Volkswagen leidet nach eigenen Angaben unter Lieferengpässen und muss darum Abstriche beim Cashflow machen. Umsatz und Gewinn legen dagegen deutlich zu.
Düsseldorf Europas größter Autobauer Volkswagen hat seinen Gewinn im abgelaufenen Geschäftsjahr trotz Ukrainekrieg und Energiekrise weiter gesteigert. Allerdings sorgten Lieferengpässe dafür, dass der Konzern ein wichtiges selbst gestecktes Ziel beim Cashflow verfehlte. Das zeigen erste Eckdaten vorläufiger Zahlen für 2022, die VW am Dienstagabend per Ad-hoc-Mitteilung herausgab.
Demnach legte das operative Ergebnis vor Sondereffekten im Vergleich zum Vorjahr um 12,5 Prozent auf 22,5 Milliarden Euro zu. Auch beim Umsatz geht es für den Autohersteller rauf – von 250 auf 279 Milliarden Euro. Damit entsprach der Konzern weitestgehend den Erwartungen der meisten Analysten.
Bei der Umsatzrendite rechnet Volkswagen der Mitteilung zufolge mit einem Wert von rund 8,1 Prozent. Auch das liegt grob im Rahmen der Erwartungen. Den Gewinn unterm Strich nannte Volkswagen noch nicht. Der Konzern wird seinen Geschäftsbericht mit den endgültigen Zahlen Mitte März veröffentlichen. Die VW-Aktie gab zum Börsenstart am Mittwochmorgen um 1,9 Prozent nach.
Was auffällt: Volkswagen hat auch 2022 weniger Autos verkauft, konnte aber dennoch den Umsatz steigern. Chip- und Teilemangel sorgen bei dem Konzern seit Monaten dafür, dass insgesamt deutlich weniger Fahrzeuge verkauft werden können als gewöhnlich.
VW setzt die raren Chips – wie alle deutschen Autobauer – vorrangig in Modellen mit hohen Margen ein, dazu gehören vor allem Autos von Audi oder Porsche und weniger Kompaktmodelle wie der VW Golf. Dieser war 2022 zum ersten Mal seit Jahrzehnten nicht mehr das meistverkaufte Auto Europas. Insgesamt sanken die weltweiten Auslieferungen bei VW 2022 um sieben Prozent auf knapp 8,26 Millionen Stück, wie das Unternehmen bereits im Januar mitgeteilt hatte.
Einzige Wachstumsregion war demnach Asien-Pazifik – allerdings ohne VWs wichtigsten Absatzmarkt China. Dort waren die Auslieferungen des Konzerns zuletzt auf ein Neunjahrestief von 3,18 Millionen Fahrzeugen gefallen. Die strikte Null-Covid-Politik und immer wiederkehrende Lockdowns hatten die gesamte Industrie zurückgeworfen. Für 2023 soll sich die Lage für VW in China verbessern.
Die weltweiten Lieferengpässe sorgten im abgelaufenen Jahr bei VW auch dafür, dass der Konzern beim Mittelzufluss einen Dämpfer in Kauf nehmen musste. So lag der Netto-Cashflow mit fünf Milliarden Euro im vergangenen Jahr deutlich unter den im Vorjahr erreichten 8,6 Milliarden Euro.
Für Konzernchef Oliver Blume ist es das erste Mal, dass er als CEO von VW eine wichtige Kennzahl nicht erreicht. Blume ist seit September 2022 im Amt und führt neben dem VW-Konzern noch den Sportwagenbauer Porsche, der im Herbst 2022 an die Börse ging. Die VW-Tochter ist an der Börse aktuell mehr wert als der Mutterkonzern.
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Nach dem Vorbild Porsches entwickeln derzeit weitere Marken und Einheiten des Konzerns sogenannte virtuelle „Equity Stories“, also simulierte Börsengänge. Noch im Januar sagte Blume im Handelsblatt, dass neben den Renditekennzahlen sein Fokus „insbesondere auf dem Netto-Cashflow und dem Break-even-Punkt“ liege.
Der geringe Netto-Cashflow sei „vor allem auf die im gesamten Jahr 2022 instabile Versorgungssituation und Störungen in den Logistikketten insbesondere zum Jahresende zurückzuführen“, heißt es in der Mitteilung. Für 2023 rechnet Volkswagen damit, dass sich die Situation im Verlauf des Jahres größtenteils umkehren wird. Damit sind es primär externe Faktoren, die das Auftaktjahr des VW-Chefs finanziell eintrüben.
Volkswagen hatte zum Ende des Jahres in seinem Kerngeschäft „Automobile“ eine Netto-Liquidität von rund 43 Milliarden Euro, deutlich mehr als die 26,7 Milliarden Euro im Vorjahr. Allerdings sind darin auch die rund 16 Milliarden Mittelzuflüsse aus dem Porsche-Börsengang vom September enthalten.
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VW hatte in früheren Jahren deutlich mehr Kontext und Details in seinen vorläufigen Jahreszahlen präsentiert. „Klar ist jedoch, dass trotz unserer bereits vorsichtigen Haltung beim Cashflow das Ergebnis im vierten Quartal noch einmal schlechter ausfiel als erwartet“, sagt Patrick Hummel, Analyst bei UBS. Der Experte erwartet eine gedämpfte Nachfrage in Europa. „Wir glauben, der Markt wird das kleinste Anzeichen einer Überproduktion als Anlass nehmen wird, um sich Sorgen um Preise und Margen zu machen.“
Zuletzt hatte VW-Chef Blume einem Preiskampf mit Konkurrenten wie Tesla eine klare Absage erteilt. Bei Autos mit elektrischem Antrieb gelang den VW-Konzernmarken gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um gut 26 Prozent auf mehr als 572.000 Fahrzeuge. Dennoch liegt VW bei den weltweiten Zulassungszahlen für Elektroautos klar hinter US-Konkurrent Tesla und der chinesischen Marke BYD.
Was VW für dieses Jahr finanziell Ruhe verschaffen dürfte, ist der hohe Auftragsbestand. So haben sich bei VW wegen Chipkrise und Lieferengpässen allein in Westeuropa 1,8 Millionen Aufträge in den Büchern summiert, davon 310.000 Elektroautos, wie der Konzern vor Kurzem mitteilte.
Aktuell stufen sechs wichtige Analysten die VW-Aktie als Kauf ein, ebenso viele raten zum Halten der Aktie, ein Analyst stuft das Papier mit Verkaufen ein. Der Sechsmonatstrend weist auf Kaufen hin.
Erstpublikation: 07.02.2023, 21:06 Uhr (zuletzt aktualisiert: 08.02.2023, 10:11 Uhr).
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