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30.09.2022

04:12

Michael Sen und Carla Kriwet

„Herr Sen kann nicht zaubern“ – Was Investoren von der neuen Führung bei Fresenius und FMC erwarten

Von: Maike Telgheder

Michael Sen und Carla Kriwet sollen ab Oktober Fresenius und Fresenius Medical wieder auf Gewinnkurs bringen. Warum Investoren nicht mit schnellen Erfolgen rechnen.

Die beiden Manager übernehmen ab Oktober das Ruder bei Fresenius und Fresenius Medical Care.

Michael Sen und Carla Kriwet

Die beiden Manager übernehmen ab Oktober das Ruder bei Fresenius und Fresenius Medical Care.

Frankfurt Der Montag wird für die 319.000 Beschäftigen des Fresenius-Konzerns mit einem doppelten Chefwechsel beginnen: Michael Sen, 53, tritt dann seinen Dienst als Vorstandsvorsitzender des Mutterkonzerns an, seit April leitet er bereits die Medikamentensparte Kabi. Bei der Dialysetochter Fresenius Medical Care übernimmt die ehemalige Philips-Managerin Carla Kriwet, 51, den Vorstandsvorsitz. Beide wollen sich zum Start mit einer Videobotschaft an die Belegschaft werden. So viele Wechsel auf einmal gab es noch nie an der Spitze der traditionsreichen Gruppe.

Das neue Führungspersonal soll dafür sorgen, dass beide Dax-Konzerne wieder schneller und vor allem profitabler wachsen. Keine einfache Aufgabe, jedes Unternehmen hat seine ganz eigenen Probleme, aber beide hängen eng zusammen. Denn Fresenius Medical Care (FMC) steuert rund die Hälfte zu Umsatz und operativem Gewinn des Mutterkonzerns Fresenius bei. Oder wie es Fondsmanager Sébastien Buch von Union Investment formuliert: „Herr Sen ist zu einem großen Teil abhängig davon, dass Frau Kriwet liefert.“

Schnelle Erfolge erwarten Investoren allerdings nicht. Nach der zunächst positiven Reaktion auf die Chefwechsel sind die Aktienkurse mittlerweile wieder gesunken. „Es wäre schon viel gewonnen, wenn sie wieder ein rundes Quartal ohne Gewinnwarnung liefern könnten. Ein Quartal auch ohne schlechte Nachrichten von Fresenius Medical Care, die der Mutter die Zahlen verhageln“, sagt Fondsmanager Buch.

Die Abhängigkeit von der Dialysetochter FMC hat der scheidende Fresenius-CEO Stephan Sturm in den vergangenen beiden Coronajahren schmerzlich zu spüren bekommen. Hatte die Pandemie doch maßgeblich für zwei Jahre mit drastischen Gewinnrückgängen bei FMC gesorgt, in deren Sog auch Fresenius gleich zweimal seine Prognose zurücknehmen musste.

Hinzu kamen Sturms wechselnde Signale über eine Abspaltung von Fresenius Medical Care sowie die vergebliche Suche nach Investoren bei der Krankenhaustochter Helios. Eine Gemengelage, die schließlich zu der frühzeitigen Ablösung des langjährigen Fresenius-Managers geführt hatte.

Hohe Schulden, hoher Druck

Fresenius-Medical-Care-Chef Rice Powell wiederum musste sich nach der letzten Gewinnwarnung Ende Juli ein paar Monate früher in den Ruhestand verabschieden als ursprünglich geplant. Sein vergangenes Jahr angestoßener Konzernumbau in zwei globale Geschäftseinheiten, in dessen Zuge rund 5000 Stellen bei Fresenius Medical Care abgebaut werden sollten, wurde zuletzt von seiner Stellvertreterin und Finanzchefin Helen Giza vorangetrieben.

Viele Mitarbeiter bei Fresenius hoffen nun darauf, dass sich die Gruppe unter der neuen Führung wieder nach vorne bewegt und eine neue Perspektive bekommt. Sen wie Kriwet kennen die Gesundheitsbranche gut und gelten beide als versierte Manager.

Dass sich die Gesundheitsgruppe schnell erholen wird, gilt als nicht sehr wahrscheinlich. „Die Situation bei Fresenius ist verfahren“, sagt Cornelia Zimmermann, Spezialistin Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment. Die Branche habe Schwierigkeiten, weil sie weiter von Corona und den damit zusammenhängenden Kosten belastet wird sowie von der Fluktuation von Mitarbeitern und den steigenden Lohnkosten. „Dazu kommen die Inflation und die steigenden Zinsen. Mit der hohen Schuldenlast, die der Konzern mit sich herumträgt, ist das eine sehr große Belastung“, so die Expertin.

