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30.09.2018

19:12

Interview mit Guido Kerkhoff

Kerkhoff bleibt Thyssen-Krupp-Chef und verteidigt den geplanten Großumbau

Von: Martin Murphy, Kevin Knitterscheidt

Mit dem radikalen Umbruch will Thyssen-Krupp eine Zerschlagung abwenden. Der CEO spricht über Forderungen der Investoren – und sein Verhältnis zu seinem Vorgänger.

Der neue Vorstandschef erteilt einer Zerschlagung eine klare Absage. Pressefoto Thyssen-Krupp

Guido Kerkhoff

Der neue Vorstandschef erteilt einer Zerschlagung eine klare Absage.

Eine Zerschlagung von Thyssen-Krupp ist nach der nun beschlossenen Zweiteilung der Gesellschaft nicht mehr geplant. „Ein Ausverkauf ist damit vom Tisch und wäre mit mir auch nicht zu machen gewesen“, sagte Konzernchef Guido Kerkhoff dem Handelsblatt nach seiner Berufung zum dauerhaften Vorstandsvorsitzenden.

Neben dieser Personalie beschloss der Aufsichtsrat auf seiner Sitzung am Sonntag auch die Aufspaltung des Ruhrkonzerns in zwei börsennotierte Unternehmen. In der Gesellschaft Thyssen-Krupp Industries werden künftig die Geschäfte Autozulieferer sowie der Bau von Anlagen und Aufzügen gebündelt. Bei Thyssen-Krupp Materials werden der Wertstoffhandel und die Stahlproduktion vereint.

Die neue Strategie wurde von Kerkhoff ausgearbeitet, der nach dem Rücktritt von Heinrich Hiesinger zunächst als Interims-Vorstandschef eingesetzt worden war. Da sich die Großaktionäre Krupp-Stiftung und Cevian nicht auf eine neue Führung und Strategie hatten einigen können, entwickelte Kerkhoff die Pläne für eine Aufspaltung.

Diese seien mit Begeisterung im Aufsichtsrat aufgenommen worden, sagte Kerkhoff. Immer wieder war in den vergangenen Wochen über eine Zerschlagung des Unternehmens spekuliert worden.

Lesen Sie nachfolgend das erste Interview mit Guido Kerkhoff als Thyssen-Krupp-Chef:

Herr Kerkhoff, Thyssen-Krupp steht mit der Aufteilung vor einem radikalen Umbau. Warum erfolgt dieser Schritt jetzt?
Wir haben Thyssen-Krupp in den letzten sieben Jahren wie keinen anderen Dax-Konzern verändert. Nachdem wir das Joint Venture für unser Stahlgeschäft mit Tata Steel beschlossen haben, gehen wir jetzt den nächsten logischen Schritt. Mit der Teilung fokussieren wir uns auf ein Werkstoff- und ein Industriegüterunternehmen. Damit schaffen wir strategische Klarheit. Getrennt können sich beide Thyssen-Krupps auf ihre jeweiligen Märkte und auf ihre Stärken konzentrieren.

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In der Öffentlichkeit kommt das Bild eines heillos zerstrittenen Aufsichtsrats an. Wie hat der reagiert, als Sie Ihren Plan vorgelegt haben?
Alle Seiten haben nach einer Lösung gesucht, und wir als Vorstand haben da Brücken gebaut. Es ist ja unsere Aufgabe, eine Strategie zu entwickeln, der der Aufsichtsrat zustimmen kann. Und für den Plan haben wir eine sehr gute Unterstützung erhalten.

Als Sie nach dem Weggang von Heinrich Hiesinger Interims-Chef geworden waren, hatten Sie betont, dass Sie kein Mandat für eine langfristige Strategie haben. Wie kam es nun zu diesem Sinneswandel?
Die Situation war nicht einfach. Für uns war es wichtig, eine zukunftsfähige Strategie zu entwickeln, die auch unserer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern gerecht wird. Das ist uns gelungen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ursula Gather von der Krupp-Stiftung und Cevian-Partner Jens Tischendorf? Beide sind im Aufsichtsrat und nicht ganz unschuldig an der Führungskrise.
Der Aufsichtsrat hat den Plan einstimmig unterstützt, und darüber freue ich mich sehr.

Bernhard Pellens ist der neue Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp und damit Ihr wichtigster Ansprechpartner in dem Gremium. Eine gute Wahl?
Herrn Pellens kenne ich schon sehr lange. Wir haben sehr gut zusammengearbeitet, und ich freue mich auf die Fortsetzung.

