Zur Hauptversammlung erhöht der Technologiekonzern die Prognosen. Anlegervertreter fordern Akquisitionen und Abspaltungen. Doch der CEO will an der Healthineers-Mehrheit festhalten.
Jim Hagemann Snabe, Roland Busch und Ralf P. Thomas bei der Hauptversammlung
Vor dem Aktionärstreffen hatte Busch gute Zahlen für das erste Quartal vorgelegt und die Prognosen erhöht.
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München Nach einem starken Start ins neue Geschäftsjahr hat Siemens-Chef Roland Busch den auf weitere Fortschritte drängenden Aktionären weiteres Wachstum versprochen. „Wir nehmen das sportlich: Schneller geht immer“, sagte der CEO am Donnerstag vor der Hauptversammlung. Auch Akquisitionen seien vorstellbar. Doch gewinne Siemens derzeit auch aus eigener Kraft Marktanteile und sei gut unterwegs.
Vor dem Aktionärstreffen hatte Busch gute Zahlen für das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahrs 2022/23 (30. September) vorgelegt und die Gewinn- und Umsatzprognosen erhöht. Die Siemens-Aktie war daraufhin mit einem Plus von zwischenzeitlich mehr als acht Prozent auf 151 Euro stärkster Dax-Wert.
Die Investoren lobten durchaus die Fortschritte. „Herr Busch hat den Tanker wieder flottgemacht“, sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment. „Bei Siemens sprudeln die Gewinne und der Cashflow.“
Doch hinke Siemens bei der Börsenbewertung den Wettbewerbern weiter deutlich hinterher. Siemens sei zu wenig in Sachen Akquisitionen und Beteiligungsverkäufen aktiv. „Hier ist so gut wie nichts passiert.“
Es gebe „zahlreiche Perlen in der Siemens-Schatzkiste, die auf ihre Entdeckung durch den Kapitalmarkt warten“. Portfolio-Managerin Vera Diehl von Union Investment plädierte dafür, dass sich Siemens von Healthineers trennt. „Siemens muss weg von der Konglomeratsstruktur, weniger ist mehr.“ Busch sagte aber, er wolle langfristig an der Mehrheit an der Medizintechnik-Tochter festhalten.
Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe lobte die Führung um Busch demonstrativ. „Siemens ist ein Wachstumsunternehmen geworden.“ Von 2009 bis 2019 sei der Konzern im Durchschnitt nur um durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr gewachsen. Seither habe der Konzern deutlich beschleunigt.
Im ersten Quartal 2022/23 bestätigte sich der Trend. Der Umsatz stieg – auch durch Preiserhöhungen – um vergleichbar acht Prozent auf 18,1 Milliarden Euro. Das Wachstum kam auch zustande, weil Siemens den Orderbestand schneller abarbeitete. „Dabei kommt uns entgegen, dass die Engpässe in den Lieferketten abnehmen“, sagte Busch.
Der Auftragseingang sank zwar um acht Prozent auf 22,6 Milliarden Euro. Doch lag auch er über den Erwartungen einiger Analysten. Im Vorjahreszeitraum hatten Großaufträge unter anderem für die Zugsparte Mobility den Wert erhöht. Der Auftragsbestand liegt nun auf vergleichbarer Basis auf einem Rekordwert von 102 Milliarden Euro.
„Aufgrund der starken Nachfrage nach unserem Portfolio haben unsere Geschäfte ihre Zurückhaltung bei den Betriebs- und Investitionsausgaben gelockert“, sagte Busch. Die Sparten investierten wieder „schrittweise und gezielt“. Die Investitionsprogramme, die viele Länder aufgelegt haben, gäben dem Geschäft Rückenwind.
Sorge bereitet Investoren eine mögliche zu große Abhängigkeit von China. Das Handelsblatt hatte berichtet, dass Busch mit dem internen Projekt „Marco Polo“ unter anderem die Umsätze der Kernsparte Digital Industries bis 2025 verdoppeln will.
