Die VW-Tochter meldet Rekordbestellungen für ihre Lastwagen und Busse. Der Traton-Chef glaubt an eine nachhaltige Erholung und setzt auf Expansion in China und den USA.
Scania-Produktion in Södertälje
Ein hoher Auftragsbestand macht das Unternehmen zuversichtlich, auch bei möglichen neuen Rückschlägen unbeschadet durch eine weitere Corona-Welle zu kommen.
Bild: © 2019 Bloomberg Finance LP
Düsseldorf Das Lkw-Geschäft hat wieder angezogen, die größten Probleme aus der Zeit der Corona-Pandemie scheinen für die Lastwagen-Branche ausgestanden. Das gilt auch für die Volkswagen-Lkw-Tochter Traton mit Marken wie MAN und Scania. „Seit der zweiten Hälfte 2020 spüren wir eine deutliche Erholung, die sich auch in diesem Jahr fortgesetzt hat“, sagte Traton-Vorstandschef Matthias Gründler am Mittwoch zur Halbjahresbilanz.
Die Zahlen der börsennotierten Volkswagen-Tochter liegen zum Teil schon über den Ergebnissen aus dem Corona-freien Jahr 2019. Der Umsatz stieg von Januar bis Juni im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro. Das ist etwas mehr als im ersten Halbjahr 2019, als Traton 13,5 Milliarden Euro geschafft hatte.
Das bereinigte operative Ergebnis lag im ersten Halbjahr 2021 bei 1,13 Milliarden Euro. 2020 stand hier noch ein Verlust von 220 Millionen Euro in den Büchern, 2019 hatte Traton einen operativen Überschuss von 1,06 Milliarden Euro erreicht.
Ein hoher Auftragsbestand macht das Unternehmen zuversichtlich, auch bei möglichen neuen Rückschlägen unbeschadet durch eine weitere Corona-Welle zu kommen. „Der Auftragsbestand von 170.000 ist der höchste in der Geschichte von Traton“, betonte Finanzvorstand Christian Schulz. Niemals zuvor seien zum Halbjahr so viele Lkws und Busse bestellt worden. Im Vergleich zu 2020 habe Traton fast eine Verdoppelung erlangt.
Im Nutzfahrzeuggeschäft verläuft allerdings nicht alles durchgängig rund. Der hohe Auftragsbestand kommt vor allem durch Lkw-Bestellungen zustande. Unternehmen wie Speditionen und Paketdienste kalkulieren mit einer anhaltenden wirtschaftlichen Erholung und investieren wieder – unter anderem in neue Lastwagen.
Das Busgeschäft hat sich hingegen noch nicht wieder richtig erholt. Nahverkehrsunternehmen verzeichneten in der Pandemie drastische Einbrüche der Fahrgastzahlen. Der private Pkw wurde wieder häufiger für den Weg zur Arbeit benutzt, weil dort keine Infektion droht. Umfassende Homeoffice-Regelungen sorgten außerdem dafür, dass die Busse lange Zeit leer blieben.
Einbrüche gab es auch im Bustourismus, ebenfalls ein wichtiger Absatzmarkt für MAN und Scania. Traton hofft darauf, dass sich das Geschäft auf Dauer doch wieder entscheidend beleben wird. Dabei sollen auch neue Elektrobusse eine zentrale Rolle spielen.
Nahverkehrsunternehmen werden ebenfalls durch verschärfte EU-Klimaziele zum Wechsel angehalten. MAN wirbt damit, dass der eigene neueste E-Bus auf eine Reichweite von mehr als 500 Kilometern kommt.
An den Finanzmärkten wurden die Traton-Ergebnisse positiv aufgenommen. UBS-Analyst Xingzhou Lu sprach von „starken Ergebnissen“. Jefferies-Analyst Himanshu Agarwal hält noch weitere Verbesserungen beim operativen Ergebnis für möglich.