Das eigentliche Dilemma, dass die Eigentümer keine einheitliche Linie haben, existiert trotz der Einstimmigkeit über die Aufspaltung unverändert. Wie sehr erschwert das Ihre Arbeit?
Ich schaue nach vorn. Das einstimmige Votum ist eine Grundlage. Darauf kommt es an, und darauf bauen wir auf.

Neue Führung: Bernhard Pellens wird Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp – Kerkhoff bleibt CEO

Neue Führung

Bernhard Pellens wird Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp – Kerkhoff bleibt CEO

Der neue Chefaufseher von Thyssen-Krupp stammt aus den eigenen Reihen. Die Suche nach einem externen Kandidaten ist gescheitert.

Welchen Anteil haben Sie persönlich daran?
Wir als Vorstand haben alle Beteiligten von unserem Plan überzeugen können. Damit ist er offensichtlich auch für die Krupp-Stiftung und für Cevian eine gute Lösung. Und die Mitarbeiter bekommen nach einer dreimonatigen Phase an Unsicherheit endlich Klarheit. Und mit der Grundlagenvereinbarung, die wir mit der IG Metall geschlossen haben, auch Sicherheit. Denn betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen.

Ist die Euphorie nicht übertrieben? Die Aufspaltung scheint doch eher aus der Not heraus geboren.
Das ist kein Notfallplan. Wir setzen unseren Weg der vergangenen Jahre konsequent fort. Die beiden künftigen Unternehmen werden nicht nur Thyssen-Krupp heißen, sondern auch Werte und Kultur von Thyssen-Krupp leben. Damit können wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern endlich wieder eine klare Orientierung für die Zukunft geben.

Ist damit eine Zerschlagung vom Tisch?
Wir haben einen klaren Auftrag für die Teilung von Thyssen-Krupp in zwei starke Unternehmen, und wir haben klare Renditeziele für die einzelnen Geschäfte. An diesen Zielen halten wir fest. Ein Ausverkauf ist damit vom Tisch und wäre mit mir auch nicht zu machen gewesen.

Was ist die Logik hinter diesem Deal?
Wir haben doch grundsätzlich unterschiedliche Märkte, in denen wir uns bewegen. Dieser Tatsache tragen wir mit der Teilung Rechnung. Beide Bereiche entwickeln sich unterschiedlich und stehen auch vor unterschiedlichen Herausforderungen. Die Industriegütergeschäfte …

… also der Autozuliefererbereich sowie der Bau von Anlagen und Aufzügen …
… wachsen sehr stark und sind global aufgestellt. Da haben wir übrigens gegenüber den Wettbewerbern den größeren Aufholbedarf. Auf der anderen Seite haben wir den Werkstoffkonzern mit Stahl und Handel, der über 200 Jahre gewachsen ist. Hier können wir aus einer Position der Stärke agieren.

Sie sprechen davon, dass sich Materials und Industrials zukünftig besser selbst finanzieren können. Planen Sie Kapitalerhöhungen oder ähnliche Schritte?
Nein. Durch die Aufteilung werden stille Reserven gehoben, insbesondere im Elevator-Bereich. Durch die Teilung werden beide Unternehmen finanziell unabhängig und stabil aufgestellt.

Elevator ist heute mit 15 Milliarden Euro schon mehr wert als der Gesamtkonzern, fließt das mit einer Aufwertung der „stillen Reserven“ in die Bilanz ein?
Das wäre schön. So viel wird es nicht sein. In der Bilanz ist heute ein Buchwert abgebildet, den wir im Zuge der Teilung nach oben anpassen werden. Das verbessert unsere Eigenkapitalquote signifikant.

Die Firmen werden mit der Trennung eine Eigenkapitalquote im zweistelligen Prozentbereich erhalten? Heute liegt die deutlich unter zehn Prozent.
Da könnten Sie recht haben. Auf dieser Basis streben wir ein besseres Rating an. Mit einer besseren Einstufung dürften die Zinsen günstiger werden.

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Wenn sich der Wert mit der Aufspaltung der Thyssen-Krupp AG deutlich steigern lässt, warum haben auch Sie als Finanzvorstand an der Idee des integrierten Gesamtkonzerns so lange festgehalten?
Ohne die von uns umgesetzten Veränderungen der Vergangenheit wäre die Neuaufstellung nicht möglich geworden. Wir haben im Konzern hohe Synergien durch eine bessere Zusammenarbeit der Bereiche gehoben. Einige Synergien werden wir sicher verlieren, aber in Summe bringt die zukünftige Aufstellung mehr und kommt zur richtigen Zeit.