Jim Hagemann Snabe bei der Hauptversammlung
Der Aufsichtsratschef lobte die Führung um Busch demonstrativ.
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„Siemens muss die Abhängigkeiten von einzelnen Ländern und Regionen auch unter geopolitischen Risiken im Blick behalten, ordnen und für mehr Diversifikation sorgen“, erklärte Speich von der Deka. Dies gelte „im besonderen Maße“ für Buschs Chinastrategie.
Das operative Ergebnis verbesserte sich von Oktober bis Dezember um neun Prozent auf 2,7 Milliarden Euro. Dies war der bislang höchste Wert in einem Auftaktquartal und entspricht einer Marge von 15,6 Prozent nach 15,7 Prozent im Vorjahreszeitraum.
Den Gewinn steigern konnten aber nur die Sparten Digital Industries mit der Industrieautomatisierung und Smart Infrastructure mit der Gebäudetechnik. Dagegen sanken die Ergebnisse bei Siemens Healthineers – vor allem wegen des auslaufenden Schnelltest-Booms – und bei Mobility. Das Nettoergebnis sank im Konzern im ersten Quartal wegen verschiedener Sondereffekte um neun Prozent auf 1,6 Milliarden Euro.
Im Gesamtjahr erwartet Busch im Konzern nun ein Umsatzwachstum von sieben bis zehn Prozent auf vergleichbarer Basis statt bislang sechs bis neun Prozent. Die Sparte Digital Industries soll nun um bis zu 15 Prozent wachsen, Smart Infrastructure um bis zu zwölf Prozent. Auch die Ergebnisprognose hob Siemens leicht an. Beim Gewinn je Aktie vor Sondereffekten geht der Konzern nun von 8,90 bis 9,40 Euro aus (zuvor 8,70 bis 9,20 Euro).
Schon im vergangenen Geschäftsjahr 2021/2022 hatte Siemens einen operativen Rekordgewinn von 10,3 Milliarden Euro erzielt. Der Umsatz hatte sich um vergleichbar acht Prozent auf knapp 72 Milliarden Euro verbessert.
Besonders gut entwickelte sich zuletzt die Vorzeigesparte Digital Industries (DI). Im ersten Quartal stiegen die Umsätze um vergleichbar 15 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro. Die Automatisierungstechnik wuchs dabei mit einem Plus von 23 Prozent überproportional.
Siemens ist auf diesem Feld Weltmarktführer. Die Softwareumsätze von DI gingen dagegen – laut Busch erwartungsgemäß – um sechs Prozent zurück. Dies liegt vor allem an der Umstellung auf ein Software-as-a-Service-Mietmodell. Die Kunden zahlen künftig regelmäßig Gebühren für die Nutzung statt auf einen Schlag für eine Lizenz. Die Marge von Digital Industries liegt bei guten 22,5 Prozent.
Damit schlug sich Siemens erneut besser als manche Konkurrenten. So steigerte der US-Spezialist Rockwell Automation die Umsätze im ersten Quartal 2022/2023 um knapp zehn Prozent auf fast zwei Milliarden Dollar. Der operative Gewinn stieg um rund 13 Prozent auf 401 Millionen Dollar. Dies entsprach einer Marge von 20,2 Prozent.
Der Schweizer Konkurrent ABB steigerte den Umsatz im vierten Kalenderquartal um 16 Prozent auf 7,8 Milliarden Dollar. Der Auftragseingang legte um zwei Prozent auf 7,6 Milliarden Dollar zu. Das operative Ergebnis verbesserte sich um 16 Prozent auf 1,1 Milliarden Dollar, was einer Marge von 14,8 Prozent entsprach.
Siemens ist ein Wachstumsunternehmen geworden. Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe am Donnerstag
Die Kapitalmärkte waren lange abwartend, ob Siemens die Transformation zu einem wachstumsstarken Digitalkonzern mit einer starken Hardware-Basis gelingt. Doch seit Oktober hat der Kurs angesichts der guten Wachstumszahlen und des Optimismus für das laufende Jahr um mehr als 50 Prozent zugelegt.
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