Die Bauindustrie hat einen großen Rückstand bei der Automatisierung. Ändern könnte sich das mit einer stärker modularen Bauweise.
Kuka-Roboter für modulares Bauen
Bislang ist in der Bauindustrie nur eine vierstellige Zahl von Robotern im Einsatz. Wohnungsbaufabriken gibt es hierzulande noch nicht.
Bild: TopHat
Augsburg Nur wenige Branchen haben bei der Automatisierung so starke Defizite wie die Baubranche. Gerald Mies, Chef der Automatisierungssparte Systems des Roboterherstellers Kuka, sagt: „Die Bauindustrie steht vom Automatisierungsgrad her heute etwa da, wo die Autobauer vor 100 Jahren waren.“ Wohnungen und Häuser ließen sich längst viel schneller und preiswerter in Serie bauen. Denn im Prinzip unterscheide sich der Modulbau von Autos und Gebäuden kaum, so Mies.
Die Baubranche verspricht sich vom modularen Bauen einen Geschwindigkeitsschub und überlegt, wie sie diese Bauweise stärker einsetzen kann. Auch die Bundesregierung setzt auf das Bauen mit vorgefertigten Teilen bei ihrem schwer erreichbaren Ziel, 400.000 bezahlbare Wohnungen im Jahr zu errichten. „Serielles und modulares Bauen“ sei ein Schlüssel für das Projekt, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Noch aber gibt es in Deutschland keine echten Wohnungsbaufabriken. „Wir haben zwar alle notwendigen Technologien, doch sie werden bis jetzt nur außerhalb von Deutschland eingesetzt“, sagt Kuka-Systems-CEO Mies. Die deutsche Bauindustrie müsse aufpassen, dass sich nicht andere den Markt sicherten.
Weltweit gehe es um ein Milliardengeschäft. Kuka sei bislang der einzige Anbieter, der die notwendigen Roboter und Automatisierungslösungen für eine Wohnungsbaufabrik aus einer Hand anbiete, und wolle sich seinen Anteil daran sichern.
Bislang ist nach Angaben des Weltverbands IFR in der Bauindustrie nur eine vierstellige Zahl von Robotern im Einsatz. Die Marktdurchdringung erfolgte deutlich langsamer, als Experten in früheren Jahrzehnten erwartet hatten. Allerdings ändert sich dies gerade, weil der Leidensdruck in der Branche größer geworden ist und sich die technischen Möglichkeiten durch die digitale Vernetzung verbessert haben.
Hausmodulbauweise
Wohnungen und Häuser ließen sich längst viel schneller und preiswerter in Serie bauen.
Bild: James Newton
Eines der Bauunternehmen, die schon stark an der Modularisierung arbeiten, ist Max Bögl. Der Familienkonzern hat mit Maxmodul einen eigenen Ansatz für modularen Wohnungsbau entwickelt. Die Firma setzt insbesondere auf einen „digitalen Zwilling“, mit dessen Hilfe geplante Bauten simuliert werden und der Baufortschritt kontinuierlich dokumentiert und überwacht wird.
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Das digitale Abbild hilft beim Einsatz und bei der Entwicklung von standardisierten Baugruppen. Brücken, Windkrafttürme und Wohngebäude müssten künftig stärker aus standardisierten Teilen zusammengesetzt und durch deren Kombination erst später projektspezifisch individualisiert werden, sagt Vorstandschef Stefan Bögl. Dies spare Zeit und Kosten.
Kuka hat aus dem Ausland bereits Aufträge für die Ausrüstung von Baufabriken erhalten und ist im arabischen Raum an einem Projekt beteiligt. Die Module, zum Beispiel auf Holz- oder Stahlbasis, werden weitgehend von Robotern errichtet und können bereits mit Teppichen und Kücheneinrichtungen ausgeliefert werden.
Vor Ort werden sie dann nur noch zusammengesetzt, und es müssen Wasser, Energie sowie Telekommunikation angeschlossen werden. Dafür kann ein Tag reichen. „Die Bauzeit verringert sich so von 16 auf sechs Monate, bei 25 Prozent niedrigeren Kosten“, sagt Mies.
Optisch unterschieden sich die Häuser und Wohnungen nicht von klassischen Bauten. Hierzulande gebe es aus historischen Gründen noch Vorbehalte, sagt CEO Mies: „Da denken viele an Plattenbauten.“ Doch der Gestaltungsspielraum sei groß. Die Bauten hätten den Vorteil einer hohen Genauigkeit. „Da sitzt die Spanplatte auf den Millimeter genau.“ Da es ein digitales Abbild gebe, seien auch nachträgliche Änderungen einfacher.