Lagen die Finanzinvestoren mit ihrem Ruf nach einer Verschlankung des Konzerns also doch richtig?
Seitdem ich bei Thyssen-Krupp bin, haben wir unsere Kosten Jahr für Jahr reduziert – in Summe über fünf Milliarden Euro. Dafür brauchte es keine Ratschläge von außen.

Ein Kritikpunkt der Investoren war die Holding, die als zu groß und teuer bezeichnet wurde. Ist sie bald Geschichte?
Auch die Verschlankung der Verwaltung haben wir selbst angestoßen. Wir sind dabei, unsere Zentrale insgesamt zu verkleinern. Und da sind wir weiter als geplant. Im Zuge der Teilung werden wir die Holding auf die beiden Bereiche aufteilen müssen.

Gehen dabei Arbeitsplätze verloren?
Es wird keinen zusätzlichen Stellenabbau geben. Wir haben mit der IG Metall einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart.

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Für die zukünftige Thyssen-Krupp Materials AG behalten Sie sich Konsolidierungsschritte vor. Bedeutet dies, dass Sie einen Partner für den Handelsbereich suchen?
Wir sind da offen. Wir sind stark aufgestellt, der Handel ist die klare Nummer eins in Europa. Im Stahl sind wir die klare Nummer zwei. Auf dieser Basis können wir die einzelnen Geschäfte aus einer Position der Stärke heraus fortentwickeln auch als Konsolidierer, wenn sich da Chancen auftun.

Wird die Aufspaltung Auswirkungen auf die Fusion der Stahlsparte mit Tata Steel Europe haben?
Nein. Wir arbeiten mit Hochdruck an der eigenständigen Aufstellung des Stahlbereichs, um das Joint Venture startklar zu machen.

Sind auch Fusionen oder Zukäufe bei Thyssen-Krupp Industrials beabsichtigt?
Da gibt es sicher Möglichkeiten. Aber lassen Sie uns beide Unternehmen erst einmal schaffen. Dann können wir Schritt für Schritt weitermachen.

Wird der Vorstand wieder auf vier Köpfe aufgestockt?
Perspektivisch werden wir uns zusätzlich einen Finanzvorstand ins Team holen.

Nachdem Sie lange Zeit als Finanzvorstand eher ein Verwalter des Geldes waren, müssen Sie nun als Vorstandsvorsitzender das Geschäft operativ nach vorn bringen. Wie gelingt dieser Rollenwechsel?
Mein Anspruch war es immer zu gestalten. Das haben wir in der Vergangenheit im Team gemacht – und das bleibt unter meiner Führung so. Meine Vorstandskollegen Oliver Burkhard und Donatus Kaufmann haben an der neuen Strategie mitgearbeitet.

Aber die Strategie wurde in den vergangenen Jahren stark von Hiesinger getrieben.
Wir haben das immer gemeinsam im Vorstand erarbeitet, uns allen liegt der Konzern sehr am Herzen.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis heute zu Herrn Hiesinger beschreiben?
Wir haben ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis.

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Sein Rücktritt vor drei Monaten hat Thyssen-Krupp allerdings erst in diese Führungskrise gestürzt.
Hiesinger hat Großartiges für den Konzern geleistet. Wir können gemeinsam stolz auf das zurückliegende Kapitel der Veränderung bei Thyssen-Krupp sein. Aber genauso freue ich mich, ein neues Kapitel aufzuschlagen und unsere Strategie umzusetzen.

Der Name Thyssen-Krupp steht auch mit Kartellen und Bestechungsfällen in Verbindung. Um diese dunkle Zeit zu überwinden, hat Hiesinger einen Kulturwandel eingeleitet. Setzen Sie diesen Kurs unverändert fort?
Dieser Wandel war bitter nötig, und er hat dem Unternehmen sehr gutgetan. Im Team mit meinen Vorstandskollegen werden wir den Kulturwandel nahtlos fortsetzen, damit solche Fälle sich nicht mehr wiederholen. Ich verbinde mit Thyssen-Krupp die Werte Zuverlässigkeit, Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Diese Kultur werden wir in beide Firmen mitnehmen.

Der langjährige Stiftungschef Berthold Beitz hatte Hiesinger das Versprechen abgenommen, Thyssen-Krupp zu erhalten. So steht es in der Satzung der Krupp-Stiftung. Fühlen Sie sich dieser Idee verpflichtet?
Das ist mir zu weit weg. Ich mache meinen Job, weil ich mich den Mitarbeitern und dem Unternehmen verpflichtet fühle. Was mich antreibt, ist, für Thyssen-Krupp eine gute Zukunft zu finden. Nicht mehr und nicht weniger.

Herr Kerkhoff, vielen Dank für das Gespräch.

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