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16.02.2022

13:55

Triebwerksbauer

Wird Airbus seine Antriebe in Zukunft selbst bauen? Zulieferer MTU sieht die Überlegungen gelassen

Von: Jens Koenen

Der Chef des Triebwerksspezialisten glaubt, dass es noch viele Jahre bis zum Wasserstoff-Flugzeug dauern wird. Ein prall gefülltes Orderbuch gibt ihm recht.

Baut Airbus seine Antriebe in Zukunft selbst? - MTU bleibt gelassen dpa

MTU

Ende 2021 standen Bestellungen im Volumen von 22,2 Milliarden Euro in den Büchern.

Frankfurt Die Idee sorgt in der Luftfahrtindustrie aktuell für Diskussionsstoff. Airbus überlegt, selbst in die Entwicklung von alternativen Antrieben mit Strom oder Wasserstoff einzusteigen. Bisher ist die Arbeit hier klar geteilt: Airbus baut die Flugzeuge, Zulieferer wie MTU Aero Engines kümmern sich zusammen mit großen Motorenherstellern wie Pratt & Whitney um die Antriebe. Die Überlegungen von Airbus würden diese Partnerschaft auf den Kopf stellen.

Doch Reiner Winkler, der Vorstandsvorsitzende von MTU Aero Engines, bleibt gelassen. „Ich halte das jetzt nicht für dramatisch“, sagte er am Mittwochvormittag bei der Präsentation erster Eckdaten für das abgelaufene Geschäftsjahr 2021. Im Moment gebe es im gesamten Markt sehr viel Bewegung.

„Die ganze Branche richtet sich neu aus, es gibt derzeit viele Gespräche zwischen den Herstellern und Zulieferern“, sagte Winkler mit Blick auf das große Thema Nachhaltigkeit. Es werde aber noch sehr lange dauern, bis Flugzeuge mit komplett neuen Antriebstechnologien in einer signifikanten Größenordnung auf dem Markt seien.

Entsprechend schwierig findet es Winkler, jetzt schon über mögliche Veränderungen bei der Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und Hersteller zu spekulieren. „Ob Airbus oder Boeing da selbst einsteigen, kann ich heute nicht beantworten“, so Winkler. Es sei überhaupt noch nicht absehbar, ob und welche Folgen die neuen Antriebstechnologien für den Anteil der MTU am Triebwerksbau künftig haben werden.

MTU produziert derzeit Niederdruckturbinen und Verdichter, beides sind zentrale Bauteile in Jet-Triebwerken. Das Unternehmen ist etwa bei dem PW1100G-JM-Motor von Pratt & Whitney dabei. Das Triebwerk gilt als sehr effizient und kommt unter anderem beim Kurz- und Mittelstreckenjet A320neo zum Einsatz, einem Bestseller von Airbus. Die zweite große Sparte ist die Wartung dieser Triebwerke. Daneben gibt es noch ein militärisches Geschäft. MTU ist zum Beispiel am geplanten europäischen Luftkampfsystem FCAS beteiligt.

Der Bau von zivilen Triebwerkskomponenten und das zivile Wartungsgeschäft sind die mit Abstand wichtigsten Geschäftsbereiche des Dax-Unternehmens. Im vergangenen Jahr entfielen vom Umsatz in Höhe von knapp 4,2 Milliarden Euro rund 90 Prozent auf diese beiden Sparten. Eine Verschiebung der Wertschöpfung beim Triebwerksbau etwa in Richtung Airbus oder Boeing hätte also signifikante Folgen – für MTU, die rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für die Investoren und Anteilseigner.