Traton kalkuliert bei der operativen Rendite mit einer Spanne zwischen fünf und sieben. Finanzvorstand Schulz erklärte, die VW-Tochter wolle jetzt das obere Ende dieses Intervalls erreichen. Die Aktie des Unternehmens reagierte bis zum Nachmittag mit leichten Verlusten. Teile der Halbjahresbilanz hatte Traton schon vor zwei Wochen veröffentlicht.
Vorstandschef Gründler will in nächster Zeit vor allem die internationale Expansion seines Unternehmens vorantreiben. „Die Übernahme von Navistar in den USA war dafür ein wichtiger Schritt“, sagte er. Seit dem 1. Juli gehört der US-Konkurrent zur Traton-Gruppe; die Übernahme kostete den VW-Konzern mehr als drei Milliarden Euro. Rund 12.000 Menschen sind bei Navistar beschäftigt.
Gründler muss bei Navistar jedoch zunächst mit der Sanierungsarbeit beginnen. Strategische Fehler in der Motorentechnologie hätten das US-Unternehmen zurückgeworfen, sagte der Traton-Chef. Ein neuer weltweit eingesetzter Motor für die gesamte Gruppe und die parallel einsetzende Elektrifizierung sollen die Wende bringen. Gründler kündigte zudem an, dass Navistar auch an seinem Vertriebsnetz arbeiten und neue Käufergruppen erreichen solle.
Matthias Gründler
Der Traton-Chef muss bei der neuen US-Tochter Navistar mit der Sanierungsarbeit beginnen.
Bild: Traton
Der Marktanteil von Navistar bei schweren Lastwagen hat sich auf dem nordamerikanischen Lkw-Markt seit der Finanzkrise 2009 auf 13 Prozent halbiert. Im vergangenen Geschäftsjahr, das im Oktober zu Ende ging, brach der Umsatz von Navistar in der Coronakrise um ein Drittel auf 7,5 Milliarden Dollar ein. Das operative Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) ging um zwei Drittel auf 221 Millionen Dollar zurück.
Außer in den USA sieht der Traton-Chef auch Expansionsmöglichkeiten in China, wo Traton bislang kaum vertreten ist. Über MAN hält das Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung am dortigen Lkw-Hersteller Sinotruk. „Jetzt richten wir unsere Aktivitäten stärker auf China aus“, kündigte Gründler an.
Scania errichtet in Schanghai derzeit sein erstes eigenes Werk in der Volksrepublik. 2022 soll die Produktion dort beginnen. Auch andere westliche Lkw-Unternehmen haben sich in China bislang kaum engagiert.
„Eine Übernahme ist in China derzeit nicht geplant“, ergänzte Gründler, „wir wollen aus eigener Kraft expandieren.“ Mit dem „derzeit“ hält sich der Traton jedoch die Hintertür für eine Übernahme offen. Möglicherweise kann die VW-Tochter den über MAN gehaltenen Sinotruk-Anteil in den kommenden Jahren weiter ausbauen, vielleicht auch bis zur Mehrheitsübernahme. Ähnlich war Traton bei Navistar vorgegangen: Nach und nach stockten die Deutschen ihren Anteil auf, bis in diesem Sommer die vollständige Übernahme gelang.
Pilotprojekt für Oberleitungs-Lkw von Scania in Baden-Württemberg
Die Dachgesellschaft Traton stellt sich auch bei Lastwagen auf das Ende des Dieselmotors ein.
Bild: imago images/Arnulf Hettrich
Gründler sieht große Wachstumsmöglichkeiten zudem bei der Elektromobilität: „Traton ist auf dem Weg in eine neue Ära. Die Zukunft des Transports ist elektrisch – auch im Langstreckenverkehr“, sagte er. Die Kunden seien dafür bereit, wenn sie sich auf eine funktionsfähige Ladeinfrastruktur verlassen könnten.
Traton hatte vor wenigen Wochen angekündigt, zusammen mit Daimler und Volvo ein europäisches Ladenetz für schwere Lkws aufbauen zu wollen. Das Investitionsvolumen beträgt etwa 500 Millionen Euro.
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