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22.06.2022

17:31

Luftfahrtmesse

Bundeskanzler geht auf Rüstungsindustrie zu

Von: Martin Murphy, Frank Specht

Beim Besuch der ILA beschwört Olaf Scholz die Kampfflieger-Kooperation mit Frankreich. Das Konkurrenzmodell F-35 vom US-Rivalen besucht er dennoch.

Für den Bundeskanzler ist die Messe ungewohntes Terrain. Getty Images

Olaf Scholz vor dem F-35

Für den Bundeskanzler ist die Messe ungewohntes Terrain.

Berlin Bei der Eröffnung der Luftfahrtmesse ILA versucht Bundeskanzler Olaf Scholz, die Wogen zu glätten. „Die nächste Generation von Kampfflugzeugen wollen wir gemeinsam mit Partnern wie Frankreich entwickeln“, sagte er vor seinem Rundgang auf dem abgeschirmten Flugfeld des Berliner Flughafens. Gemeint ist damit das „Future Combat Air System“ (FCAS), das einmal der modernste Kampfflieger werden soll. Zuletzt hatte es um das Flugzeug Ärger gegeben, da Deutschland den F-35 vom US-Konkurrenten Lockheed Martin bestellt hat.

Der Bundeskanzler persönlich hatte den Zuschlag für die Amerikaner in seiner „Zeitenwende“-Rede nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar bekannt gegeben. Vertreter des FCAS-Konsortiums Dassault und Airbus sowie der französischen Regierung hatten dies kritisiert, da sie einen Ausstieg Deutschlands aus der Entwicklung des neuen Fluggeräts fürchten.

Michael Schöllhörn, Chef der Airbus-Rüstungssparte, beschwor daher in der ILA-Eröffnungszeremonie ein Festhalten an FCAS. In Schlüsseltechnologien müsse Europa seine „strategische Autonomie“ bewahren. Indirekt erinnert er damit an die Drohung des früheren US-Präsidenten Donald Trump, moderne Rüstungsgüter nicht mehr nach Europa zu liefern.

Für Bundeskanzler Scholz ist die ILA ungewohntes Terrain. Nach außen hin wirbt die Messe zwar mit Themen wie nachhaltigem Fliegen, und das größte Gerät auf dem Flugfeld ist ein A380-Großraumflugzeug von Emirates; dominiert wird die Messe aber von den Rüstungsfirmen. Einige, wie Lockheed Martin, haben ihre Stände vergrößert.

Bei seinem Rundgang über das Messegelände legt Scholz zunächst bei den zivilen Flugzeugen einen Stopp ein, dann aber besucht er die Stände der Rüstungsfirmen. Zeit nimmt er sich vor allem für den F-35, den das italienische Militär auf Einladung von Lockheed Martin vorstellt. Intensiv redet er mit einem Piloten, wohl über dessen Erfahrung mit dem F-35.

Nachfolgemodell für die Bundesregierung?

Zeitgleich rechtfertigte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in der Regierungsbefragung im Bundestag die Entscheidung für das US-Fabrikat. Die „Tornados“, die bisher die nukleare Teilhabe Deutschlands sicherstellten, würden bis 2030 ausgemustert.

Das Flugzeug muss im Ernstfall in der Lage sein, amerikanische Atomwaffen ins Ziel zu tragen und muss dafür eigens zertifiziert werden. Sie hoffe, dass die ersten F-35 im Jahr 2026 bei der Luftwaffe in Dienst gestellt werden können, sagte Lambrecht im Bundestag.

Anlass zum Ärger ist weniger der Zuschlag für ein US-Modell, sondern vielmehr die Leistungsfähigkeit der F-35. Das Flugzeug gehört zur sechsten Generation von Kampffliegern, die eine digitale Kriegsführung ermöglichen. Vernetzt mit anderen Waffensystemen kann diese Generation Gegner bekämpfen, noch bevor diese den F-35 selbst zu Gesicht bekommen. Übertragen auf den Sport gleicht diese Art der Kriegsführung einer Raum- statt einer Manndeckung.

Der Zuschlag für den F-35 erfolgt auch vor dem Hintergrund der eigenen Defizite. Europas Rüstungsfirmen sind im Moment technologisch noch nicht so weit.

In diese Lücke will Lockheed Martin stoßen: „Wir wollen unsere Präsenz in Europa ausbauen, wir wollen ein paneuropäischer Anbieter werden“, sagte Raymond Piselli, verantwortlich für das internationale Geschäft von Lockheed Martin, dem Handelsblatt. In Italien, Polen und Rumänien habe sein Konzern bereits Kooperationen geschlossen. Mit dem Zuschlag beim F-35 soll nun Deutschland folgen.

Ein Baustein dazu soll das Kampfflugzeug sein, das in Italien endgefertigt wird. „Bis zum Jahr 2030 werden in Europa rund 550 F-35 im Einsatz sein“, sagte Piselli. „Da macht es Sinn, eine Infrastruktur für Service aufzubauen.“ Er stellt damit neue Jobs in Aussicht – und versucht so, die Politik zu locken. Arbeitsplätze seien neben der eigenen Verteidigungsfähigkeit für Politiker genauso wichtig, wie ein Rüstungsmanager auf der Messe betont.

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