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23.03.2023

17:33

Industriepolitik

„Buy China“: Wie Peking deutsche Medizintechnikfirmen ausbremst

Von: Bert Fröndhoff

China hat die Hürden für westliche Firmen erhöht, um die eigene Medizintechnik zu stärken. Anbieter wie B. Braun und Drägerwerk wollen aber nicht auf den Markt verzichten.

Die Vorstandsvorsitzende leitet das Familienunternehmen in der sechsten Generation. B. Braun SE

Anna Maria Braun

Die Vorstandsvorsitzende leitet das Familienunternehmen in der sechsten Generation.

Düsseldorf Deutsche Medizintechnikfirmen sehen sich wachsenden Beschränkungen auf dem wichtigen chinesischen Markt ausgesetzt. Nach Drägerwerk aus Lübeck berichtet auch die B.-Braun-Gruppe davon, dass die Geschäfte in dem Land schwieriger werden. Hintergrund ist die „Buy China“-Strategie der Regierung und der örtlichen Behörden.

„China strebt eine größere Unabhängigkeit in der Versorgung mit Medizintechnik an. Der Markt kann für viele Mittelständler nicht mehr im gewohnten Maße bedient werden“, sagte B.-Braun-Chefin Anna Maria Braun am Donnerstag bei der Bilanzvorlage. Das Familienunternehmen wähle gezielt aus, welche Produkte man dort weiter anbiete. „Wir wollen und werden aber nicht auf China verzichten. Dafür ist der Markt zu bedeutsam“, erläuterte die Vorstandschefin.

Das plant auch der Medizintechnikhersteller Drägerwerk nicht. Doch Vorstandschef Stefan Dräger wählt drastischere Worte zur Beschreibung der aktuellen Lage. Es sei absehbar, dass die Freiheiten in China immer weiter eingeschränkt würden. Viele Hürden seien gar nicht offiziell, sondern Folge eines „willkürlichen Gebarens“ der Behörden, sagte Dräger der Nachrichtenagentur Reuters. „Viele Mittelständler sind dabei, sich aus China zurückzuziehen.“

Peking betrachtet Medizintechnik als strategischen Wirtschaftszweig

B. Braun und Drägerwerk haben Produktionsanlagen in China und können so auf dem Markt als lokaler Anbieter auftreten. Das können Anbieter nicht, die von Deutschland aus exportieren. Das trifft auf die meisten Medizintechnikfirmen zu: Die Branche besteht zu 93 Prozent aus kleineren Mittelständlern, die Exportquote liegt bei 66 Prozent.

Für sie ist China als weltweit drittgrößter Medizintechnikmarkt nach den USA und Europa wichtig, denn der Bedarf in dem Land mit seiner stark alternden Bevölkerung ist groß. Doch fühlen sich viele Firmen durch die zunehmende industriepolitische Regulierung ausgebremst.

„Viele Mittelständler sind dabei, sich aus China zurückzuziehen.“ Dräger

Stefan Dräger

„Viele Mittelständler sind dabei, sich aus China zurückzuziehen.“

Peking betrachtet die Medizintechnik als strategischen Wirtschaftszweig, dessen Produkte perspektivisch vollständig aus heimischer Fertigung kommen sollen. Gemäß dem Industriemodernisierungsprogramm „Made in China 2025“ sollen Krankenhäuser auf Kreisebene bereits 2025 mindestens die Hälfte ihrer medizinischen Geräte im höheren Segment von inländischen Herstellern beschaffen, 2030 sogar 95 Prozent, analysiert die Gesellschaft für Außenwirtschaft GTAI.

Viele Provinzregierungen haben konkrete Listen angefertigt, welche Medizintechnikprodukte überhaupt noch aus dem Westen importiert werden dürfen. China wolle mit solchen „Buy China“-Richtlinien die Wertschöpfung und Technologie im eigenen Land auf ein höheres Level bringen, erläutert das Berliner Beratungsunternehmen Sinolytics. Ziel sei es, dann auch den Weltmarkt bedienen zu können.

Teil dieser „Buy China“-Strategie sind neue Ausschreibungsverfahren, die den deutschen Firmen große Sorgen bereiten, heißt es beim Branchenverband BVMed. Das Gesundheitswesen in China wird überwiegend vom Staat betrieben, der damit enormen Einfluss auf die Beschaffung und die Einkaufspreise hat. Mit der sogenannten volumenbasierten Beschaffung wollen die Behörden nicht nur die Preise drücken, sondern auch heimische Produzenten bevorteilen.

Für B. Braun ist die Präsenz in China unverzichtbar

Die Folge für die westlichen Firmen: Wer es kann, positioniert sich mit lokaler Fertigung und Organisation praktisch als chinesisches Unternehmen. Großanbieter Siemens Healthineers etwa hat sein Asiengeschäft 2022 aufgesplittet und eine eigene Einheit für China geschaffen. Andere ziehen sich komplett oder mit Teilen des Portfolios aus dem Land zurück.

Die Geschäfte des Konzerns zogen 2022 wieder an. B. Braun Melsungen AG

Produktion bei B.Braun in Melsungen

Die Geschäfte des Konzerns zogen 2022 wieder an.

Für B.-Braun-Chefin Anna Maria Braun ist die Präsenz in China trotz aller Restriktionen unverzichtbar – nicht nur wegen der schieren Größe des Marktes. „Es ist wichtig, an der dort schnellen technologischen Entwicklung teilzuhaben, etwa bei Künstlicher Intelligenz“, sagt sie.

Zugleich aber gewinnen andere Standorte in Asien an Attraktivität. B. Braun ist schon länger in Malaysia, Japan und Indien vertreten und baut derzeit eine neue Fabrik für Dialysekonzentrate in Vietnam auf. Drägerwerk wiederum setzt vor allem auf Indien, Indonesien, Vietnam, Japan und Südkorea.

In allen Regionen hat B. Braun im Geschäftsjahr 2022 mehr Umsatz erzielt, der Gesamterlös stieg um 3,4 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro. Nach dem Rückgang in der Coronapandemie gab es weltweit wieder mehr planbare Operationen. Das trieb die Nachfrage nach Knie- und Hüftimplantaten sowie chirurgischen Instrumenten und Nahtmaterial.

Dennoch war 2022 laut Braun ein „schweres Jahr“. Die hohen Kosten für Rohstoffe, Energie und Logistik drückten den Gewinn (Ebitda), der um 9,5 Prozent auf 998 Millionen Euro sank. Hinzu kamen außerplanmäßige Abschreibungen für eingestellte Projekte im Bereich der Produktion und der Entwicklung.

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