-Spitze wurde langfristig vorbereitet.

Stuttgart Stühlerücken an der Bosch-Spitze: Stefan Hartung wird Nachfolger von Volkmar Denner als Chef des Technologiekonzerns. Der 55-jährige Leiter der Mobilitätssparte werde das Amt zum Jahresende übernehmen, teilte Bosch am Donnerstagabend nach einer Aufsichtsratssitzung mit.

Der Ex-McKinsey-Berater Hartung, der in 17 Jahren alle wichtigen Konzernbereiche bei Bosch durchlaufen hat, galt als Favorit für die Nachfolge des 64-jährigen Konzernchefs.

Der Wechsel wurde in dem verschwiegenen Stiftungskonzern seit längerem vorbereitet. Bosch sei für die Zukunft gut aufgestellt und sei „auf einem verlässlichen Weg zurück zur Zielrendite“, sagt der scheidende Chef Denner im Interview mit dem Handelsblatt. Deshalb sei der Wechsel zum Ende des Jahres der richtige Zeitpunkt.

Seit Hartung vor drei Jahren den Geschäftsbereich Automobilzulieferung und damit die wichtigste Konzernsparte Mobility übernahm, galt er als aussichtsreichster Kandidat für die Denner-Nachfolge. Hartung managt den Übergang von der Dieseltechnik zur Elektromobilität, er gilt als zupackend und kommunikativ.

Denner war 36 Jahre bei Bosch und stand mehr als zehn Jahre an der Konzernspitze. Er wechselt aber nicht – wie im Hause Bosch eigentlich üblich – auf den Posten von Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach. Diese Aufgabe übernimmt der bisherige Finanzchef Stefan Asenkerschbaumer.

Unter der Führung von Volkmar Denner investierte der Konzern vor allem in Zukunftsprojekte. dpa

Bosch-Halbleiterfabrik in Dresden

Unter der Führung von Volkmar Denner investierte der Konzern vor allem in Zukunftsprojekte.

Ganz verschwinden wird CEO Volkmar Denner aus dem Unternehmen nicht. Der promovierte Physiker wird seinen Nachfolger Stefan Hartung künftig als Scientific Advisor beim Zukunftsfeld Quantentechnologie weiter beraten und auch in der Gesellschafterrunde der Industrietreuhand wird sein Rat weiter gefragt sein – allerdings nur als Gast.

Denner baute Bosch technologisch und kulturell um

Als Vertreter der Familie Bosch sagte Christof Bosch zu der Chefpersonalie: „Die Eigentümerfamilie dankt Volkmar Denner ausdrücklich für die ganz den Werten des Gründers verpflichtete Führung des Unternehmens.“

Dabei blies dem gebürtigen Reutlinger bei dem technologischen und kulturellen Konzernumbau von Anfang an viel Gegenwind ins Gesicht. Zuerst musste er das milliardenschwere Solarzellen-Abenteuer beenden. Dann kam 2015 der Dieselskandal. Bosch als Lieferant der VW-Software kam mit vergleichsweise glimpflichen Zahlungen davon.

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Durch die enge Kooperation mit der Staatsanwaltschaft blieben die Schwaben als einziger beteiligter Konzern von Durchsuchungen verschont. Aber Denner war zum Schweigen gezwungen und geriet in der Öffentlichkeit in die Defensive.

Die Komplettübernahmen der ZF-Bosch-Lenksysteme und der Bosch-Siemens-Hausgeräte durch Bosch waren zudem eher alten Verpflichtungen geschuldet als den Prioritäten des CEO. Denner gab viel lieber Geld für Zukunftsprojekte wie dem Forschungs-Campus in Renningen, dem KI-Zentrum in Tübingen oder der neuen Chipfabrik in Dresden aus.

Industriehand als Machtzentrale bei Bosch

Denner bricht mit seinem Schritt in Richtung Wissenschaft mit der Bosch-Tradition, dass der scheidende CEO direkt zum Chefkontrolleur wird. Diesbezüglich ist Bosch ein sehr spezielles Unternehmen, bei dem Kontinuität mehr zählt als Corporate-Governance-Regeln. Eine derartige Eigentümerstruktur und Organisationsform gibt es bei einem Unternehmen der Größe Boschs mit über 70 Milliarden Euro Umsatz und 400.000 Beschäftigten weltweit kein zweites Mal.

Alle Macht geht von der sogenannten Industrietreuhand aus, die zwar nur 0,01 Prozent der Bosch-Anteile besitzt, aber 93,17 Prozent der Stimmrechte, die von der Robert Bosch Stiftung übertragen wurden. Sinn und Zweck ist die Trennung der gemeinnützig agierenden Stiftung von der Führung des Konzerns.

