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21.10.2022

14:04

Wettbewerb um beste Autobatterie

Porsche baut die „kleinste Gigafactory der Welt“

Von: Martin-W. Buchenau

Die Batterietochter Cellforce verzehnfacht ihre Produktionspläne. Ab 2025 sollen jährlich 10.000 Hochleistungsbatterien in Reutlingen gebaut werden – samt modernster Technologie in den Akkus.

Die Hochleistungsbatterien sind in erster Linie für Hochleistungsmodelle. Bloomberg

Produktion des Porsche Taycan

Die Hochleistungsbatterien sind in erster Linie für Hochleistungsmodelle.

Stuttgart Der Porsche AG geht es gut. Der jüngst erfolgte Börsengang ist gelungen, nach einem durchwachsenen ersten Halbjahr befindet sich der Sportwagenbauer geschäftlich wieder im Aufwärtstrend. Porsche geht es sogar so gut, dass die Beschäftigten bis zu 3000 Euro Prämie im Nachgang des IPO erhalten sollen. Und auch für Investitionen ist Geld da: Die Zuffenhausener weiten ihre Pläne für die eigene Batteriefertigung aus.

„Wir bauen die kleinste Gigafactory der Welt“, sagte Markus Gräf, COO der Cellforce Group, bei der Grundsteinlegung des Werks für Hochleistungsbatteriezellen im Industriegebiet Mahden bei Reutlingen. Gräf bezieht sich dabei auf die Großwerke des Elektroautobauers Tesla, der unter dem Namen Gigafactory Fahrzeugherstellung und Batteriefertigung teils verzahnt. Cellforce ist Anfang 2021 als Joint Venture mit Mehrheitsanteil von Porsche und dem Batterieunternehmen Customcells eigens für die Batteriefabrik mit Entwicklungs- und Pilotproduktion gegründet worden.

Die Eigentümer haben sich jetzt entschlossen, die ursprüngliche Kapazität von 100 Megawattstunden pro Jahr auf eine Gigawattstunde zu erhöhen. Damit können ab 2025 statt der ursprünglich geplanten rund 1000 Fahrzeuge nunmehr 10.000 Autos pro Jahr mit den Hochleistungsbatterien ausgerüstet werden. Gedacht sind die Aggregate zunächst für den Rennsport und die Topmodelle der Sonderserien des Sportwagenbauers. Doch scheint nun bereits mehr möglich.

Autobatterie: Porsche investiert mehr als 160 Millionen Euro in Batterietechnologie

„Unser Ziel ist es, im weltweiten Wettbewerb um die leistungsstärkste Batteriezelle zu den führenden Unternehmen zu gehören, aber wir gehen immer nur Schritt für Schritt vor“, erklärte Finanzchef Lutz Meschke am Rande der Veranstaltung. Die Schritte werden offensichtlich immer länger. Die jetzige Aufstockung der Pläne zeigt, dass die technischen Fortschritte bereits weit gediehen sind, das Porsche-Management es nur noch nicht offen sagt. In die Batteriefabrik hat Porsche laut Meschke bislang 60 Millionen Euro investiert.

Das gesamte Batterieprojekt wird von Bund und Land im Rahmen eines IPCEI-Projekts mit weiteren 60 Millionen Euro gefördert. Die Abkürzung steht für „Important Project of Common European Interest“ und ermöglicht es, Projekte in der Chip- und Batteriefertigung stärker zu fördern als in der EU normalerweise erlaubt. „Wir sind überzeugt, dass Cellforce dazu beitragen wird, dass Baden-Württemberg in der Batterietechnologie die Nase vorn haben wird“, sagte Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut dem Handelsblatt.

Die Batterietochter Porsches spielt eine wichtige Rolle in den Zukunftsplänen des Sportwagenbauers – und womöglich die Konzernmutter VW. obs

Beschichtungsanlage von Cellforce

Die Batterietochter Porsches spielt eine wichtige Rolle in den Zukunftsplänen des Sportwagenbauers – und womöglich die Konzernmutter VW.

