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30.04.2021

14:03

Autonomes Fahren

Waymo-Produktchef: „Jetzt gibt es einen autonomen Taxidienst, den jeder nutzen kann“

Von: Alexander Demling

Der Top-Manager der Google-Schwester will den Menschen die Angst vor den vollautonomen Taxis nehmen. Teslas „Autopiloten“ sieht Dan Chu sehr kritisch.

Seit 2018 testet die Google-Schwester hier ihren vollautomatisierten Taxidienst. dpa

Waymo-Fahrzeug in Arizona

Seit 2018 testet die Google-Schwester hier ihren vollautomatisierten Taxidienst.

San Francisco Auf einer Fläche von gut 250 Quadratkilometern im US-Bundesstaat Arizona sind selbstfahrende Autos schon Realität. In einigen Vororten der Hauptstadt Phoenix fahren die weißen Chrysler Pacificas mit auffälligem Dach-Lidarsensor ohne Mensch auf dem Fahrersitz durch die Straßen.

Unter dem Namen Waymo One standen die Robotertaxis dort seit 2018 einer Gruppe ausgewählter Testkunden offen, seit vergangenem Oktober kann jeder sie mit einer App rufen. Der Dienst des Google-Schwesterunternehmens ist damit weltweit der erste seiner Art. Mittlerweile testet Waymo seine Fahrzeuge auch in San Francisco.

Dan Chu ist Waymos Produktchef. Der Informatiker muss dafür sorgen, dass die Passagiere sich in den von Geisterhand gesteuerten Minivans nicht unwohl fühlen. Im Interview erklärt der Manager, wie man Menschen die Angst vor Robotaxis nimmt, warum Waymo erst nach Jahren in die zweite Stadt vordringt und was er von Teslas Autonomie-Plänen hält.

Herr Chu, wie soll sich ein Passagier fühlen, der in eines Ihrer selbstfahrenden Taxis steigt?
Waymo One soll sich wie ein privater Ort anfühlen. Unsere Passagiere können sich dort ausruhen oder plaudern, ohne das Gefühl zu haben, dass ihnen ein Fremder zuhört. Wir kriegen viel Feedback à la: „Ich kann meine eigene Musik hören oder ein Nickerchen machen ohne das Gefühl, im Auto eines Fremden zu sitzen.“

Wie überwinden Sie die Angst, wenn niemand am Steuer sitzt und das Auto trotzdem lenkt und an Ampeln bremst?
Wichtig ist Kommunikation mit dem Fahrgast über unsere App und den Bildschirm an Fahrer- und Beifahrersitz. Wenn das Auto zumindest wartet, dass ein Fußgänger vor ihm die Straße überquert, machen wir das mit einem Geräusch deutlich. Wir hören auf das Feedback unserer Passagiere, etwa ob der „Waymo Driver“ zu abrupt beschleunigt oder bremst. Das Wichtigste ist aber, dass wir ein sicheres Erlebnis bieten.

„Sicherheit ist uns wichtiger als große Versprechen, wie andere sie machen.“ Waymo

Waymo-Produktchef Dan Chu

„Sicherheit ist uns wichtiger als große Versprechen, wie andere sie machen.“

Waymo hat seinen Taxiservice in den Vororten von Phoenix im Dezember 2018 für Testpassagiere geöffnet. Seit Februar testen Sie den Dienst in San Francisco, der zweiten Stadt überhaupt. Warum geht das so langsam?
Als wir Googles Self Driving Car Project vor knapp zehn Jahren starteten, sagte jeder: „Das wird nie was.“ Jetzt gibt es einen autonomen Taxidienst, den jeder nutzen kann. Wir wollen ihn natürlich landes- und weltweit sicher ausrollen. Aber das ist ein schrittweiser Prozess, bei dem wir Vertrauen in die Technologie aufbauen müssen. Das ist uns wichtiger als große Versprechen, wie andere sie machen.

Was müssen Sie in San Francisco neu lernen?
Manche Dinge sind in jedem neuen Markt gleich: Wir müssen das Vertrauen der Bürger und der Regulierer gewinnen. Aber jede Stadt ist anders: In Chandler und Phoenix gibt es viel mehr Schnellstraßen und Kurven. San Francisco hat enge Straßen und mehr Fußgänger in der Stadt. Deshalb testen wir in so unterschiedlichen Umgebungen.

„Jeder Anbieter muss klar kommunizieren, was sein System kann und was nicht“

Kommt Waymo ab jetzt immer schneller in neue Städte?
In der zweiten Stadt wird es schneller gehen als in der ersten, in der dritten schneller als in der zweiten.

Tesla geht einen anderen Weg als Sie: Elon Musk lässt seine Kunden Daten über Fahrsituationen auf der ganzen Welt sammeln. Führt das nicht schneller zum Ziel?
Nein. Man braucht nicht nur irgendwelche Daten, sondern die richtigen an den richtigen Orten und von allen notwendigen Sensoren eingefangen. Es ist ein Unterschied, ob man ein autonomes System trainiert oder ein Assistenzsystem, das noch von einem Fahrer beaufsichtigt werden muss. Und ich befürchte, dass diese Unterscheidung in den Augen der Öffentlichkeit verwischt wird.

