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"Wir stecken inmitten einer Zeit multipler Krisen. Neue Technologien können helfen, die tiefgreifende Transformation zu bewältigen. Mit der Innovation Week beleuchten wir inspirierende Ideen und die Köpfe dahinter."

14.06.2022

18:27

Handelsblatt Innovation Summit

„Es wird jetzt massiv investiert“: Warum immer mehr Unternehmen Roboter einsetzen

Von: Axel Höpner

PremiumDas Geschäft mit Robotern läuft hervorragend. Vor allem Maschinen, die mit Menschen kooperieren können, schüren Hoffnungen. Zwei Gründe sorgen dafür, dass der Boom weitergeht.

Anders als früher können die Roboter von heute zunehmend mitdenken und fühlen. picture alliance / Westend61

3D-Scan mit Roboter

Anders als früher können die Roboter von heute zunehmend mitdenken und fühlen.

München Leere Regale und fehlende Mitarbeiter – der neue Mangel in der Wirtschaft verschafft den Herstellern von Industrierobotern eine Sonderkonjunktur. 487.000 Roboter wurden im vergangenen Jahr weltweit verkauft, 27 Prozent mehr als im Vorjahr. „Es wird jetzt massiv in Automatisierung investiert“, sagt Susanne Bieller, Generalsekretärin des Weltbranchenverbands IFR. Sie sieht ihre Branche aber erst am Beginn eines Booms.

Gleich mehrere Trends befeuern die Entwicklung. In der Pandemie lernten viele Unternehmen, dass nur Roboter noch arbeiten können, wenn die Beschäftigten wegen der Quarantänebestimmungen zu Hause bleiben müssen. Andere merken jetzt, dass es Sinn macht, Produktion in die Heimatmärkte zurückzuholen, wenn die Lieferketten aus Asien reißen. Angesichts hoher Personalkosten und Fachkräftemangel funktioniert dieses Re- oder Nearshoring aber nur mit mehr Automatisierung.

Anders als früher können die Roboter von heute aber auch zunehmend mitdenken. Bei der Entwicklung kollaborierender Roboter spielen deutsche Start-ups eine Schlüsselrolle. Firmen wie Wandelbots, Agile Robotics und Energy Robotics ermöglichen eine leichtere Programmierung der Maschinen und machen die Roboter auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) schlauer und damit wertschöpfender.

Als Folge wächst die Offenheit für den Einsatz von Robotern in Deutschland. Laut einer aktuellen Befragung des IFR hält jeder dritte Industrieentscheider Industrieroboter für „sehr wichtig“, um am heimischen Standort Komponenten zu produzieren, die bei Lieferengpässen fehlen könnten. Mehr als 70 Prozent wollen die Automatisierung mit Industrierobotern weiter ausbauen.

Dabei können die sogenannten Cobots helfen. „Die Robotisierung im großen Stil steht uns allen noch bevor“, sagte Sami Haddadin vom Lehrstuhl für Robotik und Systemintelligenz der TU München auf dem Handelsblatt Innovation Summit am Dienstag. Kleine Roboter mit künstlichem Tastsinn und moderner Sensorik könnten direkt neben dem Menschen arbeiten – und würden damit die Einsatzmöglichkeiten deutlich erweitern.

„Die Robotisierung im großen Stil steht uns allen noch bevor“, sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz der TU München. Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Sami Haddadin auf dem Handelsblatt Innovation Summit

„Die Robotisierung im großen Stil steht uns allen noch bevor“, sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz der TU München.

Auch IFR-Generalsekretärin Bieller sieht in den Cobots und neuen, günstigen Low-Cost-Robotern einen Treiber. „Gerade für Firmen, die erste Erfahrungen mit Robotern machen, ist das eine Einstiegsmöglichkeit.“

Denn auch Firmen, die die Investition in Roboter bislang scheuten, sind mit dem Fachkräftemangel konfrontiert und öffnen sich für eine weitere Automatisierung. „Die Entwicklung wird stark vom Mangel an Arbeitskräften getrieben“, sagte Bieller. In den USA seien Fachkräfte besonders schwer zu finden. „Nach Corona sind viele Industriearbeiter nicht in die Fabrikhallen zurückgekommen.“

In den USA haben viele Arbeitskräfte die Fabriken verlassen

Daher habe in den USA in der Industrie auch außerhalb der Autobranche eine breite Automatisierungswelle eingesetzt. Im ersten Quartal stieg der Absatz von Robotern in Nordamerika laut neuen IFR-Zahlen um 28 Prozent auf 11.595 Auslieferungen. Der Umsatz stieg um 43 Prozent auf 664 Millionen Dollar.

Auch in Deutschland setzt der Fachkräftemangel viele Unternehmen schon jetzt unter Druck. „Wir müssen daran arbeiten, wie wir die Industrie 4.0 weiterentwickeln können, um an der richtigen Stelle Unterstützung für den Menschen durch Maschinen und Künstliche Intelligenz anzubieten“, sagte Ursula Staudinger von der TU Dresden beim Innovation Summit.

