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31.01.2022

18:35

Digitalplattform

Ex-DFL-Chef Seifert plant Sport-Streaming mit Springer – und ohne Fußball

Von: Diana Fröhlich, Michael Scheppe

PremiumSpringer und der Sportmanager wollen in einem Portal Handball, Basketball oder Eishockey zeigen. Alles Sportarten, die Seifert als DFL-Chef aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt hat.

Seifert hat es in seiner Amtszeit mit ausgeklügelten Ausschreibungen und Auktionen geschafft, die Vermarktung der TV-Rechte der Bundesliga-Klubs von rund 400 Millionen Euro pro Saison auf mehr als eine Milliarde Euro zu steigern. Markus Hintzen/laif

Christian Seifert

Seifert hat es in seiner Amtszeit mit ausgeklügelten Ausschreibungen und Auktionen geschafft, die Vermarktung der TV-Rechte der Bundesliga-Klubs von rund 400 Millionen Euro pro Saison auf mehr als eine Milliarde Euro zu steigern.

Düsseldorf Sechzehn Jahre lang war Christian Seifert das Gesicht des Profifußballs in Deutschland – nun wird der 52-Jährige Unternehmer. Gemeinsam mit dem Medienkonzern Axel Springer will Seifert ab Herbst 2023 ein Sportstreaming-Portal an den Start bringen. Das teilte der Verlag, der für „Bild“ oder „Welt“ bekannt ist, am Montag mit.

Auf dem noch namenlosen Portal sollen Handball, Basketball oder Eishockey aus Deutschland gezeigt werden. Ligen, die bislang nicht im Fokus der Berichterstattung stehen. Außerdem ist die Übertragung von einzelnen Sportevents geplant, das könnten Welt- oder Europameisterschaften sein.

Nur eines soll es auf dem Portal des langjährigen Chefs der Deutschen Fußball Liga (DFL) nicht geben: Fußball. Springer zeigt über seine Marke Bild schon die Highlights der Fußball-Bundesliga. „Deutschland ist eine sportbegeisterte Nation, in der sich Millionen von Fans auch für andere Sportarten als Fußball interessieren“, sagt Seifert. Dieser großen Community wolle er eine neue Heimat bieten.

Damit will Seifert künftig ausgerechnet jene Sportarten fördern, die er jahrelang als kompetitiver Fußball-Vermarkter mit immer höheren Abschlüssen bei den Übertragungsrechten aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt hatte. „Für den Handball, für Sportarten wie Basketball und Eishockey ist der Einstieg von Christian Seifert eine positive Nachricht“, sagt Sportmarketingexperte Peter Rohlmann. „Die Personalie wird eine enorme Schubkraft entwickeln.“

Seifert wird einen Markt betreten, der sehr fragmentiert ist. Schon die Fußballberichterstattung ist – auch auf sein Wirken hin – auf zig Sender verteilt: Neben dem Pay-TV-Sender Sky zeigt das Streamingportal Dazn Bilder der Bundesliga. Spiele der Champions League oder Europa League übertragen die Streaminganbieter RTL plus oder Amazon.

Unübersichtlicher Streamingmarkt

Noch unübersichtlicher ist es bei Sportarten abseits des Fußballs. Hier mischen die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF mit, private wie RTL oder Sport 1, aber auch Pay-TV-Sender oder das Streamingangebot der Telekom, Magenta TV.

Axel Springer wie auch Seifert müssten dem Kunden klarmachen, warum es eine weitere Plattform für Sportübertragungen brauche, sagt Streamingexperte Bernd Riefler. „Die Größe und Bekanntheit der Akteure mag helfen. Doch die Refinanzierung wird sportlich“, sagt der Chef des Münchener Analysehauses Veed Analytics.

Denn mit Sportarten abseits des Fußballs erreiche man weniger Zuschauer und generiere so geringere Erlöse, erklärt er. Auf der Ausgabenseite werden die Rechtekosten für Sportarten wie Handball oder Basketball zwar nur für einen Bruchteil der Summen wie im Fußball gehandelt. Dennoch müsste das neue Angebot mehrere Ligen zeigen, um attraktiv zu werden – das lasse die Kosten steigen.

