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17.04.2020

18:51

Pandemie

Gilead-Arznei soll erste Erfolge bei Corona-Patienten zeigen – Aktie steigt zeitweise um 21 Prozent

Von: Siegfried Hofmann

Das Medikament lindert laut einem Bericht die Symptome von Covid-19-Patienten. Laut dem Konzern müssen die vollständigen Daten aber erst noch analysiert werden.

Die Kurse des Unternehmens sind nach dem Bericht deutlich gestiegen. AFP

Gilead-Logo

Die Kurse des Unternehmens sind nach dem Bericht deutlich gestiegen.

Frankfurt Forscher suchen unter Hochdruck nach Medikamenten gegen das Sars-CoV-2-Virus, den Erreger der Lungenkrankheit Covid-19. Entsprechend große Aufmerksamkeit erhalten Hinweise auf positive Testresultate aus den zahlreichen klinischen Studien in dem Bereich.

So nun auch eine amerikanische Untersuchung mit dem antiviralen Wirkstoff Remdesivir, den der US-Biotechkonzern Gilead ursprünglich gegen Ebola entwickelt hat.

Wie die auf Medizinnachrichten spezialisierte Online-Publikation Stat am Donnerstagabend berichtete, zeigte das Mittel bei 125 Patienten an der Universitätsklinik in Chicago eine überwiegend positive Wirkung.

Die meisten der Patienten konnten danach die Klinik bereits nach weniger als den vorgesehenen zehn Behandlungstagen verlassen. Nur zwei von insgesamt 113 schwer erkrankten Patienten sind danach gestorben.

Die Informationen stammen aus einem internen Video der Universität, das der Online-Publikation zugespielt wurde. Sie repräsentieren letztlich aber nur einen kleinen Ausschnitt aus einer wesentlich größeren US-Studie mit dem Medikament, wie auch die Autoren des Berichts sowie die behandelnde Ärztin vermerkten.

Die Aussagekraft ist daher stark begrenzt. Insgesamt soll die Studie von Gilead 2400 schwer erkrankte Covid-19-Patienten an mehr als 150 Studienzentren umfassen.

Viele Investoren interpretieren die Informationen als weiteres Indiz dafür, dass das Mittel des US-Konzerns tatsächlich eine wirksame Waffe gegen das Coronavirus sein könnte.

Kleiner Hoffnungsschimmer

Remdesivir wird in dieser Hinsicht schon seit längerem als einer der wenigen Hoffnungsträger gehandelt, neben einigen weiteren Wirkstoffen wie etwa das einst von Bayer entwickelte Malaria-Medikament Chloroquin und den Aidsmedikamenten Lopinavir und Ritonavir, die als Kombination unter dem Namen Kaletra vertrieben werden.

Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprachen bereits im Februar sogar davon, dass Remdesivir womöglich das einzige verfügbare Medikament sei, das echte Wirksamkeit zeigen könnte.

Allerdings ist die Evidenz dafür bislang noch sehr dünn. Verschiedene Testreihen chinesischer Kliniken mit dem Wirkstoff gelten als zu schwach und schlecht strukturiert, um verlässliche Aussagen zu liefern.

Der Datenbank clinicaltrials.gov zufolge wurden inzwischen elf klinische Studien initiiert, bei denen das Mittel von Gilead in der ein oder anderen Form getestet wird.

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Auch bei anderen Wirkstoff-Kandidaten zeigte sich in den vergangenen Wochen, dass voreilige Schlüsse mit Vorsicht zu genießen sind. So wird zum Beispiel die Debatte um die Medikamente Chloroquin und Hydroxychloroquin, die unter anderem auch US-Präsident Donald Trump als potenzielle Heilmittel anpries, von widersprüchlichen Nachrichten überlagert.

Während chinesische und französische Ärzte den Wirkstoffen einen positiven Effekt gegen die Covid-19-Erkrankung bescheinigen, musste eine brasilianische Studie mit den Mitteln jüngst abgebrochen werden, weil zu viele Patienten starben.

Eine Herausforderung sind bei fast allen Wirkstoff-Kandidaten die zum Teil beträchtlichen Nebenwirkungen, die einen Einsatz bei vielen alten und mehrfach vorerkrankten Patienten einschränken. Chloroquin etwa erhöht offenbar das Risiko für gefährliche Herzrhythmus-Störungen. Bei Remdesivir wurden unter anderem erhöhte Leberwerte und Nierenversagen beobachtet.

Einsatz im Härtefall

Das Mittel hat bisher noch keine Zulassung. Es wurde nach Angaben von Gilead außerhalb der offiziellen klinischen Studien inzwischen auch bei rund 1800 Patienten im Rahmen von sogenannten Härtefallregelungen eingesetzt.

Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein Nukleotidanalog: Es blockiert ein Enzym, das Viren zur Vermehrung benötigen. Ähnliche Wirkstoffe werden zum Beispiel in der Aids-Behandlung eingesetzt – ein Gebiet, auf dem Gilead führender Anbieter ist.

In Tiermodellen hat Remdesivir laut Gilead relativ breite antivirale Wirkung gezeigt, unter anderem auch gegen die mit Covid-19 verwandten Erreger der Mers- und Sars-Infektionen. Das wiederum werten die US-Forscher als Indiz dafür, dass das Mittel auch gegen den Erreger Covid-19 wirken könnte.

Über Daten von 53 der im Zuge von Härtefallregelungen behandelten Patienten wurden vor wenigen Tagen im New England Journal of Medicine (NEJM) berichtet. Danach konnten nach 18 Behandlungstagen knapp die Hälfte dieser Patienten das Krankenhaus verlassen, bei insgesamt 84 Prozent zeigte sich eine Verbesserung der Atmung. Rund ein Viertel der Patienten zeigten erhöhte Leberwerte, sieben der 53 Patienten verstarben.


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Auch diese Daten erlaubten es angesichts der geringen Patientenzahl nicht, definitive Schlüsse zu ziehen, wie das Unternehmen selbst vermerkte. „Die Ergebnisse der Analyse sind ermutigend, aber die Daten sind begrenzt“, erklärte Gilead-Medizinchef Merdad Parsey dazu.

Wesentlich aussagefähigere Resultate dürften dagegen eine Reihe größerer Studien liefern, die inzwischen in den USA und auf internationaler Ebene gestartet wurden und jeweils Tausende von Patienten einschließen sollen.

Dazu gehören neben der Studie von Gilead unter anderem auch die von der WHO initierte Studie Solidarity und die vom französischen Forschungsinstitut Inserm koordinierte Studie Discovery.

Alle Studienprogramme testen die Medikamente Chloroquin/Hydroxychloroquin, Remdesivir, Kaletra und das Multiple-Sklerosemittel Beta-Interferon untereinander und im Vergleich zur Standardbehandlung.

Erste Resultate aus diesen Studien könnten nach Erwartung von Fachleuten immerhin gegen Ende April vorliegen und dann validere Aussagen im Hinblick auf erfolgversprechende Behandlungsstrategien liefern. Auch für die US-Studien mit Remdesivir werden für die nächsten Tage zumindest erste Zwischenresultate erwartet.

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