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17.03.2023

15:42

Axel Springer

Die komplette Chefredaktion von „Bild“ muss gehen

Von: Michael Scheppe

Europas größte Boulevardzeitung bekommt eine neue Führung. Der bisherige Chefredakteur Johannes Boie sei an den alten Netzwerken gescheitert, heißt es.

Die Bild gehört zum Medienkonzern Axel Springer dpa

Medienkonzern Axel Springer

Der Medienkonzern Axel Springer wechselt die Chefredaktion der „Bild“ aus.

Düsseldorf Der Medienkonzern Axel Springer wechselt die komplette Chefredaktion von „Bild“ aus. Die bisherigen Chefredakteure Johannes Boie, Alexandra Würzbach und Claus Strunz scheiden aus ihren bisherigen Rollen bei Europas größter Boulevardzeitung aus, teilte Springer am Donnerstag mit, ohne Gründe zu nennen.

Künftig besteht die Führung der Chefredaktion aus zwei statt vier Personen. Den Vorsitz der Chefredaktionen der „Bild“-Gruppe übernimmt mit sofortiger Wirkung Marion Horn. Die 57-Jährige war insgesamt mehr als 25 Jahre bei Springer tätig und von 2013 bis 2019 Chefredakteurin der „Bild am Sonntag“. Sie verließ das Unternehmen nach der Ankündigung, die redaktionellen Abläufe von „Bild am Sonntag“ und „Bild“ zusammenzulegen, und war zuletzt Partnerin bei der Beratung Kekst CNC.

Horn solle das Blatt mit „starkem Boulevardprofil positionieren und den digitalen Wandel aktiv vorantreiben“, heißt es in der Konzernmitteilung. Der bisherige „Focus“-Chefredakteur Robert Schneider wird wie geplant Mitte April Chefredakteur von „Bild“. Im Dezember 2022 wurde bekannt, dass Boie Schneider an die Seite gestellt bekommt. Horn übernimmt die Chefredaktionen von „Bild“ und „Bild am Sonntag“ bis April in Doppelfunktion.

Abberufung der Chefredaktion von „Bild“ sorgt für Unruhe im Axel Springer-Verlag

Die dreifache Abberufung sorgt für weitere Unruhe im Berliner Verlag. Boie, früherer Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, war im Herbst 2021 mit der Aufgabe angetreten, nach der Ära Julian Reichelts für geordnete Prozesse in der Boulevardredaktion zu sorgen.

Der frühere „Bild“-Chefredakteur Reichelt musste das Medienhaus verlassen. Ihm wurde Machtmissbrauch, Mobbing und Fehlverhalten in Verbindung mit Beziehungen zu Mitarbeiterinnen des Hauses vorgeworfen. Reichelt blieb nach ersten Vorwürfen im Frühjahr 2021 zunächst im Amt. Weil er auch danach Privates und Berufliches nicht klar trennte, warf Springer ihn raus.

Springer gelobte, mit den neuen Personalien auch eine bessere Firmenkultur zu etablieren. Dem digitalaffinen Boie sei es in der Anfangszeit tatsächlich gelungen, mit der alten Kultur zu brechen, heißt es in Unternehmenskreisen. Er habe viel verändert, offener kommuniziert, neue Köpfe installiert und vor allem das Digitale vorangebracht. Doch am Ende sei er an den alten Netzwerken gescheitert, heißt es aus dem Unternehmen.

Die ehemalige Chefredakteurin der Bild am Sonntag wird Interimsweise Chefredakteurin der Bild. Sie soll die Chefredaktion auch künftig übergeordnet leiten. imago images/Christian Spicker

Marion Horn

Die ehemalige Chefredakteurin der Bild am Sonntag wird Interimsweise Chefredakteurin der Bild. Sie soll die Chefredaktion auch künftig übergeordnet leiten.

