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13.03.2023

17:50

Seagen

Pfizer übernimmt Krebsspezialisten für 43 Milliarden Dollar – Aktionäre erhalten hohen Kaufpreis

Von: Siegfried Hofmann

Der US-Pharmakonzern reinvestiert mit dem Zukauf seine Covid-Erträge. Es ist der größte Deal in der Branche seit vier Jahren.

Der US-Pharmakonzern übernimmt den Krebsspezialisten Seagen für 43 Milliarden Dollar. AP

Pfizer-Logo

Der US-Pharmakonzern übernimmt den Krebsspezialisten Seagen für 43 Milliarden Dollar.

Frankfurt Der US-Konzern Pfizer nutzt seine Milliardeneinnahmen aus der Coronapandemie und plant die größte Übernahme in der Pharmabranche seit gut vier Jahren. Für rund 43 Milliarden Dollar will Pfizer das Biotechunternehmen Seagen kaufen und damit seine Produktpipeline im Bereich der Krebsmedikamente deutlich verstärken.

„Zusammen wollen Pfizer und Seagen die nächste Generation von bahnbrechenden Krebsmedikamenten voranbringen“, sagte Pfizer-Chef Albert Bourla zu der Übernahme. Die Aktionäre von Seagen sollen 229 Dollar je Aktie erhalten – und damit einen Aufschlag von fast einem Drittel zum Schlusskurs vom vergangenen Freitag.

Die Übernahme bestätigt die Erwartung vieler Branchenbeobachter, dass die Akquisitionsflaute aus dem vergangenen Jahr vorüber sein dürfte. Erst im Dezember hatte der amerikanische Pharma- und Biotechkonzern Amgen die Übernahme der irischen Horizon Pharmaceuticals für 28 Milliarden Dollar verkündet.

Ein weiteres Indiz dafür ist der 2,9 Milliarden Dollar teure Erwerb des Biotechunternehmens Provention Bio, den der französische Pharmariese Sanofi ebenfalls am Montag ankündigte.

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Die Patente auf wichtige Umsatzbringer vieler großer Pharmakonzerne laufen in den kommenden Jahren ab. Dadurch stehen die Konzerne unter Druck, ihre Produktsortimente mit neuen, innovativen Medikamenten zu ergänzen – auch durch den Kauf von Biotechunternehmen und deren Entwicklungen. Durch die hohen Einnahmen aus dem Coronageschäft und verschiedene Abspaltungen und Verkäufe in den vergangenen Jahren verfügen die Pharmakonzerne zudem über eine sehr solide Finanzkraft.

Pfizer rechnet nach Coronaboom mit Umsatzeinbruch

Pfizer verdreifachte den eigenen Nettogewinn in den vergangenen beiden Jahren auf 31 Milliarden Dollar vor allem durch den zusammen mit Biontech entwickelten Covidimpfstoff Comirnaty und das Covidmedikament Paxlovid. Das Covidgeschäft schrumpft nun jedoch deutlich, während das sonstige Pharmageschäft nur moderat wächst. Zudem laufen auch bei Pfizer in den nächsten Jahren wichtige Patente ab.

Der Konzern will deshalb bis 2030 sein Umsatzpotenzial durch Akquisitionen um 25 Milliarden Dollar steigern. Etwa zehn Milliarden Dollar davon hat sich Pfizer nach eigener Einschätzung bereits in den letzten beiden Jahren durch kleinere Deals gesichert. Dazu gehörte etwa der Kauf der Biotechfirmen Biohaven und Global Blood Therapeutics.

Den Produkten der neuen Akquisition Seagen traut Pfizer bis 2030 einen „risikobereinigten“ Umsatz von weiteren zehn Milliarden Dollar zu und käme damit dem eigenen Ziel deutlich näher. 2022 machte Seagen einen Umsatz von rund zwei Milliarden Dollar mit insgesamt vier zugelassenen Krebsmedikamenten und Lizenzeinnahmen.

Auch Merck & Co. interessierte sich für Seagen

Im Onkologiegeschäft ist Pfizer mit 24 vermarkteten Produkten und zuletzt rund zwölf Milliarden Dollar Umsatz aktuell siebtgrößter Anbieter. Das Segment gilt aufgrund des hohen medizinischen Bedarfs und Fortschritten in der Forschung als potenzieller Wachstumsmarkt. Allerdings sanken die Umsätze mit Onkologieprodukten von Pfizer und etlichen anderen Herstellern im vergangenen Jahr wegen Patentabläufen zum ersten Mal seit Jahren. Mit der Übernahme von Seagen will Pfizer nun beim Produktsortiment und der Technologiebasis gegensteuern.

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Das 1998 gegründete Biotech-Unternehmen Seagen mit Sitz in Bothell nahe Seattle und gut 3000 Mitarbeitern gilt als Vorreiter auf dem Feld der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, einer neuen Klasse von Krebsmedikamenten, die derzeit für Furore im Markt sorgt. Dabei werden Antikörper mit einem Zellgift gekoppelt, das auf diese Weise gezielt zu den Tumorzellen transportiert wird. Auch der US-Pharmakonzern Merck & Co. soll sich deshalb im vergangenen Jahr bereits für eine Übernahme von Seagen interessiert haben.

Insgesamt ist bisher rund ein Dutzend solcher Antikörperkonjugate zugelassen, weitere 100 befinden sich in klinischen Tests. Auch deutsche Biotech-Firmen wie Heidelberg Pharma und das Münchener Start-up Tubulis arbeiten auf dem Gebiet. Als besonderer Erfolg für die Wirkstoffklasse gilt derzeit vor allem das von Daiichi Sankyo und Astra-Zeneca entwickelte Krebsmedikament Enhertu, das bei bestimmten Formen von Brustkrebs sehr gute Wirkung zeigte.

Für Pfizer ist der Seagen-Erwerb der größte Zukauf seit der 67 Milliarden Dollar schweren Übernahme des Pharmaunternehmens Wyeth 2009. Zu weiteren größeren Übernahmen in der Branche im letzten Jahrzehnt gehörten die Übernahme des Biotechunternehmens Celgene durch Bristol-Myers Squibb für 74 Milliarden Dollar, der Kauf des Botox-Herstellers Allergan durch Abbvie für 63 Milliarden Dollar sowie der von Alexion durch Astra-Zeneca für 39 Milliarden Dollar.

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