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18.03.2018

13:36

Internetportal Geld-fuer-Flug.de

Die Rächer der Lüfte erhalten Geldspritze von Investoren

Von: Kevin Knitterscheidt

Das Düsseldorfer Start-up Geld-fuer-Flug.de hat den unfairen Stornobedingungen vieler Airlines den Kampf angesagt. Bekannte Investoren unterstützen die Firma jetzt mit 25 Millionen Euro.

Die Gründer des Internetportals Geld-fuer-Flug.de Geld-für-Flug GmbH

Benedikt Quarch, Phillip Eischet, Torben Antretter (v.l.)

Die Gründer des Internetportals Geld-fuer-Flug.de

Düsseldorf Mit seiner randlosen Brille und dem blau karierten Hemd wirkt Phillip Eischet eigentlich wie ein umgänglicher Fluggast. Doch der 25-Jährige ist derzeit Deutschlands wohl größter Airline-Schreck: Mit seinem Internetportal Geld-fuer-Flug.de hat er den unfairen Stornobedingungen vieler Fluggesellschaften den Kampf angesagt – und sie so innerhalb weniger Monate schon einige Millionen Euro gekostet.

Das Unternehmen, das er gemeinsam im März 2017 mit zwei Schulfreunden gegründet hat, hilft Fluggästen dabei, ihren Flug zu stornieren, ohne dabei auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Eischets Firma nimmt dafür die Daten des Fluggasts auf, prüft eventuelle Ansprüche und kauft sie auf. Wenn sich die Airlines einer Rückzahlung verweigern, klagt Geld-fuer-Flug.de auf Zahlung. Und trägt dafür auch das Risiko.

Das Geschäft ist offenbar einträglich genug, um bekannten Investoren einen großen Vertrauensvorschuss abzuringen: Der Maschmeyer-Fonds Seed + Speed hat gemeinsam mit dem Luxemburgischen Fonds EPI und einem Schweizer Private-Equity-Fonds in der letzten Runde mit 25 Millionen Euro finanziert – sozusagen als Geburtstagsgeschenk, zum ersten Jahr nach der Gründung.

Geboren wurde die Idee, als Eischet vor Jahren einmal selbst einen Flug stornieren wollte. Rund 100 Euro hatte er für die Strecke Düsseldorf-Berlin bezahlt, doch musste er den Flug schließlich absagen. „Zurück bekam ich aber kein Geld – sondern eine Rechnung über 3,28 Euro, die man mir aus Kulanz erlassen wollte.“

Die Fluggesellschaft hätte wohl noch genügend Zeit gehabt, den Sitzplatz anderweitig zu verkaufen, unterstellte er damals. Sie hätte dann einen großen Teil des Geldes zurückzahlen müssen. So zumindest will es die Rechtsprechung.

In der Praxis aber lassen es viele Fluggesellschaften darauf ankommen und erstatten nur die Steuern und Gebühren. Den meist deutlich höheren Ticketpreis behalten sie ein – notfalls, bis er vor Gericht eingeklagt wird.

Eischet fragte schließlich seinen Schulfreund Benedikt Quarch, der zu diesem Zeitpunkt Jura studierte. Der prüfte die Rechtslage, vertrat Eischet vor dem Amtsgericht und gewann. Anschließend wiederholten sie die Prozedur mehrmals im Bekanntenkreis – mit Erfolg.

Der Luftfahrtexperte Peter Maurer ging schon 2007 davon aus, dass in einem vollbesetzten Flugzeug jeder Sitzplatz dreimal gebucht wird und zweimal wieder gestrichen. Für die Airlines ist das ein einträgliches Geschäft: Versucht der Storno-Kunde nicht, sein Geld vehement zurückzufordern, können sie doppelt oder dreifach abkassieren.

„Ich finde das unfair“, sagt Eischet heute in der Teeküche seines neuen Büros, nur einen Steinwurf von der Königsallee entfernt. Vor zwei Wochen ist das Unternehmen in die Nachbarschaft der Düsseldorfer Luxusmeile eingezogen, um mehr Platz für die neuen Angestellten zu haben; insgesamt zehn sind es derzeit an der Zahl.