Pikant an der neuen Chefredaktion ist, dass die beiden Spitzenköpfe keine Digitalexpertise haben und aus Sicht einiger Insider für eine alte Bild-Kultur stehen. Intern wurde die Neubesetzung allerdings mit der Digitalstrategie begründet. Springer will mittelfristig keine gedruckten Zeitungen mehr vertreiben und ein reines Digitalunternehmen werden.

Strukturen bei „Bild“ sollen radikal verändert werden

So schrieb der Chef der Markengruppe „Bild“, Claudius Senst, in einer Mail an die Beschäftigten: Die „Bild“-Strukturen müssten radikal verändert und weiterentwickelt werden, damit die Marke weiter wachsen könne. „Dazu gehören Klarheit und Verlässlichkeit in der Führung und Verantwortung“, so Senst.

Wie es mit Boie und seinen bisherigen Chefredaktionskollegen Würzbach und Strunz weitergeht, ist unklar. Über deren „mögliche künftige Aufgaben im Hause“ wolle man später informieren, teilte Springer mit. Die geschassten Chefredakteure verabschiedete Konzernchef und Großaktionär Mathias Döpfner wortkarg: „Für ihren Einsatz und ihre Leistungen danke ich ihnen sehr.“ Würzbach war zuletzt für die „Bild am Sonntag“ zuständig, Strunz für das „Bild“-Bewegtbildangebot.

Die neuen Chefredakteure Horn und Schneider werden „Bild“ mit den stellvertretenden Chefredakteuren René Bosch, Timo Lokoschat, Tanja May, Paul Ronzheimer, Mandy Sachse und Yvonne Weiß führen „und die einzelnen Verantwortungsbereiche nach Robert Schneiders Antritt genau zuteilen“.

Stellenabbau bei Axel Springer

Die neuen Verantwortlichen müssen gleich mehrere Probleme angehen. Bei Springer kündigt sich ein deutlicher Stellenabbau an. Der konkrete Umfang ist bisher nicht bekannt. Stellen sollen vor allem in Produktion, Layout und Verwaltung wegfallen. Branchenkenner rechnen insgesamt mit einem Abbau im dreistelligen Bereich.

Das Medienhaus peilt durch Investitionen in digitale Angebote und Einsparungen beim Personal mehr Gewinn bei seinen wichtigsten Zeitungen „Bild“ und „Welt“ an. Das Konzernergebnis im deutschen Mediengeschäft müsse sich in den nächsten drei Jahren um rund 100 Millionen Euro verbessern, schrieb Döpfner im Februar an die Belegschaft. Man werde gleichzeitig Arbeitsplätze aufbauen und abbauen, erläuterte der Verlag. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden.

Springer kämpft wie alle Medien mit einer rückläufigen Print-Auflage. Ende 2022 lag die verkaufte Auflage bei 1,1 Millionen Exemplaren (inklusive der Berliner Boulevardzeitung „B.Z.“). Im vierten Quartal 2013 waren noch mehr als doppelt so viele Exemplare täglich verkauft worden.

Springer verzeichnete im abgelaufenen Jahr zum zweiten Mal in Folge ein zweistelliges organisches Umsatzwachstum – das gab es seit vier Jahrzehnten nicht mehr. Der Umsatz lag bei rund 3,9 Milliarden Euro, unter dem Strich stehen rund 750.000 Euro Gewinn.

Springer sieht großes Potenzial in den USA

Springer zog sich 2020 von der Börse zurück, war zuvor eine Kooperation mit dem US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR) eingegangen, um das Wachstum zu beschleunigen. KKR hält einen großen Anteil an dem Verlagsunternehmen.

Großes Wachstumspotenzial sieht Springer auch in den USA. Dort übernahm er im Herbst 2021 das Nachrichtenportal „Politico“. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 18.000 Mitarbeiter. Dazu zählen 3400 Journalisten, davon ein immer größerer Teil in den USA. Zu Axel Springer gehört neben den Medienmarken auch etwa die Job-Plattform Stepstone.

Erstpublikation: 16.03.23, 14:39 Uhr (zuletzt aktualisiert: 16.03.23, 18:23 Uhr).

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