Olaf Habert erklärt, was es mit den Datenboxen auf sich hat. So will die Reederei Störungen in Lieferketten frühzeitig erkennen – und die Daten auch für andere Geschäftsmodelle nutzen.
Container Verladung im Seehafen von Rotterdam
Hapag-Lloyd will sämtliche eigene Container mit Sensoren ausrüsten.
Bild: IMAGO/Jochen Tack
Düsseldorf Als weltweit erste Reederei wird die Hamburger Hapag-Lloyd ihren kompletten Bestand an Containern mit Datensendern ausrüsten, um Lieferunterbrechungen frühzeitig zu erkennen. Spätestens Ende 2023 sollen sämtliche drei Millionen Standardcontainer (TEU) ihre Bewegungsdaten, aber auch Informationen über Erschütterungen oder Temperaturschwankungen über die Cloud an die Zentrale melden.
Pro Container kostet die Ausrüstung mit den solarbetriebenen Datenboxen, die ihre Informationen über Mobilfunk übertragen, nach Angaben des Schweizer Lieferanten Nexxiot rund 200 Euro. „Viele Kunden sind bereit, einen Aufschlag zu zahlen“, sagt Hapag-Lloyd-Manager Olaf Habert im Interview mit dem Handelsblatt. Das hätten Gespräche mit der Industrie gezeigt.
Zudem will Hapag die Daten für weitere Geschäftsmodelle nutzen. „Bei elf Millionen Transporten im Jahr decken wir einen ziemlich großen Teil der Transport-Infrastruktur ab“, sagt Habert. „Und aus unseren Daten lassen sich sicherlich interessante Schlüsse ziehen.“
Der Investitionsentscheidung ging eine dreijährige Versuchsphase mit Kühlcontainern voraus, mit Ergebnissen, die nun bei dem Roll-out helfen sollen. Im Interview erklärt Habert, was schon reibungslos funktioniert – und welche Pläne es noch gibt.
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Herr Habert, schon vor drei Jahren hat Hapag-Lloyd die ersten Kühlcontainer mit Sensorboxen ausgerüstet, die regelmäßig Daten an die Zentrale funken. Gibt es erste Erfolge?
Einen spektakulären Fall gab es neulich in Chile. Dort hatten wir Kunden einen dieser Container zur Verfügung gestellt, den sie mit frisch geernteten Kirschen beladen ließen. Auf halber Strecke zwischen Farm und Hafen wurde der Lkw überfallen und gestohlen. Dass die Diebe den GPS-Sender am Fahrzeug abschalteten, half ihnen am Ende wenig. Über das Tracking-Device im Container konnten wir die Bande fünf Kilometer entfernt von der Farm orten, wo sie gerade die ersten Kirschen probierte, als die Polizei eintraf.
Jetzt wollen Sie sämtliche drei Millionen Standardcontainer Ihrer Reederei mit Mobilfunk-fähigen Ortungsgeräten ausrüsten. Um zu wissen, wo Ihre Container sind?
Das wissen wir auch heute schon– allerdings nur mit großen Lücken. Wir wollen vor allem in Echtzeit sichtbar machen, was im Hinterland auf Lkw und Schiene mit dem Container passiert. Unseren Kunden ist diese Transparenz wichtig, um ihre eigenen Abläufe zu optimieren. Intern erfahren wir zusätzlich, welcher Container leer ist und schon Tage beim Kunden nutzlos herumsteht.
Olaf Habert
Der Manager ist Director Container Applications bei Hapag-Lloyd.
Bild: Hapag-Lloyd
Die Container sollen sich künftig per Mobilfunk sogar regelmäßig von See aus melden. Funktioniert das ohne Sendemasten überhaupt?
In Zukunft wollen wir einmal lokale Mobilfunknetze bei uns an Bord haben wie bei Kreuzfahrtschiffen. Dann können wir die Daten über Satellit in die Cloud schicken, doch noch arbeiten wir daran. Uns und unsere Kunden interessiert allerdings vor allem, was mit den Containern an Land passiert. Denn wenn er sich an Bord befindet, ist dies statistisch gesehen für ihn der sicherste Ort der Welt. Um auf See ein flächendeckendes Netz zu schaffen, brauchen wir einen gemeinsamen Industriestandard. Bis es so weit ist, wird es möglicherweise drei bis fünf Jahre dauern.
Werden sich die Reedereien der THE Alliance, mit denen Sie sich die Fahrtrouten teilen, Ihrem Modell anschließen?
Das wäre in jedem Fall der erste Schritt. Aber wir diskutieren auch mit anderen großen Reedereien wie Maersk, CMA CGM und MSC darüber, welche Technologie die beste Lösung ist. Wenn wir auf LTE setzen, Wettbewerber aber einen anderen Standard nutzen, funktioniert das gesamte System auf See nur lückenhaft.
Wir gehen davon aus, dass wir damit mindestens ein Jahr lang die Einzigen bleiben. Hapag-Lloyd-Manager Olaf Habert
Der Strom für die Tracking-Geräte an Standardcontainern speist sich aus Sonnenlicht. Das aber gibt es für die meisten Container an Bord überhaupt nicht.
Was für uns kein Problem ist. Die Geräte können 90 Tage aktiv funken, ohne aufgeladen zu werden. Unsere längste Seereise dauert nur 40 bis 42 Tage.
Die Ausrüstung soll pro Container laut Hersteller rund 200 Euro kosten. Zahlen Ihre Kunden einen Aufpreis?
Wir haben in Vorabgesprächen mit der Industrie erfahren: Ja, viele sind bereit, einen Aufschlag zu zahlen. Die ersten Buchungen dieser ausgerüsteten Standardcontainer werden ab Anfang kommenden Jahres verfügbar sein. Zukünftig können über eine Bluetooth-Schnittstelle im Gerät weitere Sensoren angeschlossen werden, die etwa die Temperatur, Erschütterungen oder die Luftfeuchtigkeit im Innenraum messen, was zusätzliche Vorteile etwa für die Planung von Warenverpackungen bringt.
>> Lesen Sie auch: Kampf gegen Lieferkettenprobleme: Logistiker kaufen Datenjäger
Wem gehören die Daten?
Uns. Die Container gehören schließlich Hapag-Lloyd, und der Betrieb erfolgt in unserer Verantwortung. Data-Ownership ist uns sehr wichtig.
Verwerten Sie die Daten – etwa in anonymisierter Form – für weitere Geschäftsmodelle?
Das ist eine der Zukunftsideen, die wir haben. Bei elf Millionen Transporten im Jahr decken wir einen ziemlich großen Teil der Transportinfrastruktur ab. Und aus unseren Daten lassen sich sicherlich interessante Schlüsse ziehen.
Wie lange, glauben Sie, wird Hapag-Lloyd die einzige Containerreederei mit einem solchen System bleiben?
Weil wir wissen, wie lange eine solche Ausrüstung dauert, gehen wir davon aus, dass wir mindestens ein Jahr lang die Einzigen bleiben, im Idealfall sogar zwei.
Herr Habert, vielen Dank für das Interview.
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