Nach dem überraschenden Führungswechsel beim Motorenhersteller spricht der Manager über seinen unvermuteten Aufstieg – und erklärt, wie er Investoren nun überzeugen will.
Sebastian Schulte
Der Manager ist neuer Vorstandschef von Deutz.
Düsseldorf Nach nur einem Jahr als Finanzchef steht Sebastian Schulte plötzlich an der Spitze der Deutz AG. Nach einer Krisensitzung des Aufsichtsrats wurde am vergangenen Samstagabend Vorstandschef Frank Hiller abberufen, Aufsichtsratschef Bernd Bohr gab den Vorsitz ab. Der Streit der zwei Unternehmenslenker hatte sich an der Berufung einer Frau in den Vorstand entzündet. Nun ist Schulte Chef des ältesten Motorenwerks der Welt.
Dabei will der Manager, der vor seinem Engagement bei Deutz als Finanzchef für die Werftensparte von Thyssen-Krupp verantwortlich war, den Neustart nutzen, um Ruhe ins Unternehmen zu bringen. Die bisherige Strategie sei richtig, „aber die Umsetzung muss schneller und besser werden“, sagt der Manager in seinem ersten Interview als Deutz-Chef. „Wir müssen den Umbau künftig konsequenter angehen und gleichzeitig die Profitabilität erhöhen.“
Dabei zeigt Schulte Verständnis für die Position einiger Investoren, die zuletzt das langsame Vorankommen bei den Renditezielen moniert hatten. „Investoren und Aktionäre werden immer sagen, es könnte schneller gehen“, so der Vorstandschef. Derzeit sei das Unternehmen etwa am Standort in Porz nur wegen Lieferengpässen nicht ausgelastet und kann deshalb die hohe Nachfrage nicht bedienen. „Insgesamt sind wir aber auf einem guten Weg.“
Herr Schulte, der Dauerstreit zwischen Vorstandschef und Aufsichtsrat hat Ihnen zum Karrieresprung verholfen. Sind Sie glücklich damit?
Die Umstände waren sicher etwas ungewöhnlich, aber ich bin froh, dass jetzt mit dem Wechsel Ruhe einkehrt. Ich möchte mit dem neuen Team und dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden nach vorn schauen.
Glauben Sie wirklich, dass bis zur Hauptversammlung im April Ruhe einkehrt? Es gibt doch erheblichen Unmut bei Aktionären und Investoren.
Das empfinde ich etwas anders – zumindest mit Blick auf das operative Geschäft und unsere Strategie. Genau dazu bin ich als CFO und in meiner neuen Rolle mit Aktionären und Investoren in einem engen Austausch. Der gesamte Vorstand konzentriert sich auf das operative Geschäft. Zugleich wissen wir, wie wichtig gerade jetzt der vertrauensvolle Austausch mit dem Kapitalmarkt ist. Das Geschäft bei Deutz läuft gut, wir werden das Geschäftsjahr 2021 im Rahmen der gegebenen Guidance abschließen. Dass zu den Ereignissen der letzten Tage auf der Hauptversammlung Fragen gestellt werden, ist verständlich – und wird dann im Wesentlichen ein Thema des Aufsichtsrats sein.
Was war Ihre erste Amtshandlung?
Ich habe heute in großer Runde die Fragen der Führungskräfte beantwortet. Wir kommunizieren mit den wesentlichen Stakeholdern und werden in dieser und der nächsten Woche auch mit den Investoren, Kunden und Lieferanten sprechen.
>> Lesen Sie hier zur Führungskriese bei Deutz: Deutz-Chef Frank Hiller muss gehen – Chefaufseher Bohr wechselt ins zweite Glied
Deutz ist das älteste Motorenwerk der Welt. Ihnen fehlt als Wirtschaftswissenschaftler wichtige Technikexpertise. Spielt das eine Rolle?
Wir haben ein starkes Vorstands- und Führungsteam, das steht für die Innovationskraft und Fortschrittlichkeit bei Deutz. Gefühlt bin ich nach 13 Jahren in Industrieunternehmen ein sehr technikaffiner, lernwilliger Allrounder, das sehe ich eher als Vorteil.
Inwiefern?
Natürlich bin ich ein ausgebildeter Kaufmann – habe aber immer in technologiegeprägten Unternehmen gearbeitet, zuletzt drei Jahre als Finanzchef von Thyssen-Krupp Marine Systems. Meine Auffassung des Jobs ging dabei immer über Rechnungswesen und Buchhaltung hinaus. Ich bin dafür bekannt, dass ich auch ins Werk gehe und mir selbst einen Überblick verschaffe. Ich habe bei Thyssen-Krupp die Restrukturierung des Stahlgeschäfts in Brasilien vor dem Verkauf des Werks vorangetrieben. Das war auch sehr technisch getrieben. Zudem gibt es eine Menge Bespiele für technisch getriebene Unternehmen, die nicht von Ingenieuren geführt werden und erfolgreich sind. Denken Sie zum Beispiel an Elring-Klinger, Norma oder auch Schaeffler.
Sie sind nun CEO, und Deutz braucht im Vorstand bald eine Frau im Vorstand, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Bleibt es da beim bisherigen Zuschnitt der Ressorts?
Das ist so nicht korrekt, in der aktuellen Aufstellung mit drei männlichen Vorständen sind wir gesetzeskonform aufgestellt. Richtig ist, dass der Aufsichtsrat bewusst eine Frau bestellen möchte. Wie die Ressortverteilung nach Antritt einer Vorständin aussehen wird, ist Aufgabe des Aufsichtsrats, aber wir werden da eingebunden sein.
Und welche Aufgabenverteilung schwebt Ihnen vor?
