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27.05.2023

13:21

Tesla-Files

Tesla-Mitarbeiter sind geschockt: „Es sieht so aus, dass meine Daten geleakt wurden, und zwar alle"

Mitarbeiter und Tesla-Kunden reagieren verunsichert. Die IG Metall zeigt sich besorgt über den Umgang mit Personaldaten bei dem US-Autobauer.

Das Handelsblatt hat 100 Gigabyte Daten und insgesamt 23.398 Dokumente ausgewertet. dpa

Tesla-Fabrik in Grünheide

Das Handelsblatt hat 100 Gigabyte Daten und insgesamt 23.398 Dokumente ausgewertet.

Berlin, Düsseldorf, New York Die Gewerkschaft IG Metall hat die Führungsetage des US-Autoherstellers Tesla nach dem Datenleak scharf kritisiert. „Wir fordern die Konzernspitze von Tesla auf, die Beschäftigten sofort umfänglich über alle Verletzungen ihrer Datenschutzrechte aufzuklären“, sagte Dirk Schulze von der IG Metall Brandenburg dem Handelsblatt. Offenbar lägen persönlichste Daten der Beschäftigten für jede denkbare Form des Missbrauchs offen.

Das Handelsblatt hat über 100 Gigabyte an Daten ausgewertet, die nach Angaben von Informanten für viele Mitarbeiter auf den Tesla-Systemen zugänglich waren. Diese Tesla-Files umfassen 23.000 Dateien, unter anderem Excel-Listen, die offenbar Gehälter und Privatanschriften von mehr als 100.000 aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeigen. Darunter befinden sich auch Daten von Beschäftigten aus dem brandenburgischen Werk Grünheide.

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Schulze bezeichnete die Enthüllungen als „beunruhigend“. Wenn das Management verhindern wolle, dass sich solche Vorfälle wiederholten, sollte es eine Unternehmenskultur fördern, in der Beschäftigte Missstände ohne Angst offen zur Sprache bringen könnten, sagte Schulze.

Der Gewerkschafter warb dabei für die IG Metall, die bisher bei Tesla kaum Fuß fassen konnte: „Wie in allen anderen Unternehmen gilt auch bei Tesla: Selbstbewusste und gewerkschaftlich organisierte Belegschaften können am besten selbst dafür sorgen, dass ihre Rechte gewahrt bleiben.“

Mitarbeiter sind verunsichert, Tesla schweigt

In Grünheide warteten Mitarbeiter am Freitag vergeblich auf eine Stellungnahme ihres Arbeitgebers. „Von Tesla kam keinerlei Information, einfach nichts“, sagte ein Mitarbeiter dem Handelsblatt. Tesla habe sich so verhalten, als ob nichts passiert sei. Dies habe er aber auch nicht anders erwartet. „Der Konzern tut sich schwer damit, unangenehme Dinge offen und transparent zu kommunizieren“, so der Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte.

Dafür sei der Austausch unter den Mitarbeitern umso intensiver gewesen. „Wir waren sehr überrascht über die Berichterstattung und sind nun verunsichert,“ so der Mitarbeiter. Er selbst habe in dem vom Handelsblatt bereitgestellten Tool abgefragt, ob seine Daten betroffen sind. „Es sieht so aus, dass meine Daten geleakt wurden, und zwar alle“, teilte er mit. Es seien demnach Vertrags-, Identitäts-, Kontakt- und Gehaltsdaten betroffen.

Ich frage mich nun, was ich machen kann und werde, muss das Ganze aber erst einmal sacken lassen. Ein anonymer Tesla-Mitarbeiter

Im Gespräch bestätigte er anschließend die der Redaktion vorliegenden konkreten Informationen über sein Einstiegsdatum, seine Jobbeschreibung, das Gehalt sowie seine Privatadresse. „Ich frage mich nun, was ich machen kann und werde, muss das Ganze aber erst einmal sacken lassen.“

Auch zahlreiche andere Mitarbeiter sowie Kunden sind inzwischen mit der Redaktion in Kontakt. Die meisten sind an weiteren Informationen über die sie betreffenden Daten interessiert und stellten Fragen dazu. Andere forderten das Handelsblatt auf, ihre Daten aus Tesla-Files zu löschen.

Rechtsdienstleister bringen sich für mögliche Klagen in Stellung

Unterdessen wittern bereits erste Rechtsdienstleister ein Geschäft und bringen sich für mögliche Schadensersatzklagen gegen Tesla in Stellung. Die Europäische Gesellschaft für Datenschutz (EuGD) hat eine Seite eingerichtet, auf der sie Kunden und Mitarbeitern, die von den mutmaßlichen Datenschutzverstößen betroffen sind, anbietet, Schadensersatzansprüche zu prüfen. Das Unternehmen führt regelmäßig Verfahren im Zusammenhang mit Datenlecks.

Unter anderem strengte EuGD nach einem Datenleck beim Kreditkartenanbieter Mastercard mehrere Musterverfahren gegen das Unternehmen an. Anfang dieses Jahres endeten die Streitigkeiten mit einem Vergleich, Mastercard bot 2.000 Kunden je 400 Euro Schadensersatz an.

Tesla hat auf Anfrage des Handelsblatts einen Kommentar zu dem Datenleak bisher abgelehnt. Das US-Unternehmen fordert das Handelsblatt auf, Tesla eine Kopie der Daten zu übersenden und danach alle anderen Kopien unverzüglich zu löschen. Tesla verdächtigt einen Mitarbeiter, seinen Zugang als Servicetechniker missbraucht zu haben, „um Informationen zu exfiltrieren“. Der Autobauer teilte zudem mit: „Wie Sie wissen, ist die Verwendung illegal erlangter Daten für die Medienberichterstattung nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig.“ Das Handelsblatt hält diese Umstände für gegeben.

Auch international haben Medien die Berichterstattung inzwischen großflächig aufgegriffen, insbesondere auch im Tesla-Heimatmarkt USA. Fernsehsender wie CNBC und CNN berichteten, das Magazin „Wired" und die „Los Angeles Times" thematisierten die Files ausführlich.

Der „Los Angeles Times"-Journalist Russ Mitchell hakte zudem bei Tesla-Chef Elon Musk über den Social-Media-Kanal Twitter öffentlich nach: „Hey Elon Musk, gibt es einen Kommentar zu den Tausenden von Sicherheitsbeschwerden, über die das Handelsblatt berichtet hat, und zu den Anweisungen von Tesla an die Mitarbeiter, schriftliche Aufzeichnungen zu vermeiden?"

Daneben warf er die Frage auf: „Wann werden die Regulierungsbehörden handeln?“ Die US-Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission (FTC) wollte sich unterdessen auf Nachfragen des Handelsblatts dazu, ob sie sich mit den mutmaßlichen Datenschutzverstößen befasst, nicht äußern.

Die Behörde hatte in der Vergangenheit bei schwerwiegenden Datenschutzverstößen teils drastische Sanktionen verhängt. Der Facebook-Mutterkonzern musste 2020 die Rekordstrafe von fünf Milliarden US-Dollar zahlen.

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