Anders als sein Vorgänger Joe Kaeser verzichtet der neue CEO Roland Busch auf ein radikales Umbauprogramm. Das Softwaregeschäft soll prozentual zweistellig wachsen.
Siemens-Chef Roland Busch
Der CEO verspricht den Investoren auf dem Kapitalmarkttag profitables Wachstum.
Bild: Reuters
München Siemens geht mit höheren Ambitionen in die kurz- und mittelfristige Zukunft. Der Dax-Konzern hat seine Wachstums- und Profitabilitätsziele für die kommenden Jahre angehoben. „Unsere Wachstumsmotoren sind Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit“, sagte der seit Februar amtierende Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag auf einem Kapitalmarkttag.
Den Umsatz will Deutschlands größter Technologiekonzern im Rahmen von Buschs neuer Strategie über die Geschäftszyklen hinweg jährlich um fünf bis sieben Prozent steigern. Bislang hatte das Unternehmen vier bis fünf Prozent versprochen. Das Geschäft mit Software und digitalen Lösungen soll in den nächsten Jahren prozentual zweistellig zulegen.
Auch die Profitabilität will Busch stärker steigern. Er hat die Margenziele für das Geschäft mit der „Intelligenten Infrastruktur“ (Smart Infrastructure) und für die Bahntechnik (Mobility) um jeweils einen Prozentpunkt angehoben.
Die Bahntechnik soll künftig eine operative Umsatzrendite von zehn bis 13 Prozent erzielen, bei der Intelligenten Infrastruktur mit der Gebäudetechnik beträgt das Margenziel nun elf bis 16 Prozent. Die „Digitalen Industrien“ sollen weiterhin auf 17 bis 23 Prozent kommen.
Die Renditevorgabe für die Vorzeigesparte Digitale Industrien bleibt unverändert. Die Geschäftseinheit soll künftig Software verstärkt mit einem Software-as-a-Service-Modell in der Cloud vermieten, statt Lizenzen zu verkaufen. So soll das Geschäft verstetigt und ausgebaut werden.
Der erste Kapitalmarkttag von Busch als CEO war mit Spannung erwartet worden. Vorgänger Joe Kaeser hatte Siemens mit seiner „Vision 2020“ radikal umgebaut: Die Medizintechniktochter Healthineers kam an die Börse, die Energietechnik wurde als Siemens Energy abgespalten.
Über die Pläne, die Wachstums- und Umsatzziele teilweise anzuheben, hatte das Handelsblatt vorab berichtet. Mit diesem Schritt kommt Busch der Forderung von Investoren entgegen.
„Siemens muss noch konsequenter die PS auf die Straße bringen, um bei der operativen Marge und beim Cashflow die Lücke zu den besten Wettbewerbern schließen zu können“, fordert zum Beispiel Vera Diehl, Fondsmanagerin bei Union Investment.
Busch verkündete nun – anders als sein Vorgänger – kein radikales Umbauprogramm. Er war als Technologievorstand und später als Vize an der „Vision 2020“ beteiligt. Nun soll der Konzern in der neuen Struktur verstärkt durch Innovationen wachsen.
Busch müsse zeigen, dass „niemand an Siemens bei den Megatrends Digitalisierung und Lösungen für den Klimawandel vorbeikommt“, forderte Winfried Mathes, Corporate-Governance-Experte bei der Fondsgesellschaft Deka. Der neue Chef müsse „Siemens als Fels in der Welt der Digitalisierung, der Automatisierung und der nachhaltigen Energiesysteme etablieren und somit den Marktwert des Unternehmens weiter heben“.
Bei seinen Wachstumsplänen setzt Busch auch auf die Eroberung angrenzender Geschäftsfelder. Die Kernmärkte von Digital Industries, Smart Infrastructure, Mobility und den Siemens Healthineers hätten ein adressierbares Volumen – also das Marktvolumen, in dem sich Siemens bewegt – von 440 Milliarden Euro, so der Manager. Nun wolle Siemens auch angrenzende Geschäftsfelder mit einem Volumen von 120 Milliarden Euro aus eigener Kraft und mit Zukäufen angehen.
