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16.03.2023

12:27

Motorradhersteller

Ducati fährt einen Rekordumsatz ein und arbeitet am ersten Elektro-Bike

Von: Christian Wermke

Ducati-Chef Domenicali spricht über sein Verhältnis zu VW-CEO Oliver Blume, wann die erste E-Ducati kommen wird und wie der Moto GP von 2027 an emissionsfrei ausgetragen werden soll.

Der Motorradabsatz sei während der Pandemie gestiegen, „weil man damit Freiheit hatte ohne Menschenmassen“. AUDI AG

Ducati-Chef Claudio Domenicali im Werk in Bologna

Der Motorradabsatz sei während der Pandemie gestiegen, „weil man damit Freiheit hatte ohne Menschenmassen“.

Bologna Der italienische Motorradbauer Ducati hat 2022 gleich zwei Rekorde aufgestellt. Zuerst einen sportlichen, der im Museum von Ducati zu sehen ist, direkt neben dem Werk am Stadtrand Bolognas. Neben den alten Modellen, die das italienische Unternehmen seit den Fünfzigerjahren produziert hat, stehen zwei rote Maschinen, die 2022 in die Geschichte eingingen. Erstmals haben Motorräder einer Marke in einem Jahr die zwei größten Motorrad-Wettbewerbe gewonnen, die Weltmeisterschaften im Moto GP und im Superbike.

Den zweiten, wirtschaftlichen Rekord gab Ducati am Donnerstag bekannt: Erstmals hat Ducati 2022 mehr als eine Milliarde Euro Umsatz gemacht – ein Plus von 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Es war ein magisches Jahr“, sagt Firmenchef Claudio Domenicali im Handelsblatt-Interview. Ducati verkaufte im vergangenen Jahr rund 61.500 Motorräder, so viele wie noch nie in einem Jahr. Dabei war das Marktumfeld mit Ukrainekrieg und hoher Inflation nicht einfach. „Wir hatten im Frühjahr eine sehr schwierige und anstrengende Zeit“, berichtet Domenicali. Steuergeräte, Scheinwerfer, Halbleiter oder Aluminium: Bei fast allen Vorprodukten und Rohstoffen gab es Probleme in der Lieferkette. Ducati lieferte mit monatelangen Verzögerungen aus.

Gleichzeitig stieg die Nachfrage deutlich. Das habe zum einen an neuen Modellen gelegen, zum anderen an der endenden Coronapandemie. „Das Motorrad wurde während der Pandemie zum begehrten Objekt, weil man damit Freiheit hatte ohne Menschenmassen“, sagt Domenicali. Viele Kunden hätten sich mit einem Kauf belohnt. 2023 werde der Markt aber wieder komplizierter, glaubt der 58-jährige Domenicali, der Ducati seit der Übernahme durch Audi im Jahr 2013 führt: „Die makroökonomische Situation ist nicht positiv.“

Deutschland ist der drittgrößte Markt für Ducati

Ein großer Teil der Motorräder werde per Kredit finanziert, durch die steigenden Zinsen werden die entsprechenden Pakete teurer. Manche Hersteller fluteten den Markt zudem bereits mit Sonderangeboten, weil die Nachfrage nachlässt. Trotzdem will der Ducati-Chef versuchen, das Ergebnis aus 2022 zu wiederholen. Die Gewinnmarge, die erstmals bei zehn Prozent lag, soll erneut leicht steigen.

Ein Volumenziel hat Ducati nicht. Aber wie alle anderen Marken des VW-Konzerns einen Zehnpunkteplan, den Domenicali in Wolfsburg präsentieren musste. Seine Prioritäten darin: das Markenprofil schärfen, die Qualität verbessern, die Kundenzufriedenheit erhöhen. „Die Kunden sind unsere besten Verkäufer, sie sprechen mit Begeisterung und Leidenschaft über das Unternehmen.“ Domenicali sieht Ducatis Konkurrenz dabei nicht in der Mobilität, sondern im Entertainment, eher bei der Fernreise als beim Autokauf.

