ARD und ZDF sollen rund 214 Millionen Euro für die Senderechte bezahlt haben. Das Turnier in Katar verfolgten allerdings historisch wenige TV-Zuschauer in Deutschland.
ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann bei der WM
Das Vorrunden-Aus der DFB-Auswahl drückte die deutschen TV-Quoten.
Bild: dpa
Düsseldorf Den Sieg von Argentinien gegen Frankreich im Finale der Fußballweltmeisterschaft in Katar haben am Sonntagnachmittag in der ARD 13,9 Millionen Zuschauer gesehen. Das Erste erzielte damit einen Marktanteil von 53,6 Prozent. Die Zahlen mögen gut klingen, doch sie sind historisch schlecht.
So schalteten bei der Fußball-WM 2018 in Russland 21,3 Millionen Menschen ein (Marktanteil: 76,1 Prozent). Beim Turnierfinale 2014, in dem Deutschland Weltmeister wurde, waren es sogar 34,7 Millionen Zuschauer – ein Marktanteil von 86,3 Prozent.
Das Finalspiel passt ins Bild: Das Turnier in Katar ist hierzulande nur auf ein geringes Interesse gestoßen. Bei der WM 2018 hatte es 20 Übertragungen mit mehr als zehn Millionen TV-Zuschauern gegeben, in diesem Jahr waren es lediglich vier.
Medienforscher haben einen solchen Rückgang bei einem Sportgroßereignis noch nicht erlebt. Das ZDF spricht von 30 bis 40 Prozent weniger Zuschauern als bei vergleichbaren Turnieren. „Das ist schon eine durchwachsene Bilanz für alle Beteiligten“, sagte Intendant Norbert Himmler. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky ergänzte, dass die WM das „wohl schwierigste Sportereignis war, das wir bislang live übertragen haben“.
Die ARD hatte bereits bei den Vorrundenspielen festgestellt, dass statt neun Millionen Zuschauern wie bei der WM in Russland dieses Mal im Schnitt nur fünf Millionen Zuschauer einschalteten. Bei den K.-o.-Spielen sei das Zuschauerinteresse zwar angewachsen, es habe aber nicht an die Erfolge der vergangenen Weltmeisterschaften anknüpfen können, erklärte Balkausky.
ARD und ZDF haben den Großteil der 64 WM-Spiele in Katar live übertragen. Sie sollen für die Übertragungsrechte mehr als 214 Millionen Euro bezahlt haben.
Das niedrige Zuschauerinteresse erklärte sich ZDF-Intendant Himmler so: „Ich glaube, dass die Jahreszeit eine Rolle spielt. Es hat auch mit dem Austragungsort und mit der sportlichen Performance der deutschen Mannschaft zu tun.“ Die DFB-Elf war bereits in der Vorrunde ausgeschieden.
Die Ausgangslage für die TV-Sender schien zunächst nicht so schlecht: Viele Gastronomen und fast alle großen deutschen Städte hatten sich dagegen entschieden, die Fußball-WM auf Großleinwänden zu übertragen. Zudem verbringen Menschen in der dunklen Jahreszeit üblicherweise mehr Zeit mit Fernsehen.
Dass die Quoten so mau ausfallen, erklären sich Beobachter vor allem mit den Boykottaufrufen angesichts des Gastgeberlands Katar: Das Emirat stand insbesondere in Deutschland in der Kritik, weil dort Menschenrechte missachtet werden und es auf den WM-Baustellen zu tödlichen Unfällen gekommen ist.
Zudem war es das erste Turnier, das wegen der Hitze in Katar im Winter stattfinden musste. Die teilweise frühen Anstoßzeiten sowie die allgemeine Konsumzurückhaltung im Zuge der Inflation haben offenbar ihr Übriges getan.
Der Rückgang der klassischen TV-Quoten erklärt sich auch nicht mit einer verstärkten Nutzung von Online-Bezahlangeboten. Zwar hat die Deutsche Telekom mit ihrem Dienst Magenta TV alle WM-Spiele übertragen. Von den vier Millionen Kunden habe man regelmäßig siebenstellige Nutzungszahlen und in der Spitze 1,5 Millionen Menschen erreicht, hieß es vom Unternehmen.
„Unter Berücksichtigung der schwierigen Begleitumstände dieser WM sowie des frühen Ausscheidens der deutschen Nationalmannschaft bewerten wir den Verlauf für uns insgesamt positiv“, sagte Arnim Butzen, TV-Chef der Telekom. Nach der Europameisterschaft im vergangenen Jahr hatte sich der Dax-Konzern nach seiner Übertragung allerdings noch „sehr zufrieden“ gezeigt.
>> Lesen Sie mehr: Debakel in Katar: Deutsche Wirtschaft hadert mit der WM – nicht nur wegen des frühen Ausscheidens
Neben den TV-Sendern hadern auch andere Branchen, die üblicherweise von einer WM profitieren, mit dem Turnier. Der Handel hat kein zusätzliches Geschäft gemacht, auch viele Gastronomen und die Brauereien spürten keine Impulse. Allein Sportartikelhersteller Adidas, der etwa Weltmeister Argentinien ausstattet, erwartet ein Umsatzplus von 30 Prozent. Allerdings hat Adidas Bälle und Trikots vor allem in Ländern außerhalb Europas verkauft.
Die Vermutung, dass es einen negativen Katar-Effekt gibt, wird dadurch gestärkt, dass das Interesse am Fußball insgesamt nicht gesunken ist. Das Finale der Europameisterschaft der Frauen sahen in diesem Sommer durchschnittlich 17,95 Millionen Menschen – ein Marktanteil von 64,5 Prozent.
So rechnen die öffentlich-rechtlichen Sender bei künftigen Großturnieren wieder mit einem größeren Interesse: „Ich gehe davon aus, dass wir in einer anderen Jahreszeit und in anderen Regionen auch wieder die große Begeisterung spüren werden“, sagte ZDF-Intendant Himmler.
Die Austragungsorte der nächsten Turniere seien unproblematisch. Die kommende Europameisterschaft 2024 findet in Deutschland statt, zwei Jahre später sind die USA, Kanada und Mexiko Gastgeber der WM.
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