Was er damit meint, zeigte sich zum Beispiel beim jüngsten Zukauf: Vor einigen Wochen kündigte Siemens an, den digitalen Marktplatzspezialisten Supplyframe für 700 Millionen Dollar zu übernehmen.
Supplyframe bringt unter anderem nach Leiterplatten suchende Kunden und entsprechende Anbieter zusammen. Die US-Firma verdient ihr Geld etwa mit Werbung, dem Verkauf der besten Platzierungen bei Suchmaschinenergebnissen und Softwarelösungen. Für Siemens ist dies ein völlig neues Geschäftsmodell nah an den angestammten Aktivitäten, das auf weitere Produkte ausgeweitet werden soll.
Busch profitiert davon, dass die Geschäfte bei Siemens derzeit sehr gut laufen. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020/21, das am 30. September endet, steigerte der Konzern den Umsatz, bereinigt um Währungsveränderungen und Portfolioeffekte, um neun Prozent auf 14,7 Milliarden Euro.
Das angepasste operative Ergebnis der industriellen Geschäfte legte um fast ein Drittel auf 2,1 Milliarden Euro zu. Dies entsprach einer Marge von 15,1 Prozent. Der Gewinn nach Steuern verdreifachte sich auf 2,4 Milliarden Euro.
Angesichts der vollen Kassen verspricht Busch den Investoren eine „progressive Dividendenpolitik“ und ein neues Aktienrückkaufprogramm von bis zu drei Milliarden Euro bis 2026. Im vergangenen Geschäftsjahr hatten die Münchener erstmals seit sieben Jahren die Dividende gesenkt – von 3,90 auf 3,50 Euro. Senkungen soll es in Zukunft, wenn irgendwie möglich, nicht mehr geben.
Kern von Buschs Strategie ist die noch engere Verzahnung von Hardware und Software. So sollen nicht nur Züge verkauft werden, sondern auch digitale Lösungen in der Cloud, zum Beispiel für vorausschauende Wartung. „Unser Kerngeschäft und unser Digitalgeschäft verstärken sich gegenseitig“, sagte der Manager.
Dabei sollen die Softwaregeschäfte überproportional wachsen. Von der Umstellung auf „Software as a Service“ erhofft sich Busch „resilientere und prognostizierbarere Umsätze“ und einen Wachstumsschub.
Vernetzte Siemens-Systeme
Von der Umstellung auf „Software as a Service“ erhofft sich Busch „resilientere und prognostizierbarere Umsätze“.
Bild: Siemens
Das gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit, für das er und seine Führungskollegen das Programm Degree entwickelt haben. Nachhaltigkeitsaspekte sollen künftig bei allen Investmententscheidungen berücksichtigt werden.
In seiner Lieferkette verpflichtet sich Siemens zudem bis 2030 zu einer 20-prozentigen Reduktion der CO2-Emissionen. Bis 2050 soll die gesamte Lieferkette CO2-neutral sein. Dazu hatte sich der Konzern bereits 2015 bekannt. „Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA – sie ist keine Option, sondern ein unternehmerischer Imperativ“, sagte Personalvorständin Judith Wiese am Donnerstag, die auch Chief Sustainability Officer ist.
Wiese gehört zum neuen, verjüngten Vorstandsteam um Busch. Der Wechsel von Kaeser zu seinem Nachfolger war harmonischer verlaufen, als viele auch intern erwartet hatten. „Herr Busch hat in seiner neuen Rolle als CEO einen sehr professionellen und geschäftsorientierten Start hingelegt“, lobt Fondsmanagerin Diehl.
Auch intern gibt es bislang kaum kritische Stimmen. Viele hätten sich wieder nach einem Ingenieur an der Spitze gesehnt, sagte ein Aufsichtsrat dem Handelsblatt. Auch der Führungsstil Buschs – er setzt auf flache Hierarchien und eine gute Fehlerkultur – komme bislang an. Allerdings stünden die echten Bewährungsproben erst noch aus.
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