Die Zeit der Umsatzzuwächse durch Corona ist vorbei. Nach kräftigen Steigerungen im ersten Halbjahr sinken die Einnahmen in den nächsten Quartalen deutlich.
Pfizer-Impfstoffabfüllung in Belgien
Allen voran Pfizer profitierte vom zusätzlichen Geschäft mit Covid-Arzneien und Impfstoffen.
Bild: AP
Frankfurt Die Coronapandemie sorgt für enorme Umsatzzusätze in der Pharmabranche: Bis zu 200 Milliarden Dollar setzen die Unternehmen 2021 und 2022 im Zusammenhang mit Corona abseits des normalen Geschäfts um. Auch in den vergangenen sechs Monaten sorgte das Geschäft mit Covid-Impfstoffen und -Medikamenten noch für deutliche Umsatzzuwächse bei etlichen Herstellern, allen voran beim US-Pharmariesen Pfizer.
Doch der Höhepunkt des Covid-Booms ist inzwischen klar überschritten. Schon in den nächsten Quartalen werden die Erlöse wieder deutlich sinken. Das zeigt eine Analyse der Halbjahreszahlen und der Prognosen führender Firmen auf dem Gebiet.
Im ersten Halbjahr erzielten diese Unternehmen einen Umsatz von zusammen rund 68 Milliarden Dollar mit Covid-Impfstoffen und -Medikamenten. Das entspricht einem Plus von rund 90 Prozent gegenüber dem Vorjahrszeitraum. Das Covid-Geschäft war damit abermals der maßgebliche Wachstumstreiber für die Branche und trug mehr als zwei Drittel zu den Umsatzsteigerungen im Pharmasektor bei.
Unter den 20 umsatzstärksten Pharmafirmen, darunter die beiden Biotech-Aufsteiger Biontech und Moderna, profitierte jede zweite von Corona-Impfstoffen oder -Medikamenten.
Mit weitem Abstand führt dabei der Branchenführer Pfizer mit fast 32 Milliarden Dollar Covid-Umsatz das Feld an. Der US-Konzern profitiert aktuell von dem zusammen mit Biontech entwickelten Impfstoff Comirnaty und von seinem Covid-Medikament Paxlovid, das von diversen Regierungen in großem Stil geordert wurde – allerdings bislang nur beschränkt verabreicht wird.
Insgesamt konnten die 20 größten Arzneimittelhersteller ihre Erlöse im ersten Halbjahr um fast 15 Prozent auf zusammen 382 Milliarden Dollar steigern. Klammert man das Covid-Geschäft aus, verbleibt auf Dollar-Basis ein Wachstum von etwa 4,5 Prozent im etablierten Arzneimittelgeschäft. Währungsbereinigt dürfte das einer realen Umsatzsteigerung von etwa sieben Prozent entsprechen.
Im Covid-Bereich verzeichneten neben Pfizer vor allem der US-Konkurrent Merck & Co (mit seinem antiviralen Mittel Lagevrio) sowie die britischen Pharmakonzerne GSK und Astra-Zeneca (mit ihren Antikörpermedikamenten) starke Zuwächse gegenüber dem Vorjahr. Auch der Impfstoff-Hersteller Moderna wuchs im Halbjahr um 72 Prozent und damit weit überdurchschnittlich, während Biontech gegenüber den bereits hohen Erlösen im ersten Halbjahr 2021 nur noch um 17 Prozent zulegen konnte.
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Für fast alle Akteure gilt indes: Im zweiten Halbjahr werden Umsätze und Wachstumsraten deutlich niedriger ausfallen. Die bisherigen Prognosen der Firmen sprechen alles in allem für einen Anstieg der Covid-Erlöse im Gesamtjahr um 14 bis 16 Prozent auf etwa 110 Milliarden Dollar, gegenüber rund 96 Milliarden Dollar im Vorjahr. Daraus wiederum lässt sich ableiten, dass das Covid-Geschäft im zweiten Halbjahr insgesamt etwa 40 Prozent niedriger ausfallen dürfte als im ersten Halbjahr und ein Drittel niedriger als im Vorjahr.
Das liegt in erster Linie daran, dass milliardenschwere Impfstoff-Bestellungen inzwischen überwiegend ausgeliefert sind, während weltweit von Endverbrauchern relativ wenig Impfstoff nachgefragt wird und Regierungen kaum noch neue Verträge abschließen.
Vor allem die Nachzügler in der Impfstoff-Entwicklung haben dadurch einen schweren Stand. Das amerikanische Biotechunternehmen Novavax, dessen proteinbasierter Covid-Impfstoff inzwischen sowohl in der EU als auch in den USA zugelassen ist, musste in der vergangenen Woche seine Umsatzprognose für 2022 sogar halbieren, auf zwei bis 2,3 Milliarden Dollar. Als Grund nannte Firmenchef Stanley Erck, dass erwartete Bestellungen der US-Regierung und der Impfstoff-Allianz Gavi ausgeblieben sind.
Unterdessen hat die EU jüngst einen Liefervertrag mit der französischen Valneva neu ausgehandelt und dabei das Liefervolumen auf bescheidene 1,25 Millionen Dosen reduziert. Ursprünglich war für den Totimpfstoff von Valneva einmal der Bezug von 60 Millionen Dosen vorgesehen.
Valneva-Labor
Die EU-Staaten haben ihre Bestellungen für Valnevas Tot-Impfstoff drastisch reduziert.
Bild: AP
Für Pfizer ergibt sich aus der aktuellen Guidance für 2022, dass im zweiten Halbjahr noch Impfstofferlöse von rund zehn Milliarden Dollar verbucht werden, gegenüber mehr als 20 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr. Lediglich bei Moderna dürften die Erlöse mit rund zehn Milliarden Dollar im zweiten Halbjahr noch nahezu konstant bleiben.
Auch was Covid-Medikamente angeht, ist der Zenit der Nachfrage offenbar überschritten. Lediglich beim Pfizer-Mittel Paxlovid dürften sich Umsätze aufgrund bestehender Lieferverträge im zweiten Halbjahr noch erhöhen.
Bei allen anderen Herstellern werden sie voraussichtlich deutlich geringer ausfallen als in der ersten Jahreshälfte. Merck & Co etwa kalkuliert für Lagevrio mit Umsätzen von bis zu 5,5 Milliarden Dollar im Gesamtjahr, nach 4,4 Milliarden in der ersten Jahreshälfte.
Ähnlich ist der Trend bei den Anbietern von Antikörper-Präparaten gegen Covid. GSK-Finanzchef Iain Mackay verwies im jüngsten Quartals-Call darauf, dass man den Löwenanteil der erwarteten Covid-Umsätze im ersten Halbjahr getätigt habe. „Basierend auf den Verträgen mit Regierungen, gehen wir davon aus, dass die Umsätze im zweiten Halbjahr deutlich geringer sein werden“, so Mackay.
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