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13.10.2022

19:19

MDax-Konzern

Vierter CEO seit 2019: Marc Llistosella wird neuer Chef von Knorr-Bremse

Von: Markus Fasse, Martin-W. Buchenau

PremiumNach langer Suche hat der Zulieferer einen neuen Vorstandschef gefunden. Nach drei Trennungen in drei Jahren soll Llistosella die große Lösung sein. Auf den Ex-Daimler-Manager warten viele Probleme.

Der ehemalige Chef von Mitsubishi Fuso Trucks rückt an die Spitze von Knorr-Bremse. Bloomberg

Marc Llistosella

Der ehemalige Chef von Mitsubishi Fuso Trucks rückt an die Spitze von Knorr-Bremse.

Stuttgart, München Nach mehr als sechs Monate dauernder Suche hat Knorr-Bremse einen neuen Vorstandschef gefunden. Zum ersten Januar wird Marc Llistosella den Münchener MDax-Konzern führen. Llistosella war bis zuletzt als Investor und Gründer aktiv, unter anderem bei den Start-ups Vaionic und Einride, die jeweils Elektroantriebe für Nutzfahrzeuge entwickeln. Der 55-Jährige stand bis 2018 als CEO der Mitsubishi Fuso Truck & Bus Corporation vor und war Chef des Daimler-Truck-Geschäfts in Asien.

Aufsichtsratschef Reinhard Ploss nannte Llistosella eine „beeindruckende Führungspersönlichkeit mit exzellentem Ruf und langjähriger Managementerfahrung“ , der Knorr Bremse zu „alter Stärke zurückführen wird“.

Die Suche nach einem neuen Chef war nötig, nachdem Jan Mrosik Ende März das Unternehmen verlassen hatte. Es war die dritte Trennung von einem Vorstandschef binnen drei Jahren: 2019 feuerte der Aufsichtsrat den langjährigen Chef Klaus Deller, der Knorr-Bremse zuvor erfolgreich an die Börse gebracht hatte. Dessen Nachfolger Bernd Eulitz, abgeworben vom Münchener Nachbarn Linde, blieb ebenfalls nur ein Jahr.

Eulitz habe sich zu wenig um das operative Geschäft gekümmert, klagte der damalige Großaktionär Heinz Hermann Thiele. Der Firmenpatriarch hatte sich eigens wieder in den Aufsichtsrat wählen lassen, weil er mit der Entwicklung seines Lebenswerks und der Arbeit seiner Nachfolger nicht einverstanden war. Viel erreichte er nicht mehr: Im März 2021 verstarb der Multiunternehmer im Alter von 79 Jahren.

Llistosella ist der vierte Chef in vier Jahren

Thiele hatte aber noch die Verpflichtung von Jan Mrosik durchgedrückt. Der Digitalexperte von Siemens sollte die beiden Konzernsparten Truckbremsen (CVS) und Schienenfahrzeuge (RVS) für das autonome Fahren fit machen. Vorkenntnisse über das Geschäft mit Lastwagen oder Zügen hatte er nicht. Das führte auch gleich zu Konflikten mit dem mächtigen Truck-Chef Peter Laier.

Mrosik suchte sein Heil in einem spektakulären Deal und versuchte die Übernahme des Licht- und Sensorspezialisten Hella. Mit Hella hätte Knorr Boden gutgemacht gegen die drei großen Lkw-Zulieferer Bosch, Conti und vor allem ZF Friedrichshafen. Doch der Deal scheiterte, auch weil Mrosik den Kapitalmarkt nicht ausreichend eingebunden hatte.

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Vor allem der verpatzte Hella-Deal hinterließ bei Knorr einen Scherbenhaufen, der Aktienkurs brach um mehr als 20 Prozent ein, Investoren und Teile der Führungsriege waren verstimmt. Ende Oktober 2021 erklärte schließlich Truck-Chef Peter Laier seinen vorzeitigen Abgang zum Jahresende – und wechselte ausgerechnet zum großen Rivalen ZF.

In der Branche gilt der CEO-Job nicht nur wegen der häufigen Wechsel als Schleudersitz. „Die Führungsstruktur ist problematisch. Der CEO führt selbst kein operatives Geschäft, und die Chefs der beiden voneinander weitgehend unabhängigen Konzernsparten Lkw und Bahn lassen sich nicht reinreden“, erklärt ein Headhunter, der in der Branche bestens verdrahtet ist.

Die Trennung von Mrosik sei „im besten Einvernehmen“ erfolgt, erklärte der damals scheidende Aufsichtsratschef Klaus Mangold. Auf der Hauptversammlung im Mai übernahm dann Reinhard Ploss das Kontrollgremium. Doch der ehemalige Infineon-Chef hatte bislang weder einen Aufsichtsrat geführt, noch besaß er ausreichende Kontakte in die Zulieferbranche. Er kannte die Branche allenfalls als Kunde der Autochips von Infineon, nicht aber deren Eigenheiten. Übergangsweise übernahm der von Daimler geholte Finanzchef Frank Markus Weber den Posten des Vorstandssprechers.

Die Berufung von Marc Llistosella ist nun die erste, wichtige Bewährungsprobe für Reinhard Ploss.

China wird zum Klumpensrisiko für Knorr

Operativ bleibt Knorr-Bremse eine Baustelle. Bei einem Umsatz von 6,1 Milliarden Euro verdient der Konzern mit Bremsen, Türen und Klimaanlagen für Züge gutes Geld. Und im Lkw-Geschäft sind die Margen besser als bei der Konkurrenz. Im ersten Halbjahr steht bei steigendem Auftragseingang ein Ebit von 10,1 Prozent.

Doch auch bei Knorr wachsen die Risiken: So ist China im Bahngeschäft der größte Einzelmarkt, die Coronalockdowns und die zunehmende Abkoppelung des Landes werden für Knorr zu einem Risiko.

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Im Lkw-Geschäft wird der Wind ebenfalls rauer. Knorr, bislang Weltmarktführer für Lkw-Bremsen, sieht sich immer größeren Rivalen gegenüber. Mit der Übernahme von Wabco hat sich ZF 2020 den größten Knorr-Konkurrenten gesichert und kann nun Lenkung, Fahrwerk und jetzt auch Bremsen gemeinsam anbieten.

Dabei hätte die Geschichte auch anders laufen können. Immer wieder hatten ZF und Thiele im vergangenen Jahrzehnt über eine Fusion verhandelt – doch der damalige Knorr-Großaktionär mochte sein Unternehmen den ZF-Managern nicht unterordnen. Stattdessen ging Knorr schließlich an die Börse, und ZF schnappte sich Wabco. Damit ist die deutsche Königslösung ein für alle Mal vom Tisch.

Die langfristige Zukunft des Weltmarktführers für Lkw- und Zugbremsen ist auch mit dem Börsengang noch nicht gesichert. Thiele hat die rund 59 Prozent starke Beteiligung an dem Unternehmen an seine Frau Nadia und seine Tochter aus erster Ehe, Julia, vererbt. Eigentlich sollen die Anteile jedoch in eine Stiftung – die steht allerdings fast anderthalb Jahre nach dem Ableben Thieles immer noch nicht. Mit Marc Llistosella hat aber nun wenigstens der Vorstand wieder einen Chef.

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