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03.03.2023

17:03

Fußball

Bundesliga-Teilverkauf-Gegner überraschend in DFL-Aufsichtsrat gewählt

Von: Arno Schütze, Hans-Jürgen Jakobs, Alexander Möthe

Die Deutsche Fußball-Liga startet in Kürze offiziell den Verkaufsprozess für einen Teil ihrer Medienrechte. Eine Abstimmung hat nun aber die Kritiker des Deals gestärkt.

Der Geschäftsführer des 1. FC Köln zieht in den Aufsichtsrat des Dachverbands Deutsche Fußball-Liga (DFL) ein. IMAGO/Beautiful Sports

Christian Keller

Der Geschäftsführer des 1. FC Köln zieht in den Aufsichtsrat des Dachverbands Deutsche Fußball-Liga (DFL) ein.

Frankfurt, München, Düsseldorf Deal oder kein Deal? Über diese Frage diskutieren derzeit 36 deutsche Profi-Fußballklubs. Es geht um den zeitweiligen Verkauf der Rechte an 15 Prozent ihrer Medieneinnahmen an Finanzinvestoren – ein mögliches Milliardengeschäft.

Ein Stimmungstest kurz vor Start des Verkaufsprozesses hat nun überraschend die Kritiker des Modells gestärkt. Die Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga wählten am Freitag Christian Keller vom 1. FC Köln in den Aufsichtsrat der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Keller wird Nachfolger des zurückgetretenen Fredi Bobic. Mit 18:16 Stimmen bei zwei Enthaltungen setzte er sich knapp gegen Klaus Filbry von Werder Bremen durch. Filbry, der sich für das Investorenmodell ausspricht, galt als Favorit. Er wurde von einer Interessengemeinschaft einiger mitgliedsstarker Klubs, darunter der FC Schalke, Hertha BSC oder Eintracht Frankfurt, unterstützt. Keller hingegen lehnt den angedachten Anteilverkauf ab. Damit könnte – zumindest – der Zeitplan wackeln.

Milliarden für digitale Inhalte – um noch mehr Milliarden zu erlösen

Die DFL, die den Spielbetrieb in den ersten beiden Ligen organisiert, erhofft sich für die Medienrechte eine Gesamtbewertung von 15 bis 18 Milliarden Euro. Damit könnten ihr 2,3 Milliarden bis 2,7 Milliarden Euro zufließen. Die Verhandlungen starten knapp ein Jahr vor der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland – einem weltweiten TV-Großereignis, das den Wert des Pakets steigern könnte.

Die Befürworter sehen darin die Chance, zu den internationalen Topligen aufzuschließen. Im Vergleich zur englischen Premier League erzielt die Bundesliga mit jährlich 200 Millionen Euro für internationale Medienrechte nur einen Bruchteil. Die britische Liga kalkuliert 5,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2022 bis 2025 ein.

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Bereits 2021 wurde versucht, einen Teil der internationalen Medienrechte zu verkaufen. Diesmal geht es um einen Teilverkauf der Einnahmen aus den gesamten Medienrechten. Mit den Geldern will die DFL die Digitalisierung vorantreiben und neue Erlösquellen erschließen.

Eine „Arbeitsgruppe Zukunftsszenarien“ rund um die DFL-Interimschefs Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) und Oliver Leki (SC Freiburg) schwärmte bereits von einer „Weiterentwicklung des Geschäftsmodells“ und einer „strategischen Partnerschaft“ mit einem Private-Equity-Unternehmen. So könnten sich die Erlöse nach Schätzungen der Organisation innerhalb von zehn Jahren verdoppeln – auf dann 2,8 Milliarden Euro. Ohne Investoren rechnet die DFL mit einer Milliarde Euro weniger.

Zwei Drittel der Zweitliga-Klubs stimmen für Keller

Auf dem Wunschzettel steht etwa eine eigene kostenpflichtige Streamingplattform, auf der Fußballfans weltweit alle Bundesliga-Spiele sehen können. Auch die zielgenaue Vermarktung von Highlightvideos einzelner Klubs und Spieler steht im Raum.

Damit der Deal am Ende zustande kommt, müssten zwei Drittel der Klubs zustimmen. Aus dem Abstimmungsergebnis vom Freitag folgern Beobachter, dass die Verhandlungen nun hitziger werden. Schon im Vorfeld war Keller von einigen Vertretern der Ersten Liga aufgefordert worden, auf eine Kandidatur zu verzichten, wie aus dem Umfeld der DFL zu hören ist. Von den Erstligisten stimmten nur sechs für den Geschäftsführer des 1. FC Köln. Damit müssen zwölf Zweitligisten für Keller gestimmt haben.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung des SV Werder Bremen galt im Vorfeld der Wahl als Favorit für die Nachfolge für Fredi Bobics Sitz im Aufsichtsgremium der DFL. IMAGO/Nordphoto

Klaus Filbry

Der Vorsitzende der Geschäftsführung des SV Werder Bremen galt im Vorfeld der Wahl als Favorit für die Nachfolge für Fredi Bobics Sitz im Aufsichtsgremium der DFL.

Eigentlich sollten sechs ausgewählte Private-Equity-Investoren Mitte März ein Informationspaket mit aktuellen Zahlen erhalten. In der zweiten Aprilhälfte erwartet die DFL vorläufige Gebote. Etwa zeitgleich sollen die Klubs auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung formal abstimmen, ob die Verkaufspläne weiterverfolgt werden.