Streetfighter V2 Ducati

Streetfighter V2

Im Ducati Streetfighter V2 ist ein 955 Kubik großer 90-Grad-V-Motor verbaut.

Deutschland ist für Ducati der drittwichtigste Markt nach Italien und den USA, die Verkäufe legten im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent zu. Von den rund 107.000 Motorrädern, die 2022 in Deutschland zugelassen wurden, kamen knapp 6700 aus Bologna. Der Marktanteil wächst damit auf 6,1 Prozent, das bedeutet Rang sieben unter den Marken. Marktführer BMW kommt auf 21,5 Prozent.

Volkswagen-Chef Oliver Blume lernte Domenicali schon 2013 kennen, damals war Blume noch Produktionschef bei Porsche. Ob nach seiner Berufung zum Porsche-CEO oder zuletzt zum Chef des Konzerns: „Oliver hat seine Art nicht geändert, ist sehr an der Führung von Menschen interessiert, die sich gegenseitig als Team betrachten“, sagt Domenicali. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft schaltete er sich per Videocall zum Team dazu. „Man merkt, dass er von Porsche kommt, wo es die gleiche Familienmentalität wie bei uns gibt.“ Aber auch an Audi sei Ducati mit seinen rund 1600 Mitarbeitern noch nie so nah dran gewesen: CEO Markus Duesmann und CFO Jürgen Rittersberger seien selbst leidenschaftliche Motorradfahrer. „Sie kennen das Produkt und die Marke.“ Das mache vieles leichter.

E-Motorrad bis Ende des Jahrzehnts?

Die Umstellung auf elektrische Antriebe ist für Domenicali die größte Herausforderung für Ducati. Ein alltagstaugliches E-Motorrad werde es wohl erst gegen Ende des Jahrzehnts geben, ein genaues Datum mag er noch nicht nennen. Man wolle den Kunden erst „ein E-Motorrad anbieten, wenn das Produkt ausgereift ist, wenn es leicht genug ist und eine ausreichende Reichweite hat.“ Noch sei die Energiedichte der Batterien nicht optimal, das zwinge zu Kompromissen. Die seien „bei einem Auto leichter zu überwinden als bei einem Motorrad.“

Domenicali ist daher ein Verfechter von E-Fuels. Die Rennserie Moto GP soll schon bis 2027 ohne fossile Kraftstoffe fahren. Gemeinsam mit Shell führt Ducati derzeit Tests mit synthetischen Kraftstoffen durch. „Der Gesetzgeber sollte einige Türen offen lassen, um das wichtige und notwendige Ziel der CO2-Neutralität zu erreichen.“ Es solle jedem Hersteller überlassen sein, welche Batterie- oder Kraftstofflösung für welches Produkt am besten passe.

Eine weitere Baustelle Domenicalis ist die Digitalisierung des Motorrads: die Anbindung an die Cloud, virtuelle Erfahrungen, das Metaverse. „Wir verkaufen letztlich Emotionen“, sagt Domenicali. Derzeit befänden sie sich in der Analysephase, aber „das Metaverse ist definitiv eine mögliche Zukunft für die Marke“. Auch um eine neue Generation von Kunden an Ducati heranzuführen. Noch in diesem Jahr könnte ein erstes Projekt mit digitalen Wertmarken starten, sogenannten NFTs.

Zu einem möglichen Börsengang Ducatis, über den immer wieder spekuliert wird, will sich Domenicali nicht äußern – das seien strategische Entscheidungen in Wolfsburg. Ducati sei in einem „sehr guten Zustand“, was die Zahlen angehe, aber auch den Investitionsplan und die Fortschritte in der elektrischen Welt.

Eine endgültige Absage klingt anders. Möglich also, dass sie im Ducati-Museum in naher Zukunft einen weiteren Meilenstein verewigen müssen.

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