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31.01.2023

08:30

Leoni

Chef Aldo Kamper verlässt den Autozulieferer überraschend

Von: Axel Höpner

Der Vorstandschef verlässt den Autozulieferer in einer heiklen Phase. Der Wechsel zu Osram ist für ihn eine Rückkehr.

Der Niederländer verlässt den Kabelnetzspezialisten mitten in der Restrukturierung. Leoni AG

Leoni-Vorstandschef Aldo Kamper

Der Niederländer verlässt den Kabelnetzspezialisten mitten in der Restrukturierung.

München Mitten in der heiklen Sanierungsphase verlässt Leoni-Chef Aldo Kamper den angeschlagenen Autozulieferer und übernimmt die Führung des Licht- und Sensorikkonzerns AMS-Osram. Das teilten beide Unternehmen am Montagabend mit.

Für Leoni kommt der Abschied des CEO zu einem heiklen Zeitpunkt. Kurz vor Weihnachten war der Verkauf der Leoni-Kabelsparte überraschend geplatzt. Der Deal war eigentlich Teil des mit den Banken vereinbarten Restrukturierungskonzepts für den Bordnetzspezialisten. Die Institute verlängerten vorübergehend die Kreditlinien, derzeit laufen Verhandlungen, wie es weitergeht.

„Ich hätte die Restrukturierung dieses zukunftsträchtigen Unternehmens gern als CEO abgeschlossen“, sagte Kamper. Die sich bietende Herausforderung bei AMS-Osram sei allerdings die „konsequente Fortsetzung“ seiner beruflichen Laufbahn. „Da konnte ich nicht Nein sagen.“ Laut Leoni geht Kamper zum 31. März.

Von Leoni zu Osram: Aldo Kamper wird Nachfolger von Alexander Everke

Kamper arbeitete von 1994 bis 2018 für Osram. Vor seinem Wechsel an die Spitze von Leoni führte er zuletzt die Chipsparte Osram Opto Semiconductors. Vor allem wegen dieser Einheit übernahm der österreichische Sensorikspezialist AMS im Jahr 2020 den deutschen Lichtkonzern Osram. Kamper wird nun als Nachfolger von Alexander Everke die Führung des Unternehmens übernehmen. Der Wechsel soll, so AMS-Osram, „voraussichtlich im Laufe des Frühjahrs“ vollzogen werden.

Everke hatte die Osram-Akquisition gegen viele Widerstände durchgezogen. „Zwei Jahre nach der vollständigen Übernahme von Osram ist die Integration beider Unternehmen in einen gemeinsamen Konzern weit fortgeschritten“, sagte er. AMS-Osram sei ein „hochinnovatives Halbleiterunternehmen mit einem attraktiven Portfolio und exzellenten Marktpositionen“. Für ihn sei es jetzt der richtige Zeitpunkt, nach sieben Jahren an der Spitze die Führung abzugeben.

Die AMS-Osram-Aufsichtsratsvorsitzende Margarete Haase sagte, Kamper werde „die strategische Ausrichtung des Unternehmens fortführen und weiterentwickeln“. Ziel sei es, die „Chancen aus der Kombination von Sensorik und LED-Technologie auszuschöpfen“.

Bei Leoni war Kamper, wie zuvor bei Osram, beliebt. Leoni-Aufsichtsratschef Klaus Rinnerberger sagte: „Ich bedaure sehr, dass Herr Kamper das Unternehmen verlässt.“ Dieser habe das Unternehmen in einer schwierigen Situation übernommen und „durch extrem herausfordernde Zeiten geführt“. Er habe sich als Krisenmanager bewährt. Der Aufsichtsrat nehme unverzüglich Gespräche auf, um die Nachfolge zu regeln.

Laut Unternehmenskreisen kam Kampers Entscheidung für alle überraschend. Das Bedauern im Haus sei echt. Viele hätten angesichts der neuen beruflichen Chance aber Verständnis. Die Verhandlungen mit den Banken soll weiter der Sanierungsexperte Hans-Joachim Ziems führen, der kürzlich in den Vorstand von Leoni zurückgekehrt war.

Nach Informationen des Handelsblatts aus Finanzkreisen sind die Kredite erst einmal für etwa ein halbes Jahr verlängert worden. In dieser Zeit muss eine tragfähige Lösung gefunden werden.

Leoni musste früh Staatshilfe in Anspruch nehmen

Leoni steckt seit Jahren in der Krise. Zunächst hatte sich der Bordnetzspezialist bei der Auslandsexpansion übernommen. In der Coronakrise musste die Firma als eines der ersten Unternehmen in Deutschland Staatshilfe in Anspruch nehmen.

Zwar macht der Konzern seither Fortschritte bei der Restrukturierung. Doch stand zeitweise die Produktion in der Ukraine wegen des russischen Angriffskriegs still. Dies führte zu Produktionsproblemen bei den großen Autoherstellern – den wichtigsten Kunden Leonis.

Wesentlicher Teil des Refinanzierungskonzepts bis Ende 2025 sollte eigentlich der Verkauf der Kabelsparte Business Group Automotive Cable Solutions an die thailändische Stark Corporation sein.

Die Einheit, die zuletzt rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz erzielte, wurde mit knapp 600 Millionen Euro bewertet, mehr als 400 Millionen Euro sollten Leoni nach Abzug von Finanzverbindlichkeiten und Pensionslasten zufließen. Die Summe sollte weitgehend in den Schuldenabbau gesteckt werden. Doch machten die Thailänder kurz vor dem Vollzug einen Rückzieher.

Für Leoni kam dies zur Unzeit. Im dritten Quartal stieg der Verlust von 27 auf 88 Millionen Euro. „Nicht zu Unrecht sprechen Experten vom perfekten Sturm, mit dem sich die Branche der Autozulieferer konfrontiert sieht“, sagte Kamper bei Vorlage der schlechten Zahlen. Die steigenden Kosten für Material, Logistik sowie angespannte Lieferketten und volatile Produktabrufe machten der Industrie zu schaffen.

Auch bei AMS-Osram erwarten ihn nun große Herausforderungen. Der Konzern mit - vor der Abspaltung von Unternehmensteilen - zuletzt mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz hat aus der Übernahme noch Schulden zu verkraften, die Integration ist noch nicht komplett abgeschlossen. Angesichts des schwierigen konjunkturellen Umfelds kündigte AMS-Osram im November einen verschärften Sparkurs an.

Erstpublikation am 30.01.23, um 18:42 Uhr (Update am 30.01.23, um 21:48 Uhr).

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