Die Thyssen-Krupp-Tochter Marine Systems steckt in einer tiefen Krise. Die Sparte sollte eigentlich verkauft werden, nun bedrohen Korruption und Missmanagement sogar den Gesamtkonzern. Das hat personelle Konsequenzen.
Die Werft der Tochter Marine Systems ist bestens ausgelastet – es gibt aber technische und planerische Probleme.
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Bild: Thyssen Krupp
Essen, Kiel Die Schiffbauer auf der Kieler Werft von Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) hätten eigentlich allen Grund, zufrieden zu sein. Die Auftragsbücher sind nach Bestellungen von U-Booten aus Norwegen und Deutschland gefüllt. Inzwischen wissen die Manager der Thyssen-Krupp-Tochter nicht einmal mehr, wo die neuen Wasserfahrzeuge gebaut werden sollen. Jedes Baudock auf dem Werftgelände gegenüber dem Kieler Stadtzentrum ist auf Jahre hinaus belegt.
Tatsächlich haben die Manager um Spartenchef Rolf Wirtz aber jede Menge Ärger. Wenn sie ihre Blicke aus den Büros im schmucklosen Verwaltungssitz auf das Außengelände lenken, breitet sich vor ihnen das größte Problemfeld im Portfolio des Mutterkonzerns Thyssen-Krupp aus. Und das ist wahrlich mit vielen Schwierigkeiten gespickt.
Wenn der Ruhrkonzern an diesem Donnerstag seine Bilanz für das Geschäftsjahr 2016/2017 vorlegt, dann wird zwar die Fusion der Stahlsparte mit Tata Steel Europe im Fokus stehen. Thyssen-Krupp will damit die Abhängigkeit von dem zyklischen Geschäft verkleinern und letztlich die malade Bilanz reparieren.
An dem Zahlenwerk dürfte aber auch die Misere im Schiffbau erkennbar werden. TKMS schreibe inzwischen operativ Verluste, erfuhr das Handelsblatt aus Konzernkreisen. Auf absehbare Zeit dürfte sich daran wenig ändern. Denn die Sparte verliere inzwischen mit fast jedem Bauauftrag Geld.
Die Probleme sind hausgemacht: Wegen technischer und planerischer Mängel gebe es bei den meisten Aufträgen massive Verzögerungen. „Kein U-Boot wird zeitgerecht abgeliefert“, sagt ein Beteiligter. Das hat wiederum viele Ursachen. Zunächst vernachlässigte der Konzernvorstand die Sparte lange Zeit. Bei Investitionen wurde TKMS kurzgehalten, und die Führung in Essen ließ die Probleme schleifen. Dem Vernehmen nach wollte sie TKMS verkaufen. Da wäre es unpassend gewesen, Staub aufzuwirbeln. Der Plan scheiterte aber. „Und jetzt ist die Sparte unverkäuflich“, sagt ein Manager.
Die Folgen der Tatenlosigkeit sind dramatisch: Da die Leitung lange Zeit unverändert blieb, verschlimmerte sich die Lage nur. Erst vor wenigen Monaten wurde Rolf Wirtz auf den Chefposten gehievt. Dabei wird es nicht bleiben: Laut Konzernkreisen muss nun auch Finanzchefin Evelyn Müller zum Jahresende gehen. Ihr soll Sebastian Schulte folgen, der bislang die Finanzen der brasilianischen Tochter beaufsichtigte. Das Unternehmen äußerte sich nicht dazu. Weitere personelle Veränderungen gibt es im mittleren Management.
Das sind aber alles Hauruck-Aktionen, die erst langfristig ihre Wirkung entfalten dürften. Der Umbau wird noch lange dauern. Denn wegen mangelnder Investitionen sind die Anlagen und die Produktionsabläufe veraltet. Der Nachholbedarf ist enorm. „Statt mit Computern werden Baupläne teilweise noch auf Papier erstellt“, berichtet ein Mitarbeiter, der ungenannt bleiben will. Da diese Pläne nicht präzise seien, käme es in der Bauphase häufig zu Pannen.
Die Mängel auf der Werft gehen allerdings über die technische Ebene hinaus. Schon bei der Vertragsanbahnung würde die Vertriebsmannschaft dem Kunden Leistungen versprechen, die nicht oder nur schwer zu erfüllen seien.
„Das ist eines der Hauptprobleme etwa beim Türkei-Auftrag“, sagt ein Manager. Die Regierung in Ankara hatte vor acht Jahren sechs Unterseeboote vom Typ 214 bestellt. Eigentlich sollte im Jahr 2015 das erste Modell geliefert werden – bis heute aber wartet die Marine auf ihre U-Boote. Und sie wird sich noch einige Zeit gedulden müssen. „Der Auftrag hat jeden Kosten- und Zeitrahmen gesprengt.“
Wegen der Verzögerungen muss Thyssen-Krupp eine Vertragsstrafe im niedrigen dreistelligen Millionenbereich akzeptieren – und der Betrag dürfte laut Insidern noch steigen. Zudem würden auch bei Verträgen mit anderen Ländern Strafzahlungen fällig, hieß es im Konzern. Das bei TKMS verbreitete Missmanagement kostet den Konzern womöglich mehr als einige Hundert Millionen Euro. Die Werftensparte birgt aber auch ein erhebliches Compliance-Risiko. Bei etlichen Projekten wie etwa dem Deal mit der Türkei steht der Verdacht im Raum, dass Schmiergelder geflossen sein könnten.
Besonders brisant sind die Geschäfte mit Israel – dem größten Kunden der Kieler Werft. Die Mitarbeiter von TKMS bauen derzeit ein U-Boot und vier Korvetten für die israelische Marine. Drei weitere Unterseeboote will Regierungschef Benjamin Netanjahu bestellen. Bei diesen Geschäften sollen aber nach Erkenntnissen der israelischen Polizei Schmiergelder geflossen sein. Sie stützt ihre Sicht auf umfangreiche Unterlagen und den Vermittler von Thyssen-Krupp. Der ist inzwischen Kronzeuge der Polizei und soll dem Vernehmen nach umfangreich ausgepackt haben.
Bewahrheitet sich der Verdacht, dann kann Israel sämtliche Verträge kündigen, wie informierte Kreise berichten. Das Volumen liegt bei rund drei Milliarden Euro. Das könnte Thyssen-Krupp selbst in Existenznöte bringen.
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