Den Investoren wird angeboten, 15 Prozent der Erlöse aus der Verwertung der Übertragungsrechte im In- und Ausland auf 25 Jahre zu kassieren. Für 2023 wären das rechnerisch rund 210 Millionen Euro. Selbst bei einer Stagnation würde ein Käufer in diesem Zeitraum – sollte es keine Abzüge geben – rund 5,2 Milliarden Euro einnehmen. Die Modalitäten seien im Fluss, keine Vorentscheidungen getroffen, betonen DFL-Verantwortliche.

Bindende Angebote der Interessenten sind nach jetziger Planung Ende Juni fällig, ein Kaufvertrag könnte Mitte Juli unterschrieben werden. Die Bieterliste liest sich wie ein Who’s who der Finanzinvestoren: Advent, Blackstone, Bridgepoint, CVC, EQT und KKR sind laut Finanzkreisen im Rennen. Manche Investoren wie Sixth Street sind in Warteposition und könnten etwa auf eine Rolle als Co-Investor spekulieren.

DFL behält die Hoheit über die Spieltage

Hinter den Kulissen laufen Gespräche auf Hochtouren, um genügend Klubs von dem Modell zu überzeugen. Während die Mehrheit der Erstligisten für einen Investorendeal seien, lehnten ihn mehrere Zweitligisten noch ab, berichten Beteiligte. Das deckt sich mit dem Fingerzeig, den das Abstimmungsergebnis gegeben hat.

Ein Streitpunkt ist, was die Klubs neben dem DFL-Angebot künftig selbst an Bewegtbildern ihrer zahlenden Kundschaft anbieten können. Auch eine weitere Entzerrung von Spielzeiten könnte die Erlöse steigern, etwa die Einführung eines Samstagabendspiels. Das wiederum könnte in Fankreisen auf Ablehnung stoßen. Die DFL betont, dass sie in dem Investorenmodell die Hoheit über die Spieltage behalten würde.

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„Private-Equity-Investoren wird zugetraut, die notwendigen Entscheidungen durchzusetzen. Sie sollen das Potenzial heben, ähnlich wie sie das bei vernachlässigten Töchtern großer Konzerne tun, die sie oft auf Vordermann bringen und später mit Gewinn verkaufen“, sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person.

Kritiker wie den 1.FC Köln oder den FC St. Pauli überzeugt das nicht. Sie argumentieren, das für die Digitalisierung und Modernisierung notwendige Geld könne auch über Kredite aufgenommen werden, was möglicherweise deutlich billiger wäre. Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund), als DFL-Aufsichtsratschef und Sprecher des Präsidiums der starke Mann im Hintergrund, hat intern aber schon klargemacht, dass es mit ihm keine extreme Verschuldung der DFL geben soll.

Verteilung der Deal-Einnahmen gilt als Konfliktpunkt

Aber auch das könnte nun noch einmal zur Debatte stehen. Die Kompetenz der Finanzinvestoren in Sachen Technologie und Medienvermarktung dürfe nicht überschätzt werden, warnen die Kritiker eines Deals. Zudem gibt es Stimmen, die für eine Art Finanzaufsicht in der Liga plädieren.

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Vorbehaltlich der Abstimmung mit den Klubs könnte die DFL selbst etwa ein Drittel des Gelds aus dem Anteilsverkauf bekommen. Ein Drittel erhielten die Vereine – für die bilanzielle Sanierung nach den zuschauerlosen Pandemiejahren, Nachwuchsförderung, Infrastruktur, aber auch neue Spieler.

Der Rest bliebe Finanzpuffer, auszahlbar über mehrere Jahre. Kritiker befürchten dennoch, dass die Klubs die Einnahmen „verfrühstücken“ und sich ihrer Perspektiven berauben. „Es gibt aber keine Gewähr, dass nicht doch der größte Batzen bei teuren Spielern und ihren Beratern landet“, merkt ein langjähriger Funktionär an.

Die Regelung für eine Geldverteilung gilt als Sollbruchstelle in weiteren Verhandlungen. Ausgangspunkt wäre das derzeitige Fernsehrechteschema: 53 Prozent der Einnahmen werden unter allen gleich verteilt, wobei die Erstligisten derzeit je 25,8 Millionen erhalten und die Zweitligisten je 7,2 Millionen. 42 Prozent werden nach sportlicher Leistung ausgegeben und zusammen fünf Prozent abhängig von Nachwuchsförderung und Beliebtheit bei Zuschauern.

Großstadtklubs mit starkem Fanzuspruch und hoher Medienreichweite wollen einen höheren Anteil für sich selbst herausschlagen – zulasten weniger beliebter Vereine. Den Klubs der Zweiten Liga soll derweil eine Zustimmung mit einer Erhöhung des Anteils am Topf für sportliche Leistung schmackhaft gemacht werden auf 30 Prozent von derzeit 19 Prozent.

Der plötzliche Geldregen könnte die Bundesligen zu einem „Closed Shop“ machen, ohne Chancen für die Aufsteiger aus der Dritten Liga, warnt der einstige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig. Eine Sorge, die mehrere Liga-Insider teilen. Ein Konzept innerhalb der DFL sieht daher vor, dass erst nach drei Jahren Verweildauer in der Ersten oder Zweiten Liga das Geld der Investoren ausgeschüttet wird.

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