Am Eingang der neuen Räumlichkeiten versprüht eine Fußmatte mit der Aufschrift „Arrival/Departure“ einen gewissen Flughafen-Charme. Doch ansonsten sind die Räume funktional eingerichtet: Die künftige Dekoration für die weißen Wände liegt noch auf den Schreibtischen. Im Hinterzimmer der Küche befindet sich ein Schlafsofa. „Wenn es mal spät wird“, sagt Eischet, der in Vallendar und St. Gallen studiert hat.

Aus der Praxis der Airlines haben der Betriebswirt und seine Freunde zwar ein Geschäftsmodell gemacht. Doch das Unverständnis darüber ist ihm immer noch anzumerken: „Da zahlen viele Kunden für eine Leistung, die von der Fluggesellschaft nie erbracht wird.“ Schlicht, weil sie den Rechtsweg scheuen.

Die Programmierer von Geld-fuer-Flug.de haben inzwischen einen Algorithmus entwickelt, der für jede Anfrage eines Storno-Kunden rund 80 Datenpunkte analysiert: War der Flug ohnehin überbucht? Wie hoch ist das Aufkommen üblicherweise? Und damit: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Airline das Ticket wohl anderweitig verkaufen konnte?

Anhand dessen errechnet der Computer einen Betrag, den er dem Kunden zur sofortigen Auszahlung vorschlägt. Und der liegt in fast jedem Fall über dem Betrag, den die Airlines in der Regel ohne rechtliche Gegenwehr auszahlen würden.

Weil dabei jeder Fall höchst individuell berechnet werden muss, bezeichnet sich Geld-fuer-Flug.de als „Legal Tech“. Denn anders als andere bekannte Portale wie Flightright oder Fairplane fordert Geld-fuer-Flug.de kein Geld im Namen des Fluggasts ein, wenn es seitens der Airline zu einer Streichung oder Verspätung kommt. Eischets Mitarbeiter werden nur aktiv, wenn der Kunde vom Flug zurücktreten möchte: „Wir betreiben keinen Inkasso-Dienst.“

Ein Beispiel aus der Datenbank: Eine Familie mit zwei Kindern möchte einen Flug von Düsseldorf nach San Francisco für insgesamt 2.099,94 Euro stornieren; davon entfallen 343,65 Euro auf Steuern und Gebühren. Diesen Betrag würde die Airline also nach dem geplanten Flugtermin erstatten – und den Löwenanteil von 1.756,29 Euro behalten.

Das Gegenangebot des Computers lautet immerhin auf 804,85 Euro, aber innerhalb von 24 Stunden. „Unser Mitarbeiter würde den Betrag vermutlich manuell noch etwas erhöhen, sodass am Ende das Drei- bis Dreieinhalbfache der ursprünglichen Erstattungssumme herauskommt“, erklärt Eischet am Bildschirm.

Stimmt der Kunde zu, erwirbt Geld-fuer-Flug.de den Anspruch. Mehrere Partnerkanzleien erstreiten ihn im Zweifel vor Gericht und können dabei auf die Daten des Algorithmus zurückgreifen. Die Differenz zum ausgezahlten Betrag und dem endgültigen Streitwert behält das Unternehmen.

Doch einige Fluggesellschaften wüssten bereits, dass sie mit einer Prozessniederlage bloß zusätzliche Kosten produzieren, und würden inzwischen freiwillig zahlen, wenn sein Unternehmen einen Betrag fordere, berichtet Eischet. „Andere lassen es immer wieder darauf ankommen und hoffen vermutlich, dass uns die finanziellen Mittel ausgehen.“

Doch nach der jüngsten Millionenfinanzierung ist das erst einmal nicht zu erwarten. Das Unternehmen gibt den Anteil verlorener Fälle mit gerade einmal drei Prozent an. Mit dem zusätzlichen Geld will das Trio expandieren – ob in andere Märkte oder andere Rechtsgebiete, ist noch offen. „Die Domain cash-for-flight.net ist jedenfalls gesichert“, scherzt Jurist Quarch. So gesichert wie der Unterschied zwischen recht haben und recht bekommen.

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