Produktion bei Ford mit Kuka-Robotern
Kuka-Manager Gerald Mies sagt: „Die Bauindustrie steht vom Automatisierungsgrad her heute etwa da, wo die Autobauer vor 100 Jahren waren.“
Bild: dpa
In Deutschland gibt es bislang noch niemanden, der eine Baufabrik betreiben will. In der Baubranche herrschte in den vergangenen Jahrzehnten vergleichsweise wenig Veränderungsdruck.
Während viele andere Sektoren durch digitale Technologien deutlich produktiver geworden seien, hinke die Bauwirtschaft mit jährlich nur rund einem Prozent Produktivitätszuwachs in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich hinterher, sagte Jan Mischke, Partner bei McKinsey.
Doch das ändert sich gerade aus mehreren Gründen: So sind die Kosten auch am Bau stark gestiegen, das zwingt die Unternehmen zu mehr Effizienz. Verschärft wird die Situation noch durch die steigenden Zinsen.
Zudem hat der Fachkräftemangel den Bau erfasst. Laut einer Studie von 3Gem Global Market Research im Auftrag des Roboterherstellers ABB rechnen 91 Prozent der Baufirmen in Europa, den USA und China in den kommenden zehn Jahren mit einem Mangel an Fachkräften. 81 Prozent der befragten 1900 Unternehmen wollen daher verstärkt auf Robotik und Automatisierung setzen.
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Entsprechend hat derzeit eine Reihe von Konzernen das Thema für sich entdeckt. Dabei gibt es Lösungen, die in Richtung einer Modularisierung gehen, und Roboter, die auf Baustellen genutzt werden sollen.
ABB-Roboter sind zum Beispiel bei einer automatisierten Fertigung von Dachstützen aus Holz in Kanada ebenso im Einsatz wie bei der robotergestützten Installation von Aufzügen des Schweizer Herstellers Schindler.
Wohnungsneubau mit Fertigbaumodulen
Die Kosten sind am Bau stark gestiegen, das zwingt die Unternehmen zu mehr Effizienz.
Bild: Vonovia/ Juergen Maennel
Der Dübelspezialist Fischer hat gemeinsam mit dem Wiener Start-up Baubot einen Roboter entwickelt, der so viele Dübel setzen kann wie fünf Bauarbeiter in der gleichen Zeit. Künftige Modelle sollen auch mit 3D-Druck vor Ort Betonteile herstellen können.
Die additive Fertigung mit 3D-Druck ist in der Branche ein großes Thema. Der bayerische Bauzulieferer Peri hat sich am dänischen 3D-Drucker-Start-up Cobod beteiligt. Die Maschine, die aus der Kooperation entstanden ist, hat bereits mit einer Art Beton-3D-Druck Häuser in Deutschland hochgezogen.
Bei dem Verfahren surrt ein großer Druckkopf Reihe um Reihe nach oben und schichtet den Rohbau auf. Durch den 3D-Druck könnten sich die Preise für den Rohbau um 35 Prozent reduzieren, so eine Studie der TU Dresden.
Auch die Prozesse auf der Baustelle werden mithilfe von Digitalisierung zunehmend optimiert. So hat Corrux eine Softwareplattform entwickelt, mit der Menschen, Maschinen und Prozesse auf Baustellen über eine zentrale Oberfläche miteinander vernetzt werden können. Im vergangenen Jahr wurde das Münchener Start-up vom österreichischen Proptech-Unternehmen Gropyus übernommen.
3D-Drucker
Der Bauzulieferer Peri hat sich am dänischen 3D-Drucker-Start-up Cobod beteiligt. Die Maschine, die aus der Kooperation entstanden ist, hat mit einer Art Beton-3D-Druck Häuser in Deutschland hochgezogen.
Bild: Peri
Das Bausegment könnte für die Automatisierungsbranche mehr werden als nur eine Nische. Kuka Systems etwa hat bislang vor allem die Autohersteller mit Automatisierungslösungen ausgerüstet – und sich nun nach weiteren Standbeinen umgesehen. „Wir wollen unsere Kernkompetenzen auf den gesamten Markt ausbreiten“, sagt Mies. Ein Schwerpunkt seien die neuen Batteriefabriken, die Baubranche könnte ein noch größeres Segment werden.
Nach der Übernahme durch die chinesische Midea hatte Kuka schwierige Jahre durchgemacht – auch weil der Augsburger Konzern an Innovationskraft verlor. Inzwischen aber hat die Firma eine Reihe von neuen Modellen auf den Markt gebracht und wieder Fuß gefasst. In den ersten neun Monaten dieses Jahres stieg der Umsatz um 17 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis verbesserte sich leicht auf 81 Millionen Euro.
Erstveröffentlichung: 19.12.2022, 15:53 Uhr
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