Lange Zeit war eine Zusammenarbeit mit den Kaliforniern in Wolfsburg tabu. Jetzt deutet der Softwarechef eine Wende an. Als erste Marke könnte Audi profitieren.
Neuer VW-eigener App-Store
Offen für Google.
Bild: Cariad
Düsseldorf In Autos des Volkswagen-Konzerns könnten künftig Google-Anwendungen laufen. Das ließ die Softwareeinheit Cariad vor der Präsentation eines neuen VW-eigenen App-Stores durchblicken. Apps von Google stehen zwar zum Start des Stores noch nicht in der Liste. „Eine Integration ist aber möglich“, sagte Cariad-Softwarechef Dirk Hilgenberg im Vorfeld der Präsentation.
Man stehe kontinuierlich im Austausch mit den Kaliforniern. Auch im VW-Konzern bestätigt man das Vorhaben. „Der Prozess läuft und wird je Marke entschieden“, heißt von einer Führungskraft auf Topebene. Mit Blick auf die Positionierung der Fahrzeuge im Markt müsse man jedoch „sehr dezidiert“ vorgehen, nicht zuletzt mit Blick auf die Datenhoheit. Bei der Öffnung für Google hatte vergangene Woche Premiumhersteller Mercedes vorgelegt.
Der App-Store schafft schon einmal die Rahmenbedingungen, um Google-Anwendungen zu integrieren. Hilgenberg sagte bei der Präsentation des App-Stores auf dem Mobile World Congress in Barcelona: „Wir werden das Erlebnis im Auto auf die nächste Stufe heben, indem wir die digitale Welt der Kunden des Volkswagen-Konzerns nahtlos in das Auto integrieren.“
Die erste Marke, die den Store in mehreren Modellen integriert, ist Audi. Demnach soll die Plattform ab Juli in Europa, Nordamerika und den Überseemärkten in den Modellen A4, A5, Q5, A6, A7, A8, Q8 e-tron und e-tron GT verfügbar sein. Danach würden sukzessive weitere Marken folgen, kündigte Cariad an.
Neben Apps der einzelnen VW-Marken bietet der Store auch Zugang zu Inhalten anderer Anbieter, mit denen der Konzern kooperiert. Zum Start sollen 34 Programme von Drittunternehmen mit VWs neuer App-Oberfläche kompatibel sein, darunter die Social-Media Plattform Tiktok, aber auch Musikstreamingdienste wie Spotify oder Amazon Music.
Google drängt schon länger in die Cockpits der Autoindustrie, deutsche Hersteller verfolgen aber seit Jahren eigene Softwareansätze. Mit seinem App-Store, für den Cariad mit der Samsung-Tochter Harman zusammenarbeitet, schafft Volkswagen die Basis für das, was Konkurrenten bereits praktizieren. So nutzt eine Reihe von Automarken wie Volvo, Polestar oder Renault komplette Infotainmentsysteme des kalifornischen Tech-Konzerns.
Cariad-Chef Hilgenberg
„Wissen, was Google der Industrie anbietet.“
Bild: Volkswagen
Tesla verwendet Google für die Kartendarstellung auf dem Bildschirm, nicht aber für die Navigation. Mercedes wiederum will Google Maps nutzen, um die Karten in sein eigenes Betriebssystem unter eigenem Logo einzubetten und auch zur Navigation zu nutzen. Die Hoheit über die Kundendaten bleibe aber bei Mercedes, versprachen die Schwaben.
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VW setzt bei der Navigation aktuell noch auf Software des niederländischen Unternehmens Tomtom. Man wisse aber, „was Google als White-Label-Lösung der Industrie anbietet“, sagte Hilgenberg. Bei diesen Lösungen tritt die Marke des Anbieters zugunsten des Kunden in den Hintergrund. „Unser Ansatz ist es, ein offenes Ökosystem zu schaffen, um die verschiedenen Wünsche der Marken von VW zu erfüllen.“
Eine Integration von Google in die VW-Cockpits dürfte somit stark an den Bedürfnissen der Marken hängen. Bereits im Januar war öffentlich geworden, dass der Sportwagenbauer Porsche Apps von Google in seine Infotainmentsysteme lassen könnte.