Der Treuhand gehören zehn Personen an, darunter bislang Franz Fehrenbach, 71, als persönlich haftender Gesellschafter sowie als Kommanditisten Volkmar Denner und Christof Bosch, dessen Familie 7,36 Prozent der GmbH-Anteile und 6,83 Prozent der Stimmrechte hält. Alle wesentlichen Entscheidungen werden in diesem Gremium vorbereitet und diskutiert, insbesondere ob die Pläne der Geschäftsführung mit dem Wertesystem des Gründers vereinbar sind.

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Fehrenbach geht nach fast 47 Jahren im Unternehmen zum Jahresende in den Ruhestand. Seine beiden Kontrollfunktionen, übernimmt mit Stefan Asenkerschbaumer, 65, nicht nur der Finanzchef, sondern zugleich Denners engster Kollege und Stellvertreter. Asenkerschbaumer ist bereits Mitglied der Industrietreuhand und wird hier persönlich haftender Gesellschafter und damit Eigentümer auf Zeit. Zuletzt trat der künftige starke Mann bei Bosch vor zwei Wochen beim CFO-Kongress des Handelsblatts auf.

Der gebürtige Bayer ist seit 34 Jahren bei Bosch und mehr als ein Zahlenmensch. Er studierte erst Wirtschaftspädagogik und sattelte parallel noch Betriebswirtschaftslehre drauf. Promoviert hat er dann über Innovationsmanagement. Er war Controller, Werksleiter, Arbeitsdirektor und führte den Bereich Starter und Generatoren operativ.

Asenkerschbaumer war an wichtigen Weichenstellungen in der Vergangenheit beteiligt. Es waren vor allem die finanziellen Bedenken des Finanzchefs, wegen denen Bosch 2018 nicht in die Batteriezellforschung einstieg: „Es gibt im Haus Bosch zwei Maximen: Zum einen muss eine neue Technologie langfristig zur Weiterentwicklung und damit zur Zukunft von Bosch beitragen. Zum anderen darf eine Investition unsere finanzielle Unabhängigkeit nicht gefährden. Bei einer Batteriezellfertigung wären die wirtschaftlichen Risiken zu groß gewesen,“ sagte der Finanzchef damals.

Einen Kurswechsel zumindest in dieser bei den Autoherstellern und in der Politik kritisierten Entscheidung wird es nicht geben.

Bosch dreht das Personalkarussell

Die beiden Spitzenpersonalien ziehen weitere wichtige Positionsveränderungen nach sich. Christian Fischer, 53, wird als neuer stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung die neue Nummer zwei im Bosch-Konzern, obwohl er erst seit drei Jahren im Unternehmen ist. Sein direkter Sprung von außen in die Geschäftsführung war damals bereits nicht alltäglich. Normalerweise müssen sich Manager bei Bosch erst jahrelang im Konzern hocharbeiten.

Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler hatte seine Karriere zwar bei Bosch begonnen, führte aber danach die TecDax-Firma Smarttrac, bevor er zur Unternehmensberatung Roland Berger ging. Er gilt als Spezialist für Transformationsprozesse. Fischer führte zwar den Unternehmensbereich Energy und Building Technology, hat seine Meriten für den schnellen Aufstieg aber wohl durch ein von ihm mit Erfolg konzipiertes und umgesetztes konzernweites Kostensenkungsprogramm verdient.

Markus Heyn, 56, dem auch Chancen auf den Chefposten zugeschrieben wurden, übernimmt von Hartung die Führung des wichtigen Bosch-Kerngeschäfts Mobility Solutions. Markus Forschner, 54, wird Asenkerschbaumers Nachfolger als Finanzchef.

CEO Hartung und sein Stellvertreter Fischer ziehen zusätzlich in die Industrietreuhand ein. Neben Fehrenbach scheidet auch der ehemaligen Personalchef Wolfgang Machnow, 71, dort als persönlich haftender Gesellschafter und Mitglied des Aufsichtsrats altersbedingt aus.

Interessant hierbei, dass mit dem ehemaligen Festo-Chef Eberhard Veit, 59, ein Manager ohne Sozialisation im Bosch-Konzern Malchows Position als persönlich haftender Gesellschafter übernimmt. Ebenfalls in den Gesellschafterkreis rückt der ehemalige Zeiss-Chef Michael Kaschke, 64.

Einziger Beigeschmack bei dem großen Revirement ist, dass keine Frau zum Zuge gekommen ist. Die seit Jahresbeginn amtierende Filiz Albrecht, 49, bleibt als Personalchefin allein unter Männern.

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