Bertelsmann-Chef Thomas Rabe steht vor einem neuen Problem: Der Gewinnbringer RTL leidet unter einem schwachen Werbemarkt. Und das wachsende Streaminggeschäft ist noch nicht profitabel.
RTL-Chef Thomas Rabe
Die Fusionspläne des Bertelsmann-Chefs gehen nicht so auf wie gedacht.
Bild: Bertelsmann
Düsseldorf Nach dem Job-Kahlschlag beim Verlagshaus Gruner + Jahr (G+J) sorgt nun ein Gewinnrückgang bei der wichtigsten Bertelsmann-Tochter für Unruhe. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf immaterielle Werte (Ebita) erzielte RTL Deutschland nur noch einen Gewinn von 459 Millionen Euro – ein Rückgang von 15,2 Prozent. Das frühere Verlagsgeschäft von G+J ist darin mit einer Million Euro bilanziert, wie interne Dokumente zeigen, die dem Handelsblatt vorliegen.
Anfang Februar hatte der Konzern verkündet, 700 der 1900 Stellen bei dem Hamburger Traditionsverlag zu streichen. 45 von 58 Marken und Magazinen sollen verkauft oder eingestellt werden. Nur Kerntitel wie „Stern“, „Geo“ oder „Capital“ bleiben bestehen.
>> Lesen Sie mehr: Zerschlagung von Gruner + Jahr: Warum fehlen 134 Millionen Euro Gewinn nach nur einem Jahr?
Bei G+J haben die Verkaufsverhandlungen zu Titeln wie „11 Freunde“, „Beef“ oder „Landlust“ begonnen, berichtet RTL-Chef Thomas Rabe. „Etliche Interessenten“ hätten sich gemeldet. Bis zum Sommer sollen die Gespräche abgeschlossen sein. Bertelsmann wollte zunächst auch nachweislich profitable Magazine wie „Geo Epoche“ einstellen, überprüft diese Entscheidung nun aber.
Man sei in „guten Gesprächen“ mit dem Betriebsrat, so Rabe. In sechs bis acht Wochen sollen betroffene Mitarbeiter angesprochen werden. Auch in der Kölner RTL-Zentrale werden bis 2025 rund 300 Stellen gekürzt. Dieser Abbau sei „im Wesentlichen über Fluktuation und Einzelansprachen zu bewerkstelligen“, sagte Rabe.
Der Jahresstart bei dem einstigen G+J-Geschäft sei so schwach gewesen wie prognostiziert. Ohne Maßnahmen war Rabe für das laufende Jahr von einem Verlust von 26 Millionen Euro ausgegangen. G+J-Manager warfen Rabe im Handelsblatt vor, die Bilanz bewusst schlecht gerechnet zu haben, indem er etwa zu hohe Kosten angesetzt haben soll. Rabe entgegnete am Donnerstag: „Ich wüsste nicht, was meine Motivation sein sollte.“
G+J gehört nach der Fusion seit Anfang 2020 zu RTL Deutschland, das mit gut 38 Prozent der wichtigste Umsatzbringer der Luxemburger RTL Group ist. An der Gruppe wiederum hält der Medienkonzern Bertelsmann über 75 Prozent der Anteile.
Wie RTL Deutschland erzielte auch die RTL Group, zu der auch die französische TV-Gruppe M6 oder RTL Nederland gehören, einen geringeren Gewinn. Er ging um sechs Prozent auf 1,08 Milliarden Euro zurück. Rabe hatte vor einer solchen Entwicklung schon im Sommer gewarnt. Die Umsätze stiegen indes deutlich auf 7,2 Milliarden Euro.
Die im MDax notierte Privatsendergruppe leidet insbesondere unter einem schwachen Anzeigengeschäft. RTL erzielt gut 43 Prozent seiner Umsätze durch TV- und Radio-Werbung. Viele Unternehmen sparen angesichts der unsicheren und krisenhaften Lage oft zuerst an ihren Werbeausgaben – insbesondere in Deutschland.
Die Reklameumsätze gingen hierzulande um acht bis neun Prozent zurück. „Das hat mit der Werbezurückhaltung insbesondere im Mittelstand und bei Start-ups zu tun, die ihr Geld zusammenhalten wollen“, erklärte Rabe. Die vergangenen Wochen seien wie erwartet schwierig gewesen, für 2023 insgesamt rechnet Rabe mit „leicht rückläufigen“ Werbemärkten.