Egal, wie der Zuschnitt am Ende sein wird, wir werden das als Team hinbekommen. In der Teamarbeit können wir bei Deutz in Zukunft allerdings noch besser werden. Wenn wir als Team im Vorstand gut zusammenarbeiten, dann verschwindet die Bedeutung der strengen Abtrennung der Ressorts. Der Aufsichtsrat wird eine geeignete Lösung finden, und dann wird es nicht entscheidend sein, welche Person welche Aufgabe erfüllt. Wir sind in Bezug auf unsere Produkte in einer sehr spannenden Phase der technologischen Transformation.
Gibt es denn aus der Zeit Ihres Vorgängers einen Wertberichtigungsbedarf in Bezug auf Akquisitionen, die etwa für die Elektrifizierungsstrategie getätigt wurden?
Nein, aus heutiger Sicht nicht.
Bleibt es dann bei der bisherigen strategischen Ausrichtung? Ihr Vorgänger hatte das Unternehmen zuletzt stark auf die Elektrifizierung ausgerichtet, wollte aber auch eine aktive Rolle bei der Konsolidierung im Dieselmotorsektor spielen.
Die Strategie ist richtig, aber die Umsetzung muss schneller und besser werden. Wir werden unsere Nachhaltigkeitsstrategie mit Elektro- und Wasser‧stoffmotoren bis hin zu Brennstoffzellen mit Nachdruck weiterverfolgen. Wir haben zwar nicht den Anpassungsdruck der Autoindustrie, aber er wird auch bei unseren Motoren für Baumaschinen, Landwirtschaft und Schiffen stärker werden. Dabei müssen wir aber dafür sorgen, dass unsere klassischen Motoren nicht auf der Strecke bleiben. Unser Ziel ist es, dass bis 2030 die Hälfte unserer Motoren keine fossilen Brennstoffe verwendet. Das müssen wir schaffen. Aber das bedeutet auch, dass wir für die andere Hälfte noch klassische Motoren brauchen.
Deutz-Werk in Köln
Das Traditionsunternehmen hat einen abrupten Chefwechsel hinter sich.
Bild: DEUTZ AG
Das klingt aber noch nicht nach neuen Impulsen.
Die Strategie mit unserem neuen Green-Segment haben wir vergangenes Jahr gemeinsam im Vorstand erarbeitet. Sie ist richtig und wichtig für Deutz. Aber wir müssen den Umbau künftig konsequenter angehen und gleichzeitig die Profitabilität erhöhen. Denn wir müssen die Reise ja bezahlen. Zudem müssen wir das Servicegeschäft stärken, da es Verbrennungsmotoren trotz sinkendem Neugeschäft noch lange bei unseren Kunden im Off-Highway-Bereich geben wird. Mit der Motorenwartung lässt sich noch lange gut Geld verdienen. Da bleiben wir am Ball, auch durch Zukauf.
Ihr niederländischer Investor hat sich beschwert, dass die Renditeziele nicht schnell genug erreicht werden. Was sagen Sie dazu?
Wir haben für die Ebit-Marge ein Mittelfristziel von sieben bis acht Prozent. Das hat Deutz noch nie vorher geschafft. Wir setzen uns also ambitionierte Ziele. Aktuell sind wir hier in Porz nur wegen Lieferengpässen nicht ausgelastet und können deshalb die höhere Nachfrage nicht voll bedienen. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg.
Ist die Kritik ungerechtfertigt?
Investoren und Aktionäre werden immer sagen, es könnte schneller gehen. Sicherlich ist es richtig, dass es immer Optimierungspotenziale gibt, um noch besser zu werden. Mit den in den letzten Jahren getroffenen Maßnahmen sollten wir eine kontinuierliche operative Verbesserung erzielen, wie von unseren Investoren gefordert.
Deutz hat das Engagement in China unter Ihrem Vorgänger deutlich ausgebaut. Welche Rolle spielt das für Ihr Unternehmen künftig?
Wir haben in China ja eine kleine eigene Fertigung und das Joint Venture mit dem chinesischen Baumaschinenhersteller Sany. Wir bauen eine gemeinsame Fabrik mit einer Kapazität von bis zu 200.000 Motoren, die Ende 2022 fertig werden soll. Wir bekommen über Sany, die ja gleichzeitig unser größter Kunde sind, einen sehr guten Zugang zum Markt. Das bietet uns Chancen, aber auch Risiken.
Welche?
Sany baut unsere Motoren auch in Lkws ein, und dieser Markt hat sich im vergangenen Halbjahr abgekühlt. Aber wir stellen Deutz so auf, dass wir nicht zu stark von China abhängig werden. Die Wirtschaftsräume sind insgesamt nicht mehr so verbunden, wie sie einmal waren. Deshalb sind wir ganz froh, dass wir in China und Indien über unabhängige Lieferketten verfügen, über die sich die einzelnen Standorte selbst versorgen können.
Sany hat den Betonpumpenhersteller Putzmeister für eine Milliarde Euro gekauft. Wenn man Deutz und Sany sieht, fragt man sich, ob Unternehmen aus China die Technologie zum Nulltarif bekommen.
Das ist nicht der Fall. Das sind harte, aber geordnete Verhandlungen. Die Margen decken sich mit dem, was wir sonst auf dem Markt bekommen.
Wirklich?
Ja, wir waren sogar operativ besser unterwegs als geplant, bevor der Lkw-Markt sich im letzten Jahr so stark abgekühlt hat. Um in China erfolgreich zu sein, sollte man mit einem starken lokalen Partner unterwegs sein. Mit Sany haben wir so einen Partner. Auch die Autobauer arbeiten in der Regel in Gemeinschaftsunternehmen.
Herr Schulte, vielen Dank für das Interview.
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