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11.08.2022

10:56

Erster Quartalsverlust seit fast zwölf Jahren. dpa

Siemens-Logo

Erster Quartalsverlust seit fast zwölf Jahren.

Technologiekonzern

Siemens macht ersten Quartalsverlust seit fast zwölf Jahren – das sind die Ursachen

Von: Axel Höpner

Vorstandschef Roland Busch gibt sich optimistisch: Operativ sei Siemens gut aufgestellt. Warum der Konzern trotzdem historisch hohe Verluste macht.

München Der Siemens-Konzern hat im abgelaufenen Quartal wegen einer Milliardenabschreibung auf die Beteiligung an Siemens Energy und weiterer Belastungen durch den Rückzug aus Russland hohe Verluste verbucht. Unter dem Strich stand ein Minus von gut 1,5 Milliarden Euro, teilte Siemens am Donnerstag mit. Es ist der erste Quartalsverlust seit fast zwölf Jahren.

Ohne diese Sondereffekte ist der Dax-Konzern weiter operativ solide unterwegs. Zwar bekam auch Siemens Herausforderungen wie die Lockdowns in China und die gestiegenen Materialkosten zu spüren. Der Umsatz legte im dritten Quartal des Geschäftsjahres aber noch um vergleichbar vier Prozent auf 17,9 Milliarden Euro zu.

„Siemens zeigt viele Stärken, die mich zuversichtlich stimmen“, sagte Vorstandschef Roland Busch. Insbesondere die Digitalgeschäfte seien weiter auf Wachstumskurs, und das Unternehmen gewinne Marktanteile. Der Konzern habe „die richtige Strategie, um selbst in unsicheren Zeiten erfolgreich zu sein“.

Abschreibung auf Beteiligung an Siemens Energy sorgt für hohen Quartalsverlust bei Siemens

Allerdings hat sich das Wachstum weiter verlangsamt: Im ersten Quartal 2021/22 hatte Siemens die Umsätze um vergleichbar 17 Prozent gesteigert, im zweiten dann noch um sieben Prozent.

Das operative Ergebnis der industriellen Geschäfte verbesserte sich – auch dank eines Verkaufserlöses – um 27 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Das entsprach einer Marge von 17 Prozent. Analysten hatten im Schnitt mit einem Umsatzanstieg von drei Prozent auf 17,5 Milliarden Euro und einer operativen Marge von gut 18 Prozent im industriellen Geschäft gerechnet.

Siemens hatte die Investoren wegen der Sonderbelastungen vorgewarnt. Daher sank der Kurs am Donnerstag nur leicht auf 108 Euro. Der Auftragseingang sei stark ausgefallen, sagte JP-Morgan-Analyst Andrew Wilson und empfahl weiterhin, die Aktie überzugewichten. Seit Jahresbeginn hat die Siemens-Aktie etwa 30 Prozent an Wert verloren.

Siemens-Chef Roland Busch via REUTERS

Siemens-Chef Roland Busch

Auf dem Weg zum Digitalkonzern muss der CEO mit Altlasten kämpfen.

Die hohen Verluste im dritten Quartal haben mehrere Ursachen: Hauptgrund ist die Abschreibung auf die Beteiligung an Siemens Energy. Der einstige Mutterkonzern hält noch 35 Prozent der Anteile an der Abspaltung. Da der Kurs von Siemens Energy seit Jahresbeginn um etwa 30 Prozent gesunken ist, minderte Siemens den Wert der Beteiligung in den Büchern um 2,7 Milliarden Euro.

Belastungen durch Ukrainekrieg und Probleme mit Siemens Gamesa

Wegen der Dauerkrise bei der Windkrafttochter Siemens Gamesa verbuchte Siemens Energy im dritten Quartal 2021/22 einen Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro. Im Umfeld von Siemens wurde betont, dass es sich bei der Abschreibung um einen rein buchhalterischen Effekt handle, der die Kassenlage nicht beeinflusse.

