Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.
Innovationweek

03.05.2021

06:00

Raumfahrt-Technologie

Raketen, Satelliten, Spezialtechnik: Deutsche Start-ups erobern das Weltall

Von: Larissa Holzki, Thomas Jahn

Nach exklusiven Zahlen sind 125 deutsche Firmen im Weltraumgeschäft tätig, darunter viele junge Unternehmen. Ihre Kunden sind überraschend traditionell.

Immer mehr deutsche Unternehmen drängen ins „New Space“-Geschäft. Hering Schuppener Consulting

Kleinsatellit

Immer mehr deutsche Unternehmen drängen ins „New Space“-Geschäft.

Düsseldorf Schwerelosigkeit – das ist das Geschäft von Yuri. Das Start-up aus Meckenbeuren organisiert für Kliniken und die Pharmabranche Forschungsprojekte im Weltall. Ein Projekt: Stammzellen in der Raumstation ISS so zu züchten, dass sie als menschliche Ersatzorgane eingesetzt werden können.

Nicht nur für Yuri, für immer mehr deutsche Unternehmen entwickelt sich der Weltraum zum Markt. Die Forschungs- und Beratungsagentur Capitol Momentum analysierte im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die New-Space-Firmen in Deutschland.

Laut der Studie, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, gibt es 125 New-Space-Unternehmen, davon ein Drittel weniger als fünf Jahre alt. „Das Wachstum und die Vielfalt sind überraschend“, sagt Nina Stary, Mitbegründerin von Capitol Momentum.

Nicht nur deutsche Unternehmen, auch Investoren drängen in das „New Space“-Geschäft. Laut der BDI-Studie sammelte die Branche 2020 308 Millionen Euro an Kapital ein, fast doppelt so viel wie im Vorjahr. „Vor unseren Augen entsteht eine neue Branche“, sagt Matthias Wachter, Leiter der Abteilung Raumfahrt beim BDI.

Deutschland findet zurück in seine lange Geschichte der Raumfahrt. Ingenieurwissen paart sich mit Risikofreude, was mit Aufträgen aus der Wirtschaft belohnt wird. Die Branche wächst seit Jahren überdurchschnittlich, ist aber noch ganz am Anfang: Immerhin schon 3000 Menschen arbeiten in Deutschland im Bereich Raumfahrt.

Von den Arbeitsplätzen entfallen die meisten auf die Entwicklung und den Bau von Raketen. Isar Aerospace sicherte sich vor wenigen Monaten mehr als 75 Millionen Euro an Investorengeld.

Neue Geschäftsmodelle im Orbit

Bei der Wette auf die Trägerrakete eines deutschen Start-ups – wie sie auch die Rocket Factory Augsburg und Hyimpulse entwickeln wollen – geht es um mehr als eine Ingenieurleistung und ein Geschäftsmodell. Die Trägerraketen sollen kostengünstig Satelliten in den Orbit schaffen und damit viele neue Geschäftsideen erst möglich machen.

Das Berliner Start-up LiveEO beispielsweise überwacht mit Satellitendaten und Künstlicher Intelligenz Bodenabsenkungen und Umweltveränderungen im Umfeld von Schienen. Der Kunde: die Deutsche Bahn. Ein weiteres Einsatzfeld ist die Erfassung von Erdbewegungen, um Risiken für Rohrleitungen etwa von Energieunternehmen zu ermitteln.

Laut der BDI-Studie berichten ganze 76 Prozent von 92 näher analysierten New-Space-Firmen von Geschäften mit Kunden, die nichts mit dem Weltraum zu tun haben. Die Schlussfolgerung, die sich daraus ziehen lässt: Die neuen Unternehmen helfen der deutschen Wirtschaft, wichtige Wachstumsfelder wie autonomes Fahren, Industrie 4.0 und andere datengetriebene Geschäftsmodelle auszubauen. „New Space ist ein Enabler für Zukunftstechnologien“, sagt BDI-Experte Wachter.

Aus dem All die Erde beobachten will auch OroraTech aus München. Das Start-up hat eine Infrarot-Kamera und entsprechende Technologie entwickelt, um Waldbrände früh zu erkennen. „Auf Warnhinweise aus dem System hin werden direkt Löschfahrzeuge gestartet“, sagt CEO Thomas Grübler.

Als Kunden von OroraTech nennt er unter anderem die Forestry Corporation of NSW, die im Südosten Australiens kommerziell genutzte Wälder verwaltet, auch Versicherungen testen laut Grübler das System.

„Im kommerziellen Bereich wird ein geschützter Hektar Wald mit etwa 5000 Euro beziffert“, sagt der Unternehmer – und die Kosten lägen deutlich höher, wenn Schäden für Tierwelt und Menschen entstünden. Grübler: „Unser satellitenbasiertes System ist um ein Vielfaches günstiger als Türme und Beobachtungsflüge.“ Anfang April verkündete die Firma, dass der Weltraumdaten-Anbieter Spire noch 2021 die Technologie von OroraTech ins All bringen werde.

Hoffnung auf europäische Lösung beim Satellitenlaunch

Alcan Systems aus Darmstadt wiederum will dafür sorgen, dass in Zukunft auch fahrende Autos mithilfe von im Dach integrierten Spezial-Antennen Daten aus dem All empfangen können.

Viele der Innovationen ließen sich auch mit Raketen ausländischer Unternehmen ins All schicken. Doch die Hoffnung auf eine europäische Lösung beim Satellitenlaunch ist groß. Die Bundesregierung hat Isar Aerospace jüngst einen elf Millionen Euro schweren Auftrag zur Entwicklung einer Kleinrakete erteilt. Zudem will Airbus Defence and Space einen Erdbeobachtungssatelliten mit der Spectrum in den Orbit bringen.

Auf die Rocket Factory, hinter der der Satellitenhersteller OHB als strategischer Investor steht, vertrauen wiederum weitere Unternehmen der OHB-Gruppe. Vergangene Woche konnte das Start-up Startverträge mit OHB-Cosmos und LuxSpace schließen. 2022 sind die ersten Starts geplant.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×