RTL blickt auf ein Jahr mit gescheiterten Fusionen zurück. Rabe verfolgt die Strategie, durch Kooperationen und Zusammenschlüsse starke Unternehmen zu formen, um Streamingriesen wie Netflix, Disney oder Amazon lokal etwas entgegensetzen zu können.
Doch das Vorhaben in Frankreich, die Bertelsmann-Beteiligung M6 mit dem TV-Sender TF1 zusammenzuführen, scheiterte im September an den Wettbewerbsbehörden. Die fusionierten Unternehmen hätten mehr als 70 Prozent des Werbefernsehens kontrolliert. Auch bei dem Plan, RTL Nederland mit dem Medienunternehmen Talpa zu fusionieren, meldten die Kartellwächter Bedenken an.
>> Lesen Sie dazu: Vierte Schlappe in Folge: Bertelsmann scheitert mit Fusionen im Wert von fünf Milliarden Euro
Die blockierten Zusammenschlüsse seien im Wettbewerb gegen die Tech-Riesen verpasste Chancen, monierte Rabe. Man werde nun auf kleinere Allianzen und Partnerschaften setzen.
RTL-Beschäftigte protestieren gegen Zeitschriftenverkauf
Das Zeitschriftengeschäft habe so schlecht ins Jahr gestartet wie befürchtet, so Rabe.
Bild: dpa
Nach der Teilzerschlagung von G+J ist Rabes Idee auch hierzulande nicht so aufgegangen wie gedacht. Zudem fallen die erhofften Synergien geringer aus als erhofft. Sie sollen sich bis 2025 auf 75 Millionen Euro im Jahr belaufen, sagte Rabe. Zunächst wollte er allerdings 100 Millionen Euro erreichen.
Rabe erklärte sich im Sommer selbst zum Chef von RTL Deutschland. Er stellte den früheren G+J-Manager Stephan Schäfer nach nicht mal einem Jahr in diesem Amt frei. Rabe wollte die Aufgabe zunächst bis diesen Sommer ausführen. Auf Nachfrage erklärte der 57-Jährige nun, dass er ihn erst „voraussichtlich Ende des Jahres“ abgeben werde. Gerade in „dieser Zeit der strategischen Weichenstellungen“ wolle er bleiben.
Frühere Managerkollegen sagen über ihn: „Rabe glaubt, er kann Dinge besser als jeder andere.“ Tatsächlich ist Rabe derzeit nicht nur Chef von RTL Deutschland, sondern auch der Luxemburger Gruppe und dem Mutterkonzern Bertelsmann – ein weltweit einmaliger Sonderfall.
Rabe kämpft mit Schwierigkeiten bei der Umsetzung von RTL+ (früher TV Now). Ursprünglich wollte der Konzern eine Super-App schaffen, in der Filme und Serien von RTL, Hörbücher und Musik, aber auch Artikel von „Stern“ oder „Geo“ zu lesen sind. Wegen technischer Probleme rechnet Rabe damit, sie erst im „Laufe des Jahres 2023“ an den Start zu bringen. Darüber hinaus will Bertelsmann die Digitalangebote von „Stern“, „Capital“ oder „Geo“ unter dem Namen Stern+ bündeln. Beide Angebote sollten sich ergänzen, so Rabe. Ein genaueres Konzept stellte er in Aussicht.
RTL+ verzeichnete hierzulande in den vergangenen zwölf Monaten ein deutliches Nutzerwachstum von 48,1 Prozent auf 4,02 Millionen zahlende Abonnenten. Allerdings ist man mit einem Marktanteil von rund zwei Prozent noch weit entfernt von Konkurrenten wie Netflix, die laut Schätzungen auf einen Anteil von rund 30 Prozent kommen.
Der Dienst soll trotz deutlich gestiegener Umsätze erst 2026 profitabel sein. Im vergangenen Jahr lagen die Anlaufverluste wegen hoher Investitionen bei 233 Millionen Euro. Diese sollen im laufenden Jahr unter 200 Millionen Euro liegen.
Für 2023 rechnet Rabe mit einem leicht sinkenden Gewinn von 1,0 bis 1,05 Milliarden Euro. Das wäre der zweite Rückgang in Folge. Die RTL-Gruppe ist mit einem Anteil von 40 Prozent der wichtigste Gewinnbringer von Bertelsmann. Die Gütersloher Konzernmutter legt in zwei Wochen ihre Jahresbilanz vor.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×