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Fresenius hatte in der Vergangenheit immer wieder milliardenschwere Zukäufe getätigt. Die Verschuldung lag Ende Juni dieses Jahres bei netto 26,2 Milliarden Euro. Ein hoher Wert für ein Unternehmen, das zuletzt bei einem Jahresumsatz von 37,5 Milliarden Euro einen Konzerngewinn von 1,8 Milliarden Euro erzielte. Bei einem Verschuldungsgrad vom 3,72-Fachen des Ebitda ist der finanzielle Spielraum für Wachstumsinvestitionen eng.

„Herr Sen ist sicher ein sehr versierter Manager, aber er kann natürlich nicht zaubern“, meint Deka-Expertin Zimmermann. Man könne ihn in einer solch komplizierten Situation nicht mit Erwartungen überfrachten. Im Hause Deka stellt man sich jedenfalls darauf ein, dass es Jahre dauern wird, bis man bei Fresenius positive Effekte seines Handelns sehen werde. Zimmermann: „Angesichts von Inflation, Kostensteigerungen und Zinsentwicklung wächst der Druck.“

Negative Überraschungen für Helios sind möglich

Maßgebliche Portfolioveränderungen bei Fresenius werden von den Investoren erst einmal nicht erwartet. Für große Zukäufe fehlt das Geld. Und eine Abspaltung von Fresenius Medical Care ergibt angesichts der niedrigen Bewertung derzeit wenig Sinn. Zudem hat Michael Sen Unternehmensvertretern zufolge auch die Pläne gestoppt, die Krankenhaustochter Helios mithilfe von Investorengeld durch Zukäufe auszubauen.

„Für Sen muss es jetzt einmal darum gehen, den Vorstand zu einen, damit alle an einem Strang ziehen“, sagt ein Insider. Auch das dürfte keine ganz einfache Aufgabe werden, zeigt doch der langjährige Helios-CEO Francesco De Meo immer wieder Ambitionen, die Krankenhaussparte international weiter auszubauen.

Klar ist jedenfalls, dass sich Sen die vom Umsatz her zweitgrößte Fresenius-Sparte Helios genauer anschauen wird. Im wichtigen deutschen Markt plant die Bundesregierung eine grundlegende Krankenhausreform in Richtung mehr ambulanter Angebote. Zudem ächzen immer mehr Häuser unter steigenden Energiekosten. Fondsmanager Buch schließt nicht aus, dass es auch bei Helios in dieser Hinsicht noch negative Überraschungen geben könnte.

Als Wachstumshoffnung bei Fresenius gilt derzeit die margenstarke Medikamentensparte Kabi. Die will Michael Sen künftig stärker auf das global wachsende Geschäft mit biotechnologisch hergestellten Medikamenten ausrichten. Dazu hat er in diesem Jahr für knapp 500 Millionen Euro die Mehrheit am spanischen Biopharmaunternehmen mAbxience gekauft.

Fresenius Medical Care dürfte dagegen noch einige Zeit von der Coronapandemie und deren negativen Folgen belastet sein. Das begrenzt auch den Handlungsspielraum von Carla Kriwet. „Frau Kriwet ist in hohem Maße von der Entwicklung externer Faktoren abhängig.

Man kann nur darauf hoffen, dass die Auswirkungen der Pandemie abklingen und ein Teil der Kosten reduziert werden kann“, sagt Deka-Expertin Zimmermann. In der aktuellen Situation müsse Kriwet es vor allem schaffen, die Personalsituation zu verbessern. Das könne durch monetäre Anreize geschehen, aber auch durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben.

Fondsmanager Buch sieht zudem Chancen im Ausbau der Heimdialyse: Die spielt bei FMC noch eine kleine Rolle, hat sich aber im vergangenen Jahr auf einen Anteil von 5,5 Prozent fast verdoppelt. „Diese Entwicklung fortzuschreiben, wäre ein richtiges Signal“, so Buch.

Seiner Ansicht nach dürften die Märkte den beiden neuen CEOs insgesamt eine Schonfrist einräumen, um sichtbare Erfolge zu erreichen. „Auf jeden Fall bis 2024“, sagt Buch. „Beide werden von den Investoren zwei Jahre Zeit bekommen, und zwar auch unabhängig voneinander.“

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