Im Streaming-Geschäft türmen sich für Disney die Verluste. Darum muss CEO Bob Chapek nun gehen. Sein Nachfolger ist auch sein Vorgänger.
Bob Iger
Der Manager kehrt als CEO von Disney zurück.
Bild: AP
New York, Düsseldorf Beim US-Unterhaltungskonzern Walt Disney kommt es zu einem überraschenden Chefwechsel: Konzernveteran Bob Iger kehrt zurück an die Unternehmensspitze. Der 71-Jährige hat vier Jahrzehnte für Disney gearbeitet, war 15 Jahre lang Firmenchef. Sein Nachfolger Bob Chapek hatte sein Amt erst 2020 übernommen.
Chapek sei von seinem Posten zurückgetreten, teilte Disney mit, ohne Gründe dafür zu nennen. Disney-Aufsichtsratschefin Susan Arnold sagte: „Der Verwaltungsrat ist zu dem Schluss gekommen, dass Bob Iger in einer zunehmend komplexen Phase des Wandels in der Branche am besten geeignet ist, das Unternehmen zu führen.“
Tatsächlich übernimmt Iger die Konzernleitung in einem schwierigen Moment für Disney und die gesamte Unterhaltungsindustrie. Die allgemeine Konsumzurückhaltung infolge der Inflation dürfte den Konzern, der sein Geld etwa mit Freizeitparks oder Streamingdiensten verdient, besonders treffen. Gleichzeitig sinken die Erlöse aus dem klassischen linearen TV-Markt.
Iger hatte mehrfach gesagt, dass er an einem Job bei Disney nicht interessiert sei. So hätten die Gespräche über seine Rückkehr erst vor wenigen Tagen begonnen, schreiben US-Medien. Iger soll Unternehmensangaben zufolge nun ein jährliches Grundgehalt von einer Million Dollar beziehen. Zudem werde Iger eine langfristige Prämie von bis zu 25 Millionen Dollar erhalten und er habe Anspruch auf einen leistungsabhängigen Bonus in Höhe des jährlichen Grundgehalts, teilte Disney mit.
Iger kündigte Pläne zur Umstrukturierung des Unternehmens an, um die Entscheidungsfindung stärker in die Hände der Kreativteams zu legen, wie er in einer von der Nachrichtenagentur Reuters eingesehenen E-Mail an die Mitarbeiter erklärte. Dies werde zu einer Umstrukturierung der Disney Media & Entertainment Distribution und zum Ausscheiden ihres Vorsitzenden Kareem Daniel führen.
Für die Anleger scheint Iger jedenfalls der Richtige zu sein: Zum Handelsstart am Montag ging die Aktie um mehr als acht Prozent nach oben. Zuvor hatte das Papier auf Jahresfrist allerdings fast 40 Prozent verloren, zuletzt fiel es auf ein Jahrestief von gut 86 Dollar.
Disney hatte 2022 zwar Rekordumsätze und -gewinne ausgewiesen – vor allem aufgrund der starken und früher von Chapek geleiteten Freizeitpark-Sparte, die von der Erholung der Coronabeschränkungen profitierte. Das Sorgenkind ist jedoch das wichtige Streaminggeschäft. Die drei Disney-Dienste zählen zusammengerechnet zwar mittlerweile mehr Abonnenten als Branchenprimus Netflix.
Die Sparte leidet jedoch wegen der aufwendig produzierten Filme und Serien unter hohen Kosten. Allein im vergangenen Quartal schrieb diese einen operativen Verlust von 1,47 Milliarden Dollar (1,42 Milliarden Euro), der damit doppelt so hoch wie im Vorjahr war. Chapek wollte das Streaminggeschäft eigentlich bis Herbst 2024 profitabel machen.
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Mit dem jüngsten Quartalsgewinn von 162 Millionen Dollar verfehlte Disney dann auch die Erwartungen der Börse, weil die Investitionskosten des Streaminggeschäfts negativ zu Buche schlugen. Chapek kündigte daraufhin Sparmaßnahmen wie einen Einstellungsstopp und einen Stellenabbau an. Zudem korrigierte er die Umsatzwachstumsprognose für das Gesamtjahr nach unten und warnte, das Rentabilitätsziel nicht zu erreichen.
Diese Probleme muss nun Iger lösen. Er gilt als Architekt des heutigen Disney-Konzerns. Anfang der Jahrtausendwende hatte er den vor sich hindämmernden Unterhaltungsriesen durch ein erfolgreiches Kaufprogramm wieder auf die Erfolgsspur gebracht.
In seiner Ära kaufte die Firma 2006 das Animationsstudio Pixar, 2009 das lukrative Comicunternehmen Marvel, 2012 Lucasfilm, dem die Rechte der Serie „Stars Wars“ gehören, und 2019 das Traditionshaus 21st Century Fox. Iger stemmte zudem die Eröffnung von Disneys erstem Themenpark in der Volksrepublik China, dem Shanghai Disney Resort.
Zum Ende seiner Amtszeit hatte Iger die Vorbereitungen für den Einstieg ins Streaminggeschäft abgeschlossen. Unter seiner Ägide wuchs der Unterhaltskonzern beträchtlich: Als er den CEO-Posten 2005 übernahm, lag der Umsatz von Disney bei knapp 32 Milliarden Dollar, 2019 waren es fast 70 Milliarden Dollar. Heute steht der Konzern bei fast 83 Milliarden Dollar.
Mitarbeiter wie Branchenkenner sind über den Wechsel an der Konzernspitze überrascht. Erst im Sommer hatte das Unternehmen den Vertrag von Chapek bis Ende 2024 verlängert. „Ich frage mich, ob der Verwaltungsrat überreagiert hat“, sagte François Godard, Analyst beim britischen Beratungshaus Enders Analysis, dem Handelsblatt. Iger dürfte die von ihm selbst definierte operative Strategie nicht grundlegend ändern. Vielmehr dürfte der Wechsel an der Spitze persönliche Gründe haben, so der Branchenkenner.
Diese Ansicht bestärken US-Medienberichte, denen zufolge das Verhältnis von Chapek und Iger als belastet gilt. Chapek habe sich von seinem mächtigen Vorgänger bevormundet gefühlt. Iger war auch nach seinem Abschied als CEO bis Ende 2021 in der Rolle als Chefaufseher tätig. Diesen Posten verließ Iger erst vor elf Monaten. Nun soll Iger den Konzern wieder für zwei Jahre führen. Er sagte: „Ich bin hocherfreut, dass mich der Verwaltungsrat gefragt hat, als CEO zurückzukehren.“
Wie es für seinen Vorgänger nun weitergeht, blieb unklar. „Chapek hatte eindeutig Mühe, von den Kreativen des Konzerns akzeptiert zu werden, und er geriet in Kulturkriege, die er weder initiierte noch kontrollierte“, so Branchenkenner Godard.
So agierte der Manager etwa ungeschickt in öffentlichen Streitigkeiten mit einer Schauspielerin um deren Bezahlung. Und im Umgang mit einem Gesetz im Bundesstaat Florida, das in öffentlichen Schulen Unterricht zu Themen wie sexuelle Orientierung bis zur dritten Klasse verbietet, war Chapek zögerlich und reagierte erst nach Protesten von Mitarbeitern. Iger hingegen hatte das Gesetz frühzeitig kritisiert.
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