Nach langem Zögern wird der deutsche Teil des KI-Start-ups abgewickelt. Die Programmierer sollen zu VWs krisengeplagter Softwareeinheit wechseln.
Autonomer Test-VW in Hamburg
Volkswagen will die Belegschaft der deutschen Gemeinschaftsfirma von Argo AI übernehmen.
Bild: Argo AI
Düsseldorf, Berlin Der Autobauer Volkswagen will die Belegschaft der deutschen Gemeinschaftsfirma von Argo AI übernehmen. Bis zu 224 Beschäftigte würden übernommen, erfuhr das Handelsblatt aus Konzernkreisen. Diese Zahl habe Thomas Sedran, Vorstand der IT-Tochter Cariad, am Mittwoch auf einer Mitarbeiterversammlung genannt. Argo AI ist auf die Bereiche Künstliche Intelligenz (KI) und autonomes Fahren spezialisiert.
Neben den Wolfsburgern war auch der US-Autobauer Ford an der Gesellschaft beteiligt, die in der Spitze weltweit mehr als 2000 Mitarbeiter beschäftigte. Im vergangenen Oktober hatten die Hersteller jedoch das Aus für Argo angekündigt, die Entwicklung selbstfahrender Autos hatte länger gebraucht als geplant.
Die Hoffnung auf fahrerlose Fahrzeuge gibt VW indes nicht auf: Automatisiertes Fahren werde den Verkehr sicherer und komfortabler machen, sagte Sedran auf der Veranstaltung. „Deshalb investieren wir in den Ausbau unserer Fähigkeiten in der Entwicklung automatisierter Fahrerlebnisse.“ Aus dem Grund würden die Mitarbeiter der deutschen Argo-Tochter übernommen, so Sedran.
Zuletzt hatten bei dem in München angesiedelten Ableger rund 280 Mitarbeiter gearbeitet. Darunter viele Software-Ingenieure, Datenanalysten und KI-Experten – Talente, die in der Automobilbranche händeringend gesucht werden. Ihnen soll nun ein Angebot gemacht werden.
Cariad-Manager Sedran hätte schon früher die Hängepartie für die Mitarbeiter beendet. Da aber VW mit den Beschäftigten auch Teile der Gemeinschaftsfirma Argo AI GmbH übernehmen wird, muss der Deal bei den Kartellbehörden angemeldet werden. Wenn die Freigabe der Wettbewerbshüter vorliege, könne die Transaktion im dritten Quartal abgeschlossen werden, sagte Sedran.
In den USA hatte Ford den Argo-Entwicklern zügig eine Weiterbeschäftigung in Aussicht gestellt. Nach Handelsblatt-Informationen nahmen – Stand Dezember – mehr als 500 Argo-Mitarbeiter das Angebot an.
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Auf deutscher Seite passierte lange Zeit nichts. Zwar machte VW auch hierzulande Versprechungen. „Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr Beschäftigungsverhältnis nicht unterbrochen wird“, hieß es in einem internen Memo. Immer wieder stand die Option im Raum, dass VW die eigenständige Gesellschaft komplett übernimmt.
Dagegen sprechen allerdings steuerliche Gründe: Diese würden zu einer Belastung in zweistelliger Millionenhöhe führen, hieß es in Konzernkreisen.
VWs Beteiligung an Argo war vom damaligen Volkswagen-Chef Herbert Diess eingefädelt worden. Sein Nachfolger Oliver Blume kassierte das Projekt als eine seiner ersten Amtshandlungen. Zum Ende des Engagements sagte Blume kürzlich im Handelsblatt: „Ich trenne mich von Themen, die nicht erfolgreich sind, bevor ich über Jahre weiter Geld hineinstecke. Da bin ich konsequent.“
Ford-Chef Jim Hackett, Argo-CEO Bryan Salesky, VW-Chef Diess (v.l., 2019)
Vor einigen Jahren traten die Manager noch als eine Einheit auf.
Bild: Johannes Eisele/AFP/Getty Images
Nach dem Rückzug bei Argo sortiert der Konzern seine Strategie im Bereich autonomes Fahren derzeit um. So sollen bei der Entwicklung alle Marken künftig stärker an die Softwareeinheit Cariad angebunden werden. Dazu gehört auch die VW-Nutzfahrzeugtochter, die bislang eigenständig an Robotaxis gearbeitet hat.
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In China soll Cariad zudem die Entwicklung des autonomen Fahrens gemeinsam mit dem chinesischen KI-Start-up Horizon Robotics vorantreiben, im Rest der Welt mit Bosch. Laut Branchenkreisen hatte Volkswagen zuletzt eine vertiefte Zusammenarbeit mit dem israelischen Spezialunternehmen Mobileye vereinbart. Gemeinsam wollen die neuen Partner unter anderem autonome Fahrleistungen auf der Autobahn verbessern, heißt es. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte Mobileye-CEO Amnon Shashua im Januar: „Ich glaube, in den nächsten Monaten oder Wochen werden mehr Informationen dazu kommen.“
Für Cariad ist das autonome Fahren der nächste Härtetest. In dem Tochterunternehmen hatte der Konzern die Fachleute seiner einzelnen Marken gebündelt, um eine Software für den Betrieb seiner Autos zu entwickeln. Die Aufgabe erweist sich indes als komplexer als erwartet. So mussten Audi, Porsche und die Kernmarke VW den Anlauf einiger wichtiger Modelle verschieben, da die Software nicht fertig ist.
Mit den IT-Experten von Argo soll die krisengeplagte Softwaretochter Cariad nun personell gestärkt werden. Gerade erst hat der Konzern seine Recruitingaktivitäten im Tech-Bereich gebündelt und eine Einstellungsoffensive gestartet. Allein Cariad soll derzeit mehr als 1700 Softwaretalente suchen.
Am Wohl der Softwaresparte hängt der Erfolg des gesamten VW-Konzerns. Beobachter hatten mit einem Kauf von weiteren Teilen von Argo gerechnet. Mit der Übernahme der Mitarbeiter findet Cariad nun eine kleinere Lösung.
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