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Doch wenn diese Herausforderung jemand bewältigen kann, dann Seifert, meint ein Beobachter aus der Sportwelt. Seifert werde im Sport „jede Tür geöffnet“. Tatsächlich hat der Manager die Kommerzialisierung des Fußballs in Deutschland entschieden vorangetrieben. Er führte von 2005 bis Ende 2021 die DFL, deren Aufgabe es ist, den Spielbetrieb zu organisieren und die Marke weiterzuentwickeln.

Zu seinem Gewerbe hielt Seifert stets gewissen Abstand. Auf der Tribüne im Stadion sah man ihn selten, die Managementkunst mancher Klubs hielt er für unterdurchschnittlich. Im ersten Coronajahr setzte er ein Hygienekonzept auf, mit dem es gelang, den Spielbetrieb der Fußballprofis frühzeitig wieder aufzunehmen – als erste Liga weltweit und als Vorbild für andere Ligen.

Vermarktungserfolge im Fußball

Seifert hat es in seiner Amtszeit mit ausgeklügelten Ausschreibungen und Auktionen geschafft, die Vermarktung der TV-Rechte der Bundesliga-Klubs von rund 400 Millionen Euro pro Saison auf mehr als eine Milliarde Euro zu steigern. Künftig steht Seifert auf der anderen Seite – bei den Käufern solcher Rechte. Mit Axel Springer hat Seifert einen Partner an der Seite, der Erfahrung bei der Umsetzung digitaler Projekte und im Vertrieb hat.

Mit einer TV-Anstalt wollte Seifert nicht zusammenarbeiten, ist aus seinem Umfeld zu hören, auch lehnte er einen reinen Finanzpartner aus der Private-Equity-Szene ab. Da verblieb in der hiesigen Medienszene nur Springer. Verlagschef Mathias Döpfner sagt: „Sport gehört zu Axel Springer. Und in diesem Bereich wollen wir weiter investieren und wachsen.“

Seifert führt nach Handelsblatt-Informationen seit Januar Gespräche mit den Chefs der deutschen Sportligen. Im Sommer sollen erste Abschlüsse anstehen. Sukzessive will der Marketingprofi den Bestand bis zum Marktstart im Herbst 2023 ausbauen.

Seifert ist Gründer des Start-ups mit Sitz in Köln, das die Streamingplattform betreibt. Springer übernimmt die Mehrheit daran. Seifert fungiert als geschäftsführender Gesellschafter und hält über seine im Oktober 2021 gegründete Investmentfirma Reedstreet Ventures eine signifikante Minderheitsbeteiligung. Die Firma ist nach der Schilfstraße in Rastatt-Ottersdorf benannt, in der Seifert in jungen Jahren gelebt hat. Heute wohnt der Manager in Frankfurt.

Ehrgeiziger Wirtschaftsmanager

Seifert, der Kommunikationswissenschaft, Marketing und Soziologie studiert hat und seine Karriere bei der MGM Media Gruppe München startete, ist ein ehrgeiziger Wirtschaftsmanager, ausgestattet mit einem großen Netzwerk – und dem nötigen Selbstbewusstsein. Vor seiner Zeit bei der DFL war er zwischen 2000 und 2005 im Vorstand der Karstadt Quelle New Media AG.

Seiferts neue Aufgabe passt zu seinem Engagement bei der Deutschen Sporthilfe, dort ist er seit September 2021 Aufsichtsratsvorsitzender. Die Stiftung hat das Ziel, Athletinnen und Athleten in den olympischen Sportarten finanziell zu unterstützen. Gerade diesen Sportlern kann er mit der neuen Streamingplattform zu mehr Öffentlichkeit verhelfen.

Sportmarketingexperte Rohlmann sagt: „Wenn Seifert es schafft, diese Mannschaftssportarten aus ihrer Nische rauszuholen, dann kann er seiner Karriere eine weitere Erfolgsgeschichte hinzufügen.“ Bislang gebe es kaum Menschen, die Geld dafür zahlen würden, etwa die Volleyball-Bundesliga im Fernsehen sehen zu wollen.

Die Ligen sollen über das Portal selbst zu sehen sein, aber auch über bestehende Plattformen wie Magenta TV, die Erstliga-Spiele etwa im Basketball oder Eishockey bereits live überträgt. Experte Riefler hält solche Partnerschaften für sinnvoll. „So bekommt das Angebot gleich eine größere Reichweite.“

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