In Texas starben kürzlich zwei Menschen in einem Unfall, vor dem sie sich offenbar zu sehr auf Teslas „Autopilot“-Assistenzsystem verlassen hatten. Schadet das der ganzen Branche?
Wir befürchten, dass Unternehmen mit einem anderen Sicherheitsstandard auch unsere Chancen beeinträchtigen, unsere Technologie auszurollen. Jeder Anbieter muss klar kommunizieren, was sein System kann und was nicht, und muss ihm einen entsprechenden Namen geben. Diese Technologie bekämpft eine der zehn größten Todesursachen weltweit – den Straßenverkehr. Ich fände es schrecklich, wenn dieses Potenzial von einem Fahrerassistenzsystem ruiniert würde.

Vita Dan Chu

Der Manager

Dan Chu arbeitet seit 2008 bei Google, die ersten sechs Jahre lang für Google Maps in Australien, wo der Informatiker und Betriebswirt mit Abschlüssen aus Stanford und Harvard Geschäft mit Unternehmenskunden betreute. Seit 2014 ist er Produktchef von Waymo, wo er für das Nutzererlebnis in den seit 2018 in Phoenix eingesetzten vollautonomen Taxis verantwortlich ist.

Das Unternehmen

Waymo ging 2016 aus Googles „Driverless Car Project“ hervor, an dem der Suchmaschinenriese seit 2009 forscht. Das Unternehmen entwickelt eine Software, die Fahrzeuge komplett eigenständig steuern kann und gilt in diesem Bereich als globaler Marktführer. Anfang 2020 sammelte Waymo drei Milliarden Dollar von Investoren ein – als ersten Schritt, um unabhängiger vom Mutterkonzern Alphabet zu werden.

Waymo-Taxis können innerhalb einer definierten Zone autonom fahren. Werden selbstfahrende Autos jemals vollautonom sein – also zu jeder Zeit überall hinfahren können?
Ich halte das nicht für notwendig, um einen sicheren und kommerziell erfolgreichen autonomen Taxidienst anzubieten. Es geht erst mal darum, eine Stadt oder Gegend bedienen zu können. Wir arbeiten natürlich auf Level-5-Autonomie hin, aber es ist keine Voraussetzung, ohne die die Technologie nutzlos ist.

Wettbewerber wie die Amazon-Tochter Zoox oder die GM-Tochter Cruise haben spezielle Fahrzeuge für den Einsatz als Robotaxi entwickelt – ohne Lenkrad und Fahrerbereich. Warum hat Waymo so eins bisher nicht?
Wir bieten eine völlig andere Erfahrung, auf die heutige Autos nicht ausgelegt sind. Aber wir haben starke Partnerschaften mit Herstellern wie Stellantis oder Jaguar Land Rover, die die Experten im Autobau sind. Wir führen bereits Diskussionen mit unseren Partnern, um das Fahrzeug der Zukunft zu entwerfen. Aber wir wollen unsere Technologie auf die Straße bringen, so schnell es sicher möglich ist. Das haben wir mit den Chrysler-Pacifica-Modellen getan, die wir mit unserer Technologie ausgestattet haben.

„Ich hoffe auf einen Rennen um Sicherheit“

Wo werden wir zuerst eine große Zahl autonomer Fahrzeuge sehen? Als Taxis, Lieferfahrzeuge oder Lastwagen?
Über diese Frage haben wir intern einen netten Wettbewerb. Der Waymo Driver kann jede dieser Herausforderungen meistern, aber wir sehen Taxis und Lastwagen auf der Langstrecke als die zwei wichtigsten Anwendungen unserer Technologie.

Ihr Chef, John Krafcik, verlässt das Unternehmen. Was bedeutet das für Waymos Kurs?
Wir sind mit unserer bisherigen Strategie sehr zufrieden. Wir haben den weltweit einzigen autonomen Taxidienst und nähern uns dem Einsatz unserer Technologie, etwa in Lastwagen, durch unsere Partnerschaft mit Daimler. Sie sollten unter unseren neuen Co-CEOs als keine größeren Änderungen erwarten.

Grafik

Ganz alleine sind Sie auf der Welt nicht mehr: Das chinesische Unternehmen AutoX bietet in Shenzhen einen fahrerlosen Taxiservice an. Auch Cruise und Argo arbeiten mit ihren Partnern an eigenen Diensten. Gibt es jetzt ein Rennen, wer die Technologie am schnellsten ausrollen kann?
Ich hoffe auf einen Rennen um Sicherheit. Die Zahl der Verkehrstoten in den USA steigt, obwohl wir immer mehr Sicherheitstechnologie in unsere Autos einbauen. Bei Waymo heißt es: Sicherheit ist vordringlich. Je schneller wir die Technologie allen zugänglich machen können, desto mehr Leben retten wir.
Herr Chu, vielen Dank für das Interview.

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