Damit das auch wirklich gelingt, hat Porsche sich im vergangenen Mai mit 100 Millionen Dollar an einer Finanzierungsrunde der Group14 Technologies beteiligt, des führenden US-Herstellers von Silizium-Kohlenstoff-Technologie für Lithium-Ionen-Batterien. Porsche verschafft sich damit Zugang zu einem überlegenen Verfahren. Die Zuffenhausener und andere Investoren sehen in dem US-Konzern den Gamechanger in der Batterietechnologie.

Neues, siliziumhaltiges Anodenmaterial kann Batterien deutlich leistungsfähiger machen. Dadurch können nach Experteneinschätzung die Batterien der Zukunft bei gleicher Größe bis zu 50 Prozent mehr Energie speichern. Für Porsche heißt das: mehr Reichweite, schnelleres Laden und auch bessere Energierückgewinnung beim Bremsen oder Bergabfahren.

Wie eng die Bande sind, zeigt die Anwesenheit von Group14-Chef Rick Luebbe bei der Grundsteinlegung. „Group14 hat sich zum Ziel gesetzt, die Leistung heutiger Lithium-Ionen zu verbessern, um die globale Energiewende zu beschleunigen“, sagt Luebbe. Mit dem frischen Kapital soll nach Südkorea eine weitere Fabrik für Anodenmaterial in den USA hochgezogen werden.

Batterieentwicklung bei Porsche: Sechs Gigafactorys in Planung

In Mahden sind die Bauarbeiten für die Cellforce-Fabrik in vollem Gange. Die Batterieentwicklung will in einem Jahr einziehen, 2024 soll mit der Produktion begonnen werden. Für eine Gigafactory nach dem Vorbild Teslas ist der Standort zu klein. Doch schafft Cellforce den Durchbruch, könnte dies durchaus noch Einfluss auf die Batteriestrategie des gesamten VW-Konzerns haben.

Das von der deutschen Autoindustrie lange Jahre unterschätzte Thema Energiespeicher hat es inzwischen auf der Prioritätenliste des Managements nach oben geschafft. „Die Batteriezelle ist der Brennraum der Zukunft“, erklärte Porsche-Chef Oliver Blume schon, bevor er vor wenigen Wochen zum Konzernchef von Volkswagen aufstieg. Nicht Hubraum und PS entscheiden künftig über den Erfolg, sondern die Leistungsfähigkeit der Batterie. Porsche erlaubte sich mit Cellforce einen Sonderweg.

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Die Standardbatterien für die großen Serien wie den Taycan bezieht Porsche bislang aus anderen Quellen. Konzernmutter Volkswagen will die Lücken in Zukunft schließen. Die Wolfsburger nehmen laut Branchenschätzungen bis zu 20 Milliarden Euro in die Hand, um mit Partnern neue Zellfabriken zu bauen.

Bis zum Jahr 2030 wird der Konzern allein in Europa sechs sogenannte Gigafactorys mit einer Jahreskapazität von jeweils 40 Gigawattstunden (GWh) errichten. Diese Menge soll ausreichen, um jährlich gut fünf Millionen Elektroautos mit den nötigen Batterien zu bestücken. Hat Blumes Hochleistungsbatterie-Projekt bei Porsche Erfolg, hat er durch seine Personalunion als VW-Konzern- und Porsche-Chef alle Möglichkeiten, die Cellforce-Technologie ganz groß auszurollen.

Porsche Entwicklungschef: „Maßstäbe für die Batteriezellherstellung am Standort Deutschland“

Bis dahin ist noch viel Kleinarbeit nötig: Das Baugelände liegt direkt gegenüber der Zentrale des Maschinen- und Anlagenbauers Manz. Auch mit dem Mittelständler tüftelt Cellforce an weiteren Fertigungsverfahren. Insgesamt sind einige Mittelständler unter den Zulieferern. Konkret kommt bei Cellforce etwa künftig ein spezielles Verfahren von Lackierspezialist Dürr zum Einsatz, das die gleichzeitige Beschichtung beider Elektrodenseiten ermöglicht. BASF liefert das Kathodenmaterial.

Auch die bayerische Firma Mühlbauer ist involviert. „Für die Entwicklung und Herstellung künftiger Hochleistungsbatteriezellen braucht es starke Partnerschaften. Das setzt Maßstäbe für die Batteriezellherstellung am Standort Deutschland“, sagt Porsches Entwicklungschef Michael Steiner.

Erstpublikation am 18.10.22, um 19:57 Uhr.

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