Experten sehen vorerst keine Gefahr für das Geschäftsmodell von MTU

Doch Experten geben Entwarnung: „Mittelfristig muss sich eine MTU überhaupt keine Gedanken um das eigene Geschäft machen, was die Idee von Airbus betrifft“, sagte Michael Santo von der auf Luftfahrt spezialisierten Beratungsfirma H&Z aus München. Die großen Hersteller hätten in der Vergangenheit immer wieder mal erklärt, in den Bau von Systemkomponenten wie etwa einer Hilfsturbine einzusteigen. „Das ist in der Regel der Versuch, oligopolistische oder monopolistische Strukturen in diesem Zuliefer-Segment zu knacken.“

„Es geht ja auch nicht nur um den Bau von Triebwerken“, so Santo weiter: „Der große Vorteil von Firmen wie MTU ist ja auch das weltweit verfügbare Servicenetz für die Wartung.“

Das prall gefüllte Orderbuch scheint diese Einschätzung zu bestätigen. Die Fluggesellschaften setzen darauf, dass die traditionelle Arbeitsteilung vorerst weiter bestehen bleibt. Ende 2021 hatte das Münchener Unternehmen Bestellungen mit einem Gesamtvolumen von 22,2 Milliarden Euro in den Büchern, ein neuer Rekord. Alleine in der zivilen Instandhaltung seien Aufträge über 4,6 Milliarden Dollar eingegangen, sagte Winkler: „Das ist vor allem vor dem Hintergrund der schwierigen Marktsituation ein Beleg für die starke Marktposition der MTU.“

Gleichzeitig wies Winkler darauf hin, dass auch MTU an neuen Flugzeugantrieben arbeitet. Als Beispiel nannte der Luftfahrt-Manager die Weiterentwicklung der von Pratt & Whitney auf den Markt gebrachten Getriebefan-Familie (GTF). Das gemeinsam mit dem Partner entwickelte GTF Advantage sei ein wichtiger Meilenstein „auf unserem Weg, nachhaltige und emissionsfreie Triebwerke zu entwickeln und damit die Nachhaltigkeit der Luftfahrt mitzugestalten“, sagte Winkler.

In diesem Bereich sowie für das wichtige Thema Digitalisierung würde mittlerweile auch wieder eingestellt, sagte der MTU-Chef. 200 Stellen hat das Unternehmen aktuell ausgeschrieben. Während der Pandemie hatte MTU durch verschiedene Maßnahmen rund 1100 Vollzeitstellen abgebaut. Auch Kurzarbeit ist kein Thema mehr. Die Werkstätten seien wieder gut gefüllt, so Winkler: „Die Airlines rechnen mit einem starken Sommer, das merken wir.“

Den Investoren scheinen diese Botschaften zu gefallen. Das MTU-Papier zählte am späteren Mittwochvormittag mit einem Kursplus von rund 2,5 Prozent zu den Gewinnern im Deutschen Aktienindex. Daran dürften auch die grundsätzlich guten Zahlen des Jahres 2021 Anteil gehabt haben.

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MTU hat zwar sein Umsatzziel verfehlt. Die Erlöse stiegen um fünf Prozent auf knapp 4,2 Milliarden Euro. Zuletzt hatte das Management einen Wert zwischen 4,3 und 4,4 Milliarden Euro prognostiziert. Doch nach Angaben von Finanzchef Peter Kameritsch haben sich Aufträge für das Luftkampfsystem FCAS in dieses Jahr verschoben. Das sei auch bei einigen Wartungsverträgen der Fall gewesen.

Auf der Gewinnseite profitierte MTU dagegen von seinem Sparkurs. Das operative Ergebnis legte um 13 Prozent auf 468 Millionen Euro zu, die Gewinnmarge stieg auf 11,2 Prozent nach 10,5 Prozent im Jahr 2020. Gleichzeitig musste das Unternehmen beim Programm der geplanten Embraer E175-E2 Wertberichtigungen in Höhe von 80 Millionen Euro vornehmen. Embraer habe sich dazu entschieden, die E175-E2 um drei Jahre in die Zukunft zu schieben. „Die Marktaussichten für das Flugzeug sind nach unserer Einschätzung deutlich schlechter geworden. Das ist nicht schön, aber notwendig“, sagte Kameritsch mit Blick auf die Wertberichtungen.

Für das laufende Jahr erwartet das Management einen Umsatz von 5,2 bis 5,4 Milliarden Euro. Das bereinigte Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) soll um einen „mittleren Zwanziger-Prozentbereich“ zulegen.

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