Aus Unternehmenskreisen verlautet inzwischen, dass Porsche gar eine mögliche Integration von Google Automotive Services (GAS) anstreben könnte, eine Sammlung von Google-Anwendungen und -Diensten, die Autohersteller lizenzieren und in ihre fahrzeuginternen Infotainmentsysteme integrieren können. Eine Integration von GAS gilt in der Branche als die invasivste Form einer Google-Kooperation – vor allem mit Blick auf die Datenhoheit.
Eine Porsche-Sprecherin wollte den Stand der Verhandlungen auf Nachfrage nicht kommentieren und verwies auf ein früheres Statement, wonach sich „Porsche primär an den Wünschen seiner Kunden“ orientiere. Diese wollten „die ihnen bekannte digitale Welt von Apple oder Google nahtlos mit ins Auto nehmen“. Grundlage und „technologischer Backbone“ sei dabei immer die von Cariad entwickelte Softwareplattform, heißt es von Porsche.
Bislang basiert dieses Rückgrat im VW-Konzern auf dem Open-Source-Betriebssystem Android Automotive (AAOS), das Herstellern viele Freiheiten bei der Ausgestaltung ihrer Autosoftware lässt – obwohl Android zu Google gehört. Anders als technische Lösungen, in denen ein Handy mit dem Auto verbunden und gespiegelt wird, sind Betriebssysteme auf AAOS-Basis fest installiert und können unabhängig vom eigenen Handy genutzt werden.
Für VW ist jede weitere Öffnung gegenüber Google eine schrittweise Abkehr von alten Konzernglaubenssätzen. Lange Zeit sperrte man sich in Wolfsburg kategorisch gegen eine Zusammenarbeit mit dem US-Konzern. Zu groß war die Angst vor einem Kontrollverlust bei den Daten.
Unter Ex-Chef Herbert Diess hatte der Konzern deshalb zunächst ganz auf eine eigene Softwareentwicklung gesetzt. Sein Nachfolger Oliver Blume, der auch Porsche führt, setzt in Softwarefragen stärker auf Zusammenarbeit.
Kurz nach seinem Amtsantritt sagte Blume: „Ich bin offen für Partnerschaften. Wir wollen und können nicht alles selbst machen. Wenn es gute Lösungen am Markt gibt, dann muss ich sie nicht noch mal selbst entwickeln, sondern bin mit einem bewährten Partner schneller.“
Cariad-Chef Hilgenberg betont, dass die Datenfrage entscheidend für alle Formen der Integration sei. Man wolle den „Zugang zu unseren Kunden und die Datensicherheit“ aufrechterhalten. „Das ist der Grund, warum manche Gespräche länger dauern als andere – und das ist gut so.“ Cariad erlaubt Drittanbietern, über den App-Store nach Freigabe des Kunden Daten auszulesen, die für die jeweilige App notwendig sind, um dem Kunden den erwarteten Service zu bieten.
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Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst verwunderlich, dass VW die App Tiktok im App-Store zugelassen hat. Die Kurzvideo-App gehört zum chinesischen Konzern Bytedance. Datenschützer sehen in der App ein Einfallstor für Spionage. Mehreren Regierungsbeschäftigten in Brüssel und Berlin ist deshalb bereits untersagt worden, die App auf Diensthandys zu installieren. US-Behörden müssen die Tiktok-Nutzung innerhalb von 30 Tagen einstellen.
VWs Softwareeinheit erklärt daraufhin: Die App könne von Kunden nur dazu genutzt werden, um Inhalte anzuschauen, aber nicht, um sie selbst zu produzieren. „Es werden auch keine Fahrzeugdaten mit der App geteilt“, sagt ein Sprecher.
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