Deutsche Unternehmen sind in der neuen Robotik vorn mit dabei. „Wir sehen eine florierende Landschaft von Start-ups, die neue Lösungen entwickeln, die nah am Kunden sind“, sagte IFR-Generalsekretärin Bieller. Deutschland habe die Chance, zu den führenden Standorten in der Robotik zu gehören.

Grafik

Die Unternehmen sind dabei – den mittelständischen Kunden folgend – über das ganze Land verteilt. Eine starke Position haben unter anderem Stuttgart und München. Doch auch Sachsen will sich als „Robot Valley Saxony“ zu einem führenden Robotikcluster entwickeln.

Eines der Leuchtturmunternehmen in der Region ist Wandelbots. Die Firma hat Software entwickelt, die die Programmierung von Robotern deutlich vereinfacht. Als Investoren konnte Wandelbots unter anderem Siemens und Microsoft gewinnen.

Auch Micropsi Industries hat Lösungen entwickelt, mit denen Industrieroboter in wenigen Stunden programmiert werden können. „Wir tragen zur Demokratisierung der Robotik bei“, sagte Geschäftsführer Dominik Bösl. Auch für Mittelständler mit kleineren Stückzahlen werde der Einsatz von Robotern inzwischen lohnend.

Das Start-up PowerOn wiederum ist angetreten, die „Barrieren zwischen Mensch und Maschine zu verringern“, sagte Gründer Markus Henke. Sein Unternehmen hat einen Kunststoff entwickelt, der sich verformt, wenn elektrischer Strom fließt.

Roboter können ihre Umgebung immer besser erfühlen

So kann ein menschlicher Muskel nachgeahmt und mit Sensorik verknüpft werden, samt Reflexen und Tastgefühl. „In fünf Jahren werden wir Produkte im Bereich taktiles Greifen im Programm haben“, sagte Henke.

Energy Robotics, ein Spin-off der TU Dresden, entwickelt Software für mobile Roboter, die autonom Inspektionen in anspruchsvoller Umgebung zum Beispiel in der Öl- und Gasindustrie übernehmen können. „Wir nehmen den Menschen aus einem gefährlichen Arbeitsumfeld raus“, sagte CEO und Mitgründer Marc Dessler.

Viele Start-ups beschäftigen sich zudem mit Robotik für den Bereich Medizin und Pflege. So hat Tediro eine Robotikplattform für Therapie und Diagnostik entwickelt, auf deren Basis Roboter zum Beispiel Gehtraining mit Patienten machen können. „Wir wollen so schnell wie möglich in den Markt kommen“, sagte Mitgründerin Anke Mayfarth.

„Wir wollen so schnell wie möglich in den Markt kommen.“ Marc-Steffen Unger für Handelsblatt

Tediro-Mitgründerin Anke Mayfarth

„Wir wollen so schnell wie möglich in den Markt kommen.“

Bei allem Optimismus, von den globalen Megatrends zu profitieren, gibt es in der Branche auch Sorgen. Auch die Robotikindustrie leidet unter den Lieferkettenproblemen. „Die Auftragsbücher sind voll, aber es gibt Probleme beim Abarbeiten der Aufträge“, sagte IFR-Generalsekretärin Bieller. Es fehlten Chips, aber auch viele andere Komponenten.

Die hohen Energiepreise seien ein zweischneidiges Schwert für die Branche: Einerseits dämpften sie die Investitionsbereitschaft bei den Kunden, andererseits könnten Roboter helfen, effizienter zu produzieren.

Was darf ein Roboter? Die Regulierung in der EU wird entscheidend für den Einsatz

Heiß diskutiert wird in der Branche auch der Plan der EU, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz stärker zu regulieren. „Ich verstehe, dass man das regeln will“, sagte Universal-Robots-Gründer Esben Östergaard dem Handelsblatt. „Wenn aber jedes Mal der Tüv kommen muss, wenn sie etwas an einem Cobot umprogrammieren oder ihn anders aufstellen, kann das Wochen dauern und viel Geld kosten.“ Wenn das so komme, verliere der Standort Europa seine Wettbewerbsfähigkeit.

Auch IFR-Generalsekretärin Bieller sagte: „Die Diskussion um den ‚AI Act‘ macht vielen Start-ups Angst. Wir laufen Gefahr, dass die EU über das Ziel hinausschießt.“ Es drohe eine Überregulierung, die sich als extremer Hemmschuh für die Wirtschaft auf einem wichtigen Zukunftsfeld erweisen könne.

Die Ängste vor Robotern, die es noch immer gebe, seien eher diffus, sagte Ulrike Thomas von der TU Chemnitz, die sich mit der Mensch-Technik-Interaktion beschäftigt. „Man muss die Roboter einfach als angenehmes Werkzeug verstehen.“ Lästige Arbeit könne man den Maschinen überlassen und sich selbst um die kreativen Dinge kümmern.

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