Zweite Sonderbelastung war der Ausstieg aus dem Russlandgeschäft. Siemens hatte zunächst das Neugeschäft eingestellt und dann den Komplettrückzug angekündigt. Dies bedeutet, dass auch das Service- und Wartungsgeschäft eingestellt wird. Im zweiten Quartal führte dies bereits zu Belastungen in Höhe von 600 Millionen Euro. Nun kamen noch einmal 600 Millionen Euro hinzu.

Operativ lief es für Siemens zwar insgesamt gut, doch auch hier gab es Effekte, die den Gewinn drückten. So ging das Ergebnis bei der Medizintechniktochter Healthineers wegen des nachlassenden Booms bei Corona-Schnelltests und höherer Kosten um zehn Prozent auf 715 Millionen Euro zurück.

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In der Vorzeigesparte „Digitale Industrien“ verschlechterte sich die operative Marge wie erwartet von 20,3 auf 18,3 Prozent. Verantwortlich dafür waren vor allem Engpässe bei Bauteilen für hochprofitable Elektronikprodukte. Hinzu kommt die Umstellung auf ein „Software as a Service“-Mietmodell, das dem Konzern langfristig höhere Erträge bringen soll.

Diese Effekte konnte Siemens durch gute Ergebnisse zum Beispiel in der Bahntechnik und der „Intelligenten Infrastruktur“ ausgleichen. Daher bestätigte der Konzern die Jahresprognose weitgehend. Beim Nettogewinn wird nun allerdings der Abschreibungseffekt rausgerechnet.

Siemens hatte zuletzt für das Gesamtjahr mit einem Umsatzwachstum von sechs bis acht Prozent gerechnet. Der Gewinn je Aktie nach Steuern sollte von 8,32 auf 8,70 bis 9,10 Euro steigen. Die Abschreibung drückt den Gewinn laut Finanzvorstand Ralf Thomas um 3,37 Euro je Aktie, sodass Siemens nun nur noch ein Ergebnis von 5,33 bis 5,73 Euro je Aktie erwartet.

Siemens-Chef Roland Busch blickt optimistisch nach vorn

Angesichts der weiteren Umsatzzuwächse und des Rekordauftragsbestands von 99 Milliarden Euro bleibt Busch insgesamt optimistisch. Auch die Risiken einer möglichen Gasknappheit seien für Siemens begrenzt, da die Produktion nicht sehr energieintensiv sei. Man sei darauf vorbereitet, die Fertigung bei einer Gaskrise aufrechtzuerhalten.

Auch bei der Konkurrenz lief es zuletzt noch ordentlich. Der Schweizer ABB-Konzern steigerte die Umsätze von April bis Juni um vergleichbar sechs Prozent auf 7,3 Milliarden Dollar. Das operative Ergebnis (Ebitda) verbesserte sich um neun Prozent auf 1,1 Milliarden Dollar, was einer Marge von 15,5 Prozent entsprach.

Beim US-Wettbewerber Rockwell Automation, auf den sie in München genau schauen, stiegen die Umsätze im dritten Quartal 2021/22 (30. September) um vergleichbar gut sieben Prozent auf knapp zwei Milliarden Dollar. Das operative Ergebnis verbesserte sich um elf Prozent auf 409 Millionen Dollar, was einer Marge von 20,8 Prozent entsprach. Den Korridor für die Wachstumsprognose für das Gesamtjahr senkte Rockwell leicht.

Siemens-Sparte Digital Industries wächst überproportional

Entscheidend für die weitere Entwicklung wird aber sein, ob die neue Digitalstrategie von Siemens aufgeht. Busch hatte vor einigen Wochen die neue Digitalplattform „Xcelerator“ angekündigt, über die Software und Hardware von Siemens verkauft werden sollen, aber auf einem Marktplatz auch Produkte von Drittanbietern.

Busch ist überzeugt, dass die globalen Unsicherheiten die Nachfrage nach Automatisierungstechnik eher noch erhöhen werden, weil Unternehmen zum Beispiel ihre Produktion wieder näher an die Heimat heranholen. Schon in den vergangenen Monaten wuchs die Sparte Digital Industries überproportional. So stiegen die Umsätze im dritten Quartal um vergleichbar zwölf Prozent auf 4,9 Milliarden Euro. Der Auftragseingang verbesserte sich sogar um rund ein Drittel auf 6,5 Milliarden Euro.

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