Der europäische Fußballverband durfte abtrünnigen Klubs mit Ausschluss drohen. Allerdings bröckelt bei jungen Zuschauern der Widerstand gegen die Super League.
Real Madrid gegen FC Barcelona
Die beiden spanischen Topklubs hatten an den Plänen für eine Super League festgehalten.
Bild: IMAGO/NurPhoto
Düsseldorf, München Das Projekt einer europäischen „Super League“ um Topklubs wie Real Madrid und Juventus Turin könnte endgültig gescheitert sein. Das legt der Schlussantrag des EU-Generalstaatsanwalts Athanasios Rantos in einem laufenden Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EUGH) nahe. Demnach sind die Statuten des Fußballverbands Uefa, die dem Verband das alleinige Wettbewerbsrecht zusichert, mit EU-Recht vereinbar.
Rantos vertrat in seinem Schlussantrag am Donnerstag in Luxemburg zwar die Einschätzung, dass die Super League ihren eigenen Wettbewerb starten dürfe. Die Organisatoren könnten aber nicht mehr parallel an den Wettbewerben des Weltverbands Fifa und der Uefa ohne deren Erlaubnis teilnehmen.
Das Gutachten des Generalanwalts ist rechtlich nicht bindend, in vielen Fällen folgen die Richter dessen Einlassung aber. Das Urteil erfolgt grundsätzlich davon unabhängig und wird laut Branchenkreisen im ersten Quartal 2023 erwartet.
Geklagt hatte die spanische Sportmarketing-Agentur A22. Sie vertritt die Interessengemeinschaft mehrerer Profiklubs. die einen eigenen Vereinswettbewerb auf europäischer Ebene organisieren wollte. Zwölf Vereine hatten im April 2021 die Gründung einer Superliga verkündet. Der Plan wurde nach starken Protesten von Ligen, Verbänden und Fans jedoch schnell wieder verworfen.
Die drei Spitzenklubs Real Madrid, Juventus Turin und FC Barcelona wollen aber weiterhin eine Super League als Konkurrenz zur Champions League der Uefa gründen. Sie hatten Klage bei einem Gericht in Madrid eingereicht. Dieses hatte wiederum den EuGH angerufen, da es um Fragen des EU-Rechts etwa zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, zum freien Dienstleistungs- und freien Kapitalverkehr geht.
A22-Chef Bernd Reichart zeigte sich nach Bekanntwerden der Einschätzung zuversichtlich, dass er der Richterspruch letztlich zugunsten der Kläger ausfällt. Die Schlussanträge des Generalanwalts seien ein nächster Schritt im laufenden Verfahren. „Wir freuen uns, dass das Recht Dritter, europäische Vereinswettbewerbe zu veranstalten, anerkannt wurde“, sagte Reichart laut einer Mitteilung.
Man sei jedoch zuversichtlich, dass die 15 Richter der Großen Kammer, die mit der Prüfung dieses Falles betraut sind, wesentlich weiter gingen und den Vereinen die Möglichkeit geben werden, „ihre Zukunft in Europa selbst zu gestalten“.
Dem jetzigen Gutachten zufolge dürfen aber auch nationale Ligen Sanktionen androhen, sollten sich Vereine an einem Projekt beteiligen, das „die legitimen Ziele beeinträchtigen könnte, die von diesen Verbänden verfolgt werden, deren Mitglieder sie sind“. Heißt: Klubs dürften aus den nationalen Ligen rausgeworfen werden, wenn sie sich der Super League anschließen. Auch Fifa-Präsident Gianni Infantino hatte bereits in der Vergangenheit mit „Konsequenzen“ für Super-League-Teilnehmer gedroht.
Die Uefa begrüßte das Gutachten am Donnerstag und sah darin die Unterstützung, „um den Fußball in ganz Europa zu entwickeln“. Auch die Europäische Club-Vereinigung ECA nahm das Gutachten positiv auf. Der Verbund von knapp 250 Vereinen bekräftigte in einer Mitteilung seine „starke Opposition“ gegen die wenigen, die den europäischen Klubfußball stören und deren Werte untergraben wollen würden.
Die Erzählung der Klubs scheint jedoch zumindest in Teilen der jungen Fangruppen zu verfangen. Das legt eine Studie der Wiesbadener Sportmarketing-Agentur ONE8Y nahe. Insgesamt 10.090 Fußballinteressierte in den fünf größten Märkten Europas hatten die Datenexperten, die auch für den DFB und die DFL aktiv sind, in einer Online-Untersuchung befragt.
Das Ergebnis: Bei Fans „unter 25 Jahren“ sei die Zustimmung zur geplanten Topliga erheblich größer als in der Gesamtheit der Befragten. Demnach hätten 59 Prozent der jungen Zielgruppe die Super League befürwortet, insgesamt habe die Zustimmung dagegen bei nur 42 Prozent gelegen.
Offenbar spielen Gaming-Erfahrungen, aber auch geringere Bindungskräfte zu traditionellen Vereinswerten eine Rolle. Die Generation an „Nachwuchs-Fans“ gewinne man nicht mit Tradition und Erfolgen der Vergangenheit – „sondern mit kurzweiligen Formaten, Superstars und Entertainment“, kommentiert Hendrik Fischer, Chef von ONE8Y.
Real Madrid, Hauptinitiator der Super-League-Pläne, hatte genau mit solchen Argumenten die mit viel Kapital geförderte Innovation begründet. ONE8Y betont, die Untersuchung aus eigenem Antrieb und nicht in einem Kundenauftrag gemacht zu haben. Man sieht sich als „weltweit erste lizenzbasierte Marktforschungs-Datenbank im Sportbusiness“, die Statistiken aus mehr als 40 Märkten zu Themen des Sportbusiness auswertet.
Trotz des Widerstands vieler Fangruppen gewinnt die Idee der Super League nach Auswertungen von ONE8Y offenbar wieder an Attraktivität, vor allem in Spanien. Hier liegt der Zustimmungswert der 2000 Interviewten bei 60 Prozent, in der jungen Zielgruppe sogar bei 67 Prozent.
Fans von Real Madrid
In Spanien wächst die Zustimmung für eine europäische Super League wieder.
Bild: Reuters
Spanien ist damit allerdings das einzige Land mit einer gewissen Euphorie für das Mega-Fußballprojekt. In allen anderen betrachteten Märkten – Frankreich, Italien, Deutschland und England – liegt der Anteil der Befürworter klar unter 50 Prozent.
Über alle Antworten und abgefragten europäischen Märkte hinweg sei aber auffällig, dass die Super League an Attraktivität gewinne, so Experte Fischer: „Auch wenn die Mehrheit der Befragten diese Liga per Status quo ablehnt, so ist auffällig, dass eine nicht existente Liga bereits in dieser Betrachtung an Boden gegenüber existierenden Formaten gewinnen kann.“
